TV an, Kopf aus? Was mit Kindern passiert, die zu viel vorm Fernseher sitzen

Zu viel Fernsehgucken macht viereckige Augen, heißt es immer. Doch in Wahrheit bewirkt der TV-Konsum bei Kindern etwas ganz anderes. Was Wissenschaftler herausfanden.

Natürlich macht Fernsehgucken keine viereckigen Augen. Auch wenn mit Sicherheit die einen oder anderen Eltern auch heute noch an der Drohung festhalten, um den TV-Konsum ihrer Kinder einzuschränken. 

Doch gute Nachrichten für alle Eltern, die diesen abgedroschenen Satz zu oft verwendet haben: Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass der Fernsehkonsum wirklich etwas mit Kindern macht. Um genau zu sein, mit Babys und Kleinkindern. Wie Wissenschaftler des Drexel’s College of Medicine herausgefunden haben, wirken sich Fernsehsendungen und Videos negativ auf die Verhaltensweise von Kindern aus. 

Eine neue Hoffnung für Eltern, ihren Kindern das Fernsehen madig zu machen oder doch ein bedenklicher Hinweis seitens der Wissenschaft?

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Laut den Wissenschaftlern neigen Babys und Kleinkinder möglicherweise eher dazu, atypische sensorische Verhaltensweisen an den Tag zu legen, wenn sie Fernsehen oder Videos sehen. Das zeigt sich unter anderem in mangelnder Beteiligung und Desinteresse an Aktivitäten, der Suche nach intensiver Stimulation und dem Umgang mit lauten Geräuschen oder hellem Licht.

So sollen Kinder, die bis zu ihrem zweiten Geburtstag häufig fernsahen, weniger empfindlich und sensibel sein, aber langsamer auf Reize reagieren. Für ihre Untersuchung zog das Team Daten zum Fernsehen und DVD-Schauen von 1.471 Babys und Kleinkindern im Alter von zwölf bis 24 Monaten heran. 

Was die Ergebnisse nahelegen

  • 12 Monate: Jede Bildschirmexposition war mit einer um 105 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit verbunden, „starke“ sensorische Verhaltensweisen zu zeigen, anstelle von „typischen“. 
  • 18 Monate: Jede zusätzliche Stunde täglicher Bildschirmzeit war mit einer um 23 Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden, „starke“ sensorische Verhaltensweisen zu zeigen. Diese gingen später mit der Vermeidung von Empfindungen und einer geringeren Registrierung einher.
  • 24 Monate: Das Risiko für eine „starke“ sensorische Verhaltensweise erhöhte sich mit jeder zusätzlichen Stunde täglicher Bildschirmzeit um 20 Prozent. 

Bei der Analyse wurden einige Faktoren berücksichtigt. Dazu zählen das Alter, ob das Kind zu früh geboren wurde, die Ausbildung der Betreuungsperson, ethnische Zugehörigkeit und die Häufigkeit der Spiels mit der Betreuungsperson.

Bedenkliche Folgen für Kleinkinder

Die Wissenschaftler haben mit ihrer Untersuchung die Liste besorgniserregender Gesundheits- und Entwicklungsereignisse im Zusammenhang mit der Bildschirmzeit bei Babys und Kleinkindern ergänzt. Darunter: Sprachverzögerung, Autismus-Spektrum-Störung, Verhaltensprobleme, Schlafstörungen, Verzögerung bei der Problemlösung und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten

Laut Karen Heffler, Hauptautorin der Studie, könnte dieser Zusammenhang wichtige Auswirkungen auf die Forschung rund um die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Autismus (ASD) haben. 

Kinder, die von den Krankheiten betroffen sind, zeigen eine Reihe schädlicher Verhaltensweisen. Sie suchen stärker nach Stimulation, vermeiden Empfindungen, haben eine erhöhte Sensibilität und eine geringere Wahrnehmungsfähigkeit. Auch fällt es ihnen schwerer, soziale Probleme zu bewältigen und gesunde Ess- sowie Schlafgewohnheiten einzuhalten. 

Wenig bis gar kein Fernsehen 

"In Anbetracht dieses Zusammenhangs zwischen hoher Bildschirmzeit und einer wachsenden Liste von Entwicklungs- und Verhaltensproblemen kann es für Kleinkinder, die diese Symptome zeigen, von Vorteil sein, sich einer Zeitverkürzung der Bildschirmzeit zu unterziehen, zusammen mit sensorischen Verarbeitungspraktiken durch Ergotherapeuten“, so Heffler.

Die American Academy of Pediatrics (AAP) spricht sich bei Babys im Alter von 18 bis 24 Monaten grundsätzlich gegen Bildschirmzeit aus. Die einzige Ausnahme, die sie anbringen, sind Live-Video-Chats, weil die da stattfindende Interaktion möglicherweise einen Nutzen bringt.

Für Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren empfiehlt die AAP nicht mehr als eine Stunde Fernsehen pro Tag. "Schulung und Aufklärung der Eltern sind der Schlüssel zur Minimierung oder hoffentlich sogar Vermeidung der Bildschirmzeit bei Kindern unter zwei Jahren“, sagte der leitende Autor David Bennett

Künftig sollen auch Medien, die auf Smartphones oder Tablets angesehen werden, in die Forschung einfließen. Das sei laut Forschenden erforderlich, um die Mechanismen besser zu verstehen, die den Zusammenhang zwischen der frühen Bildschirmzeit und atypischer sensorischer Verarbeitung bestimmen. 

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