Stefan Piëch erklärt, was gutes TV-Programm für Kinder ausmacht

Der Medienunternehmer über Qualität bei Kinderunterhaltung, Klassiker von Max und Moritz bis Disney und welche Zeichentrickfigur er selbst wäre.

Werbung für zuckerhaltige Nahrungsmittel oder gewaltverherrlichende Spiele sind auf seinen Kinder-TV-Sendern Tabu. Im KURIER-Interview erklärt der Medienunternehmer Stefan Piëch aus dem bekannten Piëch-Porsche-Clan, was Qualität im Kinder-TV auszeichnet, welche Rolle das Internet spielt und welche Zeichentrickfigur er wäre.

Sie kritisieren gerne und oft, dass viele Kindersendungen sinnbefreit sind und stehen für Kinder-TV mit Qualitätsanspruch. Was ist für Sie qualitätsvolles Kinderprogramm?

Stefan Piëch: Viele Dinge spielen hier eine Rolle: Es geht einerseits um den Umgang der Charaktere miteinander, die Wortwahl und um die Grammatik. Mein Maßstab ist grundsätzlich, woran erinnert man sich selbst als Erwachsener? Wenn man sich Programme, die man als gut befunden hat und die einen stark bewegt haben, wieder ansieht, dann kommt man darauf, dass sie meistens eine hohe Qualität hatten. Oft gab es dazu literarische Vorlagen. Die Geschichte hat meist archetypische Qualitäten, die in Richtung Erwachsenwerden, eines neuen Lebensabschnitts abzielen.

Was bewerten Sie im Vergleich dazu als sinnbefreit?

Dinge, die sehr effekthascherisch sind und rein auf den Lacher oder den Spezialeffekt beziehungsweise das Visuelle abzielen. Ich sage gerne „War is no Star„, also “Krieg ist kein Star„: Wenn wir uns an den Film „Krieg der Sterne„ erinnern, war das früher definitiv nicht als Kindersendung gedacht – heutzutage gibt es Pyjamas und sonstige Gimmicks mit Darth Vader drauf. Der Medien-Konsum, der oft gar nicht mehr nur über den Fernseher stattfindet, stellt inzwischen Kindern Dinge bereit, die definitiv nicht kindgerecht sind.

Ist klassisches TV-Programm noch zeitgemäß? Eltern sind heute oft versucht, einen Streamingdienst aufzudrehen und das laufen zu lassen.

Da gibt es zwei Mechanismen, die stark in den Fokus geraten: das Thema „Clickbait„ also der Köder, der dazu verleitet etwas anzuklicken. Die eigene Auswahl, das Kuratierte, gerät dadurch in den Hintergrund. Wenn im Netz etwas oft geklickt wird, muss es aber nicht zwangsläufig gut sein. Es gibt dieses Mantra von der BBC, die sagen: Wir wollen Gutes populär und Populäres gut machen. Das Problem ist, dass Populäres nicht gut sein muss – es kann, aber muss nicht. Fernsehen hat hier einen anderen Ursprung und gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Bildungsauftrag. Die Serien werden eingekauft oder produziert, um diesem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Da gibt es eine professionelle Redaktion im Hintergrund, die die Sachen filtert, zum Beispiel auf Themen wie Gewalt. Ein klassisches Beispiel ist auch Sarkasmus: Wenn man Sarkasmus bei Kindersendungen sieht, ist das oftmals ein Zeichen, dass da jemand am Werk ist, der eigentlich ursprünglich nicht für Kinder produziert hat. Kinder verstehen Sarkasmus nicht.

Woran erkennen Eltern, was gutes Fernsehen ist?

Sendungen, die man selbst als Kind konsumiert hat, die generationsübergreifend sind, können nichts Schlechtes sein. Max und Moritz läuft zum Beispiel nicht im Fernsehen, aber Wilhelm Busch schafft es mit Geschichte trotzdem, jede Generation zu erreichen. Dieses Archetypische, das solchen Programmen anhaftet, stützt Kinder auch in ihrer Entwicklung. Klassiker wie die alten Disney Filme, mit denen wir aufgewachsen sind oder Serien wie „Biene Maja„, “Fix und Foxi„, oder auch der „Pumuckl„. Kinder brauchen gute Geschichten, um die Welt zu verarbeiten. Das ist die Art und Weise, wie sich der Mensch sozialisiert hat – über die vorhergehenden Zivilisationen bis heute ist das so. Also, wenn Sie mich fragen, wo man die guten Geschichten findet, dann kann ich nur sagen: meistens als Buchform. Das klassische Vorlesen und damit sehr kuratierte Vorgehen durch Eltern, die ausgewählten Inhalte, die als Sendungen heute oft eher im Fernsehen zu finden sind als im Streamingdienst, das sind gute Geschichten.

Max und Moritz gelten heute ja eher als brutal. Bei den alten Disney Filmen werden inzwischen die vermittelten Stereotype kritisiert. Demnächst soll es eine Pumuckl-Neuauflage geben: Der alte Pumuckl hat damals sogar Zigaretten oder ein Bier probiert. Das wäre heutzutage nicht mehr vorstellbar. Wie viel bleibt da vom Original noch übrig?

