Italiens unterschätzte Küste: Ein Roadtrip durch Ligurien
Die Riviera ist für Adria-Touristen die große Unbekannte. Warum sie ur-italienisch ist, und welche Orte neben den berühmten “Cinque Terre“ eine Erkundungstour wert sind.
Es gibt nicht viele Österreicher, die beim Gedanken an Italien an felsige Küsten, lange Kiesstrände, türkises Meer und Wanderschuhe denken. An der italienischen Riviera ist das touristische Leben noch in Ordnung, denn hier urlauben vor allem Einheimische. Kaum ein deutsches Wort ist in den engen Straßen der Ortschaften und an den verborgenen Stränden zu hören. Wer nach Ligurien reist, macht nicht einfach nur Badeurlaub, sondern frönt der Entdeckungslust.
Die Italiener kommen zu Pfingsten und Ferragosto gerne nach Ligurien und überfluten förmlich die Küste, doch in der Nebensaison ist es angenehm ruhig. Bereits im Mai hat das Wasser angenehme 22 Grad, auch im September ist es ähnlich. Von Quallenplagen und übermäßiger Hitze bleibt man zu dieser Jahreszeit verschont, obwohl wir noch immer von Sommerurlaub sprechen.
Wir starten unsere Reise im malerischen Ferienort Finale Ligure, das zum Bezirk Savona gehört. Ein Triumphbogen zu Ehren der Habsburgerin Margarita von Spanien ziert den Hauptplatz, der direkt an der Promenade liegt. Zu Fuß geht man 15 Minuten den Hügel hinauf, um nach Finalborgo zu kommen. Eine wuchtige Stadtmauer umgibt das mittelalterliche Juwel, das von der Basilika San Biagio dominiert wird. Sie wurde 1261 das erste Mal urkundlich erwähnt. Unter den Habsburgern blühte Finalborgo im 17. Jahrhundert auf, bevor es 1713 von der Republik Genua erobert wurde und zunehmend an Bedeutung verlor.
Malerischer Roadtrip
Von Finale Ligure geht es gen Osten die Küste entlang. Die Kulisse ist spektakulär: Steile Felswände, die direkt ins Wasser ragen, zwischendurch durchquert man kleine Ortschaften. Außerdem werden immer wieder wilde Strände preisgegeben: Manche, wie die „Baia dei Saraceni“, liegen fast am Straßenrand und laden zur schnellen Abkühlung ein. Wer keine Lust auf Straßenlärm und vorbeirauschende Motoren hat, fragt sich am besten zu einer der versteckten Buchten durch. Die Einheimischen sind überraschend hilfsbereit und geben gerne Geheimnisse preis. Das vorherrschende Klischee, dass die westlichen Italiener „unfreundlich wie die Franzosen“ seien, bestätigt sich nicht. Eine ältere Dame am Eiskiosk erzählt vom „Spiaggia di Punta Crena“, einer versteckten Bucht nahe Varigotti, für die man „scarpe robuste“ brauche (also festes Schuhwerk). Ein kurzer Google-Check verrät die Route: Man parkt auf der Strada Vecchia und begibt sich über einen Trampelpfad zum 500 Meter entfernten Strand. Der finale Abstieg ist abenteuerlich, zahlt sich für ein Bad im kleinen Paradies aber auf jeden Fall aus: Eine steile Felswand, an der ein Kletterseil als Hilfe befestigt ist, führt in die einsame Bucht. Deswegen also die „scarpe robuste“!
Und was wäre ein Roadtrip durch Italien ohne etwas Kunstgeschichte? Gleich hinter der Stadt Savona liegt Albissola Marina, in der man ein architektonisches Juwel aus dem Spätbarock besichtigen kann. Die kitschig anmutende „Villa Faraggiana“ ist mit aufwendiger Fassade verziert und in Terracotta gehalten, im Inneren tummeln sich Goldengel vor detailverliebten Fresken. Atemberaubend ist vor allem das Exterieur: Man betritt das Grundstück über einen breiten Weg gesäumt mit Pokalen aus Sandstein und gemustertem Steinboden. Der Garten gleicht einem Labyrinth – einer mediterranen Version von „Alice im Wunderland“ samt Palmen und Agaven. Die Villa beherbergt auch ein Museum, allerdings sollte man sich vorab telefonisch nach den Öffnungszeiten erkundigen, da der Garten ein beliebter Ort für Hochzeiten und andere geschlossene Veranstaltungen ist.
Vom Westen aus nach Genua zu fahren, bietet ein Spektakel anderer Art: Über die erhöhte Schnellstraße fährt man mitten in eine industriell-urbane Landschaft. Links und geradeaus steigen die Wohnhäuser entlang des Hügels auf, blickt man nach unten, sieht man den Hafen mit seinen Containerschiffen. War der Ausblick zuvor azurblau, ist er jetzt beige bis sandfarben. Die Stadt selbst bietet alles, was man von einer italienischen Großstadt erwartet: Chaotischen Verkehr, breite Boulevards, eine antike Stadtmauer und prunkvolle Architektur.
