Eating disorder concept. Girl on weight. Anorexia problem flat person illustration
Schönheitsideale

Was der neue Schlankheitskult im Netz mit Donald Trump zu tun hat

Auf Plattformen wie Tiktok feiern junge Nutzerinnen neuerdings wieder ihre mageren Körper. Hat das Konzept der Body Positivity ausgedient?

„Egal wie dünn ich bin, ich habe das Gefühl, dass ich nicht schlank genug bin. Ich habe 48 Kilogramm.“ Ein knapper Kommentar unter einem Video, das mehr als 600.000-mal aufgerufen wurde. Von Kopf bis Fuß filmt sich eine junge Frau auf dem Sofa liegend unter dem Hashtag #SkinnyTok. „Nothing tastes as good as skinny feels“ (Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt), schreibt das dünne Mädchen im Video über seinen Körper.

Ein berühmter Satz von Model Kate Moss, der eigentlich für die frühen 2000er steht – zusammen mit abgemagerten Teenagervorbildern wie Nicole Richie und dem „Heroin Chic“.

Danach hielt die Body-Positivity-Bewegung Einzug in den Mainstream, über Jahre wurde Diversität und Selbstliebe gefeiert – oft auch nur, um Produkte zu vermarkten. 

Doch jetzt schlägt das Pendel wieder in die Gegenrichtung: Es dominieren Kalorienzähler und Diättipps im Netz. „What I eat in a day“-Videos und „Fitfluencer“ zeigen, wie wenig man an einem Tag essen und dennoch trainieren kann. Durch viele Beschwerden wurde das Schlagwort „SkinnyTok“ auf Tiktok vor einigen Tagen sogar verboten. Ein Feigenblatt, denn wer die Schreibweise leicht abwandelt, findet die meisten Videos wieder, die Abnehmen und Dünnsein zur höchsten Priorität stilisieren.

Filter und Spritze - die Gründe für den Hype

Die Trendwende manifestiert sich auch auf den Laufstegen. Laut einem Vogue-Report waren zuletzt 0,3 Prozent der Models plus size. 2020 waren es noch 2,8 Prozent.

Die Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner nennt drei Gründe für den neuen Hype um Schlankheit: perfektionierte Filter auf Social Media, Abnehmspritzen – und der Vormarsch des Rechtspopulismus. „Die Filter sind heute so weit, dass man kaum mehr erkennt, wie jemand im echten Leben aussieht“, sagt Lechner. Je mehr Zeit Jugendliche auf Plattformen wie Tiktok verbringen, desto mehr optimierten Körpern begegnen sie.

 „Wer täglich mehr als sechs Stunden online ist, braucht viel widerständige Medienkompetenz, um sich gut abzugrenzen.“

46-216112549

 Influencerin Liv Schmidt propagiert fragwürdige bis gefährliche Abnehmtipps, ihr Account wurde deswegen temporär gesperrt und viele Inhalte gelöscht.

©instagram.com/livsschmidt/ screenshot

Auch vermeintliche leicht verfügbare Abnehmspritzen wie Ozempic oder Mounjaro befeuern den Trend: „Sie suggerieren, dass jeder schlank sein kann. Aber das stimmt nicht – der Zugang ist teuer, gesunde Ernährung oft ebenso. Hier fehlt ein gesellschaftlicher Aspekt.“

Menschen mit Mehrgewicht sind weniger sichtbar

Einen kritischen Blick bietet die Wiener Influencerin und Modeunternehmerin Madeleine Alizadeh alias Dariadaria regelmäßig auf ihrem Instagram-Kanal. Dort bemängelte sie kürzlich, dass dicke Körper wieder aus Kampagnen verschwinden und Menschen, die optisch nicht der schlanken Norm entsprechen, angefeindet werden (siehe unten). „Das war eine schleichende Entwicklung“, sagt sie zum KURIER.

 „Auf Instagram hat sich die ,Health’-Ästhetik früh etabliert: makellose Bodys, grüne Smoothies, tägliche Gym-Routinen. Das wurde schnell toxisch, weil es unter dem Deckmantel von Selbstliebe und Disziplin vor allem wieder ein sehr schlankes, leistungsorientiertes Ideal verkörperte. Tiktok hat das Ganze dann auf die Spitze getrieben.“

Donald Trump

Auch politische Strömungen beeinflussen Schönheitsvorgaben. Unter Donald Trump wird in den USA gerade ein republikanischer Frauentyp propagiert: lange Haare, starkes Make-up und eine schlanke, weibliche Figur sind gefragt. Der Aufstieg rechter Bewegungen dränge Frauen zurück in alte Rollenbilder, erklärt Lechner. 

 „In Krisenzeiten wird versucht, Frauen wieder auf ihr Äußeres zu reduzieren.“

Die vielen Slogans um Body Positivity sieht sie aber auch kritisch. Denn: „Wir haben nie aufgehört, nicht-normschöne Körper zu diskriminieren. Ein Plus-Size-Model darf auf den Laufsteg – aber nur, wenn es sonst makellos ist.“ Die Bewegung sei von der Schönheitsindustrie vereinnahmt worden, die immer neue Unsicherheiten befeuert, um Absätze anzukurbeln.

Kritik an Influencerinnen

Auch Influencerinnen, die Body Positivity mit Werbung verbinden, begegnet sie mit Skepsis

„Wenn politische Botschaft und Produktvermarktung verschwimmen, wird auch die Bewegung zum Produkt. Widerstand kann man aber nicht kaufen.“ 

Hinzu kommt: „Auch kritische Influencerinnen kämpfen mit den Logiken von Plattformen wie Instagram – die zielen einzig auf Nutzerüberwachung ab, um noch gezielter Werbung zu schalten.“

 Ihrer Verantwortung ist sich auch Alizadeh, aktuell ca. 370.000 Instagram-Abonnenten, bewusst. „Ich gebe bewusst keine Diättipps, kein What-I-eat-in-a-day.“ Gleichzeitig wird sie selbst Kommentaren über ihr Äußeres konfrontiert. „Ich bekomme regelmäßig Nachrichten von jungen Frauen, die sich vergleichen und fragen, ob sie so aussehen sollten wie ich. Aber auch Personen, die etwaige Gewichtszunahmen oder ,Dellen an den Oberschenkeln’ kommentieren. Wir sollten aufhören, Körper permanent zu bewerten.“

Body Positivity als Marketing-Trend sei vielleicht vorbei, als Bewegung aber wichtiger denn je: „Wir sind noch lange nicht an dem Punkt, an dem alle Körper gleich viel Wert haben.“

Kommentare