Das sind ja keine grundsätzlichen Hauptthemen in den Geschichten, die sie erwähnen. Natürlich hat sich der Umgang mit Zigaretten, Alkohol und anderen Themen seither verbessert. Man kann und sollte die alten Sendungen darauf filtern, dass da gewisse Dinge nicht  mehr vorkommen oder überbetont werden. Aber das Thema Gewalt, das umgekehrt heute viel mehr Akzeptanz findet sowie der freie und ungehinderte Zugang zu Pornografie im Netz, das sind Themen, die uns wirklich beschäftigen sollten. Diese Themen findet man meist völlig ungefiltert im Netz, sogar auf großen Videoportalen – dem sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken als beispielsweise dem Umgang mit Zigaretten in alten Kindersendungen wie dem Pumuckl.

Wie würden Sie das eindämmen?

Es gibt ganz klare Regeln und Rahmenbedingungen für TV-Inhalte. Als Intendant von zwei privaten Kindersendern gibt es für mich ganz klare Vorgaben, was meine Sender zu welcher Uhrzeit senden können. Diese Vorgaben müsste man auf die Streamingdienste und das Netz legen.

Heutige Kinderserien sind oft sehr gefällig. Die Protagonisten sind vor eine Herausforderung gestellt und lösen sie - sonst gibt es wenig Ecken und Kanten. Was wurde aus so rebellischen Figuren wie Pippi Langstrumpf oder so Schlitzohr-Figuren wie Bugs Bunny? Funktionieren die heute nicht mehr?

Pippi Langstrumpf und Pumuckl funktionieren sogar sehr gut, wie man auf Plattformen wie YouTube sieht. Dort sind die Klickzahlen dieser klassischen und zeitlosen Formate sehr hoch. Gleichzeitig findet man bei aktuellen Produktionen gerade im Sinne gelebter Diversity überraschende Geschichten und Neu-Interpretationen. In einer aktuellen Produktion von Amazon ist die gute Fee im Märchen Cinderella zum Beispiel ein diverser Charakter. Das ist doch großartig.

Gerade in der Pandemie ist der Medienkonsum von Kindern stark gestiegen. Sie sind selbst Vater von vier Kindern. Wie bekommt man die Kinder weg vom Bildschirm?

Das ist sicher eine der kritischen Fragen unserer Zeit. Die viel zu hohe Bildschirmzeit, die auch uns betrifft, als Erwachsene. Wir haben uns vor fast zehn Jahren, als wir den Sender RiC TV gestartet haben, der auch werbefinanziert ist, die Frage gestellt: Wie können wir Werbung vertreten, wenn wir uns doch auf die Fahnen geschrieben haben, gutes Programm zu machen? Unser Schluss war: es geht doch eigentlich um die Frage, wofür geworben wird. Sportartikel oder gewisse Familienreisen würde ich als Vater hier nicht als schlimm betrachten. Problematische Themen wie zuckerhaltige Nahrungsmittel, oder gewaltverherrlichende Spiele sollten hingegen jeden stören und die haben wir von Anfang an abgelehnt. Deswegen geht es nicht nur um die Screen-Time, sondern auch um das Setting, was für Inhalte angesehen werden, zu welcher Uhrzeit.

Kann Kinder-TV dazu beitragen, dass weniger Zeit vor dem Bildschirm verbracht wird?

Wir machen seit Beginn von 19:00 bis 19:30 Schwarzbild. Da wird ohne Bilder eine kurze Gute-Nacht-Geschichte erzählt, ein klassische Hörgeschichte also. Manche hören sie sich an und manche auch nicht, aber auf jeden Fall wird damit das Abschalten des Bildschirms erleichtert.

Wenn Sie eine Zeichentrickfigur wären …

…dann wäre ich wahrscheinlich „Lupo“ aus dem “Fix und Foxi“-Universum. Das ist der Gegenspieler von Fix und Foxi, ein lustiger und positiver Charakter. Lupo ist ein Lebenskünstler und Revoluzzer, der gerne jede Herausforderung annimmt.

Zur Person: Stefan Piëch

Der 51-Jährige stammt aus dem bekannten Piëch-Porsche-Clan und ist als Juror in der TV-Show „2 Minuten, 2 Millionen“ auch öffentlich präsent. Er sitzt im Aufsichtsrat von Porsche und der VW-Tochter Seat, ist Medienunternehmer und Vater von vier Kindern. 

 

Mit den Kindersendern RiC TV und Fix & Foxi will er gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und qualitative Inhalte liefern. So wird dort nur ausgewählte Werbung  gesendet. 

 

Von 19 bis 19:30 wird ein Schwarzbild gesendet und eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt, um Kindern und Eltern das Abdrehen des TV-Geräts zu erleichtern.

Laila Docekal

Über Laila Docekal

Ressortleiterin für die Bereiche Gesundheit, Wissenschaft und Familie. Im Team für den Podcast "Ich weiß, wie es ist". Seit 2007 beim KURIER, Faible für Geschichten, die das Leben schreibt und besonderes Augenmerk auf Themen, die sich um Frauen, Familien und Nachhaltigkeit drehen. Sieben Jahre lang jede Woche für den "Bodyblog" im Samstag-KURIER ein neues Fitnessangebot getestet und vorgestellt. Funfact: In diesen rund 350 Kolumnen kam nur ein einziges Mal eine Wintersportart vor - Curling. 2013 MiA-Award für integrativen Journalismus, 2023 Stephan-Rudas-Preis für den Podcast "Ich weiß, wie es ist"

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