Die meisten Wege lassen sich zu Fuß erkunden. Wer mit dem Zug anreist, steigt im Hotel Astoria gleich beim Bahnhof Brignole ab und spaziert über den Piazza Corvetto (mit Stopp in der Pasticceria Mangini!) in Richtung Zentrum. Shopping-Liebhaber schlendern die Via XX Settembre entlang, auf der auch das Bristol Palace liegt. Alfred Hitchcock war hier Stammgast, die beeindruckende Jugendstiltreppe war angeblich die Inspiration für „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“. Im zugehörigen Restaurant „Giotto“ wird typisch regionale Küche serviert, es gibt Oktopus-Salat nach ligurischer Art mit Kartoffeln und frittierte Meeresfrüchte. Als die Taglierini serviert werden, zeigt uns der Kellner sogar, wie man die Nudeln korrekt auf die Gabel aufrollt. Danke dafür, man isst als Österreicher ja selten Pasta! Dazu gibt es süffigen Vermentino vom Weingut Arrigoni.
Reich und schön in Portofino
Der Weg von Genua nach Portofino führt über Santa Margherita Ligure, wo prächtige Palazzi direkt an der steilen Küste stehen. Portofino selbst kann als das kleine Monte Carlo von Ligurien bezeichnet werden: Hier liegt eine teure Yacht neben der anderen. Stars wie George Clooney oder Dolce & Gabbana werden oft gesichtet. Im Frühling heiratete unter großer medialer Aufmerksamkeit ein Mitglied des Kardashian-Clans auf dem Anwesen der italienischen Kultdesigner. Über dem Hafen thront das majestätische „Belmond Hotel Splendido“, eine Übernachtung liegt preislich allerdings im vierstelligen Bereich.
Trotzdem darf man Portofino nicht unrecht tun: Versnobbt wie an der französischen Riviera ist es hier nicht. Die kleinen Kiesstrände können meist ohne Eintritt benutzt werden und sind äußerst leger. Und man nimmt an der Bar seinen Espresso um einen Euro, so wie im Rest des Landes.
Das Hallstatt Italiens
Fünf Fischerdörfer haben es der Welt angetan: Monterosso, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore. Eine Instagram-Suche spuckt 2,3 Millionen Suchergebnisse zum Thema „Cinque Terre" aus: Influencer vor der bunten Häuserlandschaft en masse! Touristisch gesehen ist es hier wohl am „unitalienischsten“. Englische und amerikanische Reisende tummeln sich vor den fotogenen Kulissen, die meisten sind mit Selfiesticks bewaffnet.
Die Übernachtung in einem der Dörfer ist schier unmöglich, da alles für Monate ausgebucht zu sein scheint. Ähnliches gilt für einige Restaurants, zum Beispiel das „Nessun Dorma“: Wer einen Tisch mit Ausblick ergattern will, muss sich per App für die Warteschlange (!) registrieren und wird dann per Pushnachricht verständigt, wenn besagte Schlange kürzer wird. Eine Taktik, die sich Hallstatt durchaus abschauen könnte. Wer keine Lust auf diese Art von Massentourismus hat, lässt sich am besten im nahegelegenen La Spezia nieder. Einfach wie die Einheimischen zum großen Muschelstand am Hafen gehen und die Meeresfrüchte direkt aus dem Karton genießen! Frischer geht’s nicht. Trotzdem muss man auf den eindrucksvollen Anblick der Cinque Terre nicht verzichten. Von La Spezia gibt es viele Anreisemöglichkeiten. Wer für Tagesausflüge mit dem Auto kommt, stellt es auf einem offiziellen Parkplatz oberhalb der Dörfer ab und wagt den Abstieg zu Fuß über Stock, Stein und enge Gassen. Oder man nimmt einen der stündlich fahrenden 12-Sitzer-Shuttles. Ein Ticket ist am Kiosk für 1,50 Euro zu haben, im Bus selbst für 2,50. Außerdem sind alle Dörfer sowohl via Fähre als auch über Spazierwege miteinander verbunden.
So viel Reisestress lässt man am besten mit ein paar Tagen klassischen Strandurlaubs in Lerici ausklingen. Anders als an der Adria ist das Wasser hier türkis, von Algen und Schlamm keine Spur. In Lerici gibt es einige Hotels mit Blick aufs Meer und eigenem Sandstrand – und das ist viel wert: Neuerdings straft die italienische Polizei nämlich Leute ab, die Liegen an öffentlichen Stränden reservieren, ohne anwesend zu sein. Wer also seine Badehose mit Vorhängeschloss am Schirm befestigt (soll nicht selten vorkommen), riskiert eine Geldbuße von bis zu 1.000 Euro.
Und so bleibt das nötige Kleingeld für einen lauen Abend am Hafen von Lerici, wo man einen überraschend günstigen Aperol Spritz als Aperitivo trinkt und den Abend bei Pizza, Fisch oder Focaccia ausklingen lässt.
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