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Hausboot-Tour auf dem Shannon: Mit zwölf Stundenkilometern durch Irland

Die Insel auf die gemütlichste Art entdecken – mit dem Hausboot über den Shannon hinein ins grüne Herz des Landes.

Der Komiker Hal Roch sagte: „Du weißt, es ist Sommer in Irland, wenn der Regen wärmer wird.“ So begrüßt der Nieselregen, bevor die Sonne hinter den Wolken hervorblinzelt. Vier Jahreszeiten in vierundzwanzig Stunden, das gibt’s nur in Irland, sagt man den Freizeitkapitänen, die mit dem Hausboot am Shannon und Shannon-Erne-Waterway herumschippern und vor allem eines haben: Zeit. Und Lust auf eine Lektion Ruhe.

Der Shannon, dreihundertsechzig Kilometer lang, zweihundert davon befahrbar, ist der größte und längste Fluss auf der grünen Insel. Die ihn umgebende naturbelassene Landschaft ist mit ihren engen Kanälen und weiten Seen abwechslungsreich: ein Paradies für Fans des langsamen Reisens mit Blick auf Weiden, Dörfer und eine spinatgrüne Unendlichkeit.

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Beim Passieren von Schleusen („Locks“) helfen Wärter.

©Werner Rosenberger

Hausboot fahren kann jeder. Das Boot zu mieten, ist einfach, Zentrum und Basis von Le Boat das putzige Nest Carrick-on-Shannon in der Grafschaft Leitrim, zwei Autostunden von Dublin entfernt. Wo man in Dromod gut und schön isst: bei „The Oarsman“, einem Pub mit Patina in der Bridge Street, oder in „Cox’s Steakhouse“ in der Harbour Road.

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"The Oarsman" in Dromod.

©Werner Rosenberger

Urlauber brauchen auf dem Wasser keinen Führerschein, bekommen eine Einführung in die wichtigsten Regeln, eine Erklärung der Wasserpumpe und Stromversorgung am Boot und eine Einschulung in Ab-, Ablege- und Wendemanöver, ehe der entspannte Trip von einer kleinen Schleuse zur nächsten mit maximal zwölf Stundenkilometern auf dem mäandernden Wasser beginnt. Ohne Hektik. Ohne Stress.

Komfort unter Deck

Leinen los, heißt es in Carrick-on-Shannon. Ob nach Norden zum weitläufigen See Lough Key mit seinen kleinen, unbewohnten und runden Inseln und dem Forrest and Activity Park oder noch weiter in die Region rund um den Lough Erne mit Devenish Island, Enniskillen oder Crom Castle: Hier ist Irland wie im Bilderbuch mit Vogelschwärmen über dem glitzernden Wasser. Am Ufer packen Angler ihre Ruten aus. Denn Angeln ist Volkssport in Irland und der Shannon reich an Forellen, Lachsen und Hechten.

Charter-Boote gibt es in verschiedenen Größen und Modellen. Die „Waterford“ ist ideal für bis zu sechs Personen – mit Schlafkabinen, Dusche, WC, Küche, gemütlicher Sitzecke und zwei Steuerständen: unten im Boot und oben am Sonnendeck, wo über einem die Wolken zu Kunst werden. Wasser kann man in den Marinas nachfüllen. Fahrräder für die große Freiheit unterwegs können dazu gebucht werden. Wichtigstes Hilfsmittel an Bord ist die Gewässerkarte mit Infos zu Navigation, Fahrtstrecken, die meist kostenlosen Liegehäfen, Schleusen und Brücken.

Der Weg ist das Ziel bei dieser Art Abenteuerreise zu zweit, mit Familie oder Freunden, und alle packen mit an: Beim Einkaufen von Proviant und Zubereiten von Essen an Bord, beim An- und Ablegen, beim Passieren von Schleusen („Locks“), wenn das Boot unter Anleitung der Wärter mit einem Seil zu sichern ist. Die kleinen Häfen bieten immer einen Platz für die Kabinenkreuzer.

Durch die kleinen Seitenkanäle zu fahren ist, als wäre man live in einer „Universum“-Sendung. Man sieht mehr Schafe und Kühe als Menschen. Verblüffend die absolute Ruhe bis auf das Summen der Motoren. Am Weg sind fast überall kleine Dörfer zum Anhalten, wann und wo man will, und der örtliche Pub mit dem allgegenwärtigen Guinness-Bier erweist sich immer als gute Adresse. In Irland besucht man nichts, wo man nicht trinken kann.

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Dromod: Im Cavan and Leitrim Railway Museum findet man alles, was rostet und Räder hat.

©Werner Rosenberger

Eine Kuriosität in Dromod: das skurrile Cavan and Leitrim Railway Museum mit Schmalspurbahn mitten hinein in ein Sammelsurium aus allem, was Räder hat: historische Doppeldecker-Busse, Dampfloks und sogar Artillerie-Geschütze aus dem Ersten Weltkrieg; außerdem manches ohne Räder wie ein gelbes U-Boot oder das Cockpit einer Boeing 747.

Landhaus mit Original-Mobiliar

Auf der Route weiter nach Süden über Roosky ist ein Stopp in Tarmonbarry in der Grafschaft Roscommon ein Muss, um das Herz und die Seele Irlands zu verstehen: Im Strokestown Park kann man das prächtige Landhaus à la Downton Abbey der adeligen Familie Pakenham-Mahon mit Original-Mobiliar quasi in einer dreihundertjährigen Zeitreise besichtigen und erfahren, wie das Leben des Adels und der Dienerschaft in vergangenen Jahrhunderten aussah. Ebenso faszinierend: die Gärten, etwa ein hübscher viktorianischer Rosengarten und Irlands ältestes restauriertes Gewächshaus.

Im scharfen Kontrast beleuchtet gleich nebenan das moderne National Famine Museum eine der dunkelsten Perioden der irischen Geschichte: die Zeit der Großen Hungersnot von 1845 und 1852, als fast eine Million Menschen an Hunger, Krankheit und Elend starben, ehe es zu Massenemigration kam. Mithilfe von Zeitdokumenten, Fotografien, persönlichen Gegenständen, audiovisuellen Medien und Touchscreens wird ein lebendiges und oft erschütterndes Bild des Lebens während der Hungersnot gezeichnet.

Info

Anreise
Flug nach Dublin, per Mietwagen nach Carrick-on-Shannon (ca. 2 h) oder Transfer über Le Boat buchbar.

Bootsverleih
Wochenweise samstags, auf Anfrage kürzere Aufenthalte. Versch. Verleiher, Le Boat hat die größte Flotte. Basis-Preis: Zwei-Kabinen-Boot für 2-4 Pers. ab ca.  850 Euro pro Woche. Beste Reisezeit Frühling/Herbst von März bis Ende Okt. leboat.at

Pubs
–  theoarsman.com
– keenans.ie
– seansbar.ie

Auskunft
carrickcraft.com
ireland.com 
tourismireland.com

Historische Stätten

Über Lanesborough und von dort über den Lough Ree, den den schilfumsäumten See im Lauf des Shannon, lohnt ein Halt und Bummel durch Athlone, der größten Stadt am Shannon, mit kleinen bunten Häuschen und dem Castle der Normannen aus dem 12. Jahrhundert. Gemütlichkeit, abends Livemusik und seinen eigenen Whiskey bietet das urige „Sean’s“, das angeblich älteste Pub Irlands, in dem noch ein Teil der ursprünglichen „Weiden- und Lehm“-Wände aus dem 9. Jahrhundert direkt neben dem Kamin zu sehen ist. 

Klosterruine

Noch weiter im Süden ein Must-See mit idyllischer Atmosphäre: die steinerne, bereits im 6. Jahrhundert erbaute Klosterruine von Clonmacnoise mit Hochkreuzen, Rundturm und dem uralten Friedhof direkt am Wasser. Im Mittelalter pilgerten Mönche aus ganz Europa in die Klosterstadt.

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Aus dem 6. Jh.:  Die Klosterstadt von Clonmacnoise.

©Werner Rosenberger

Der irische Dramatiker George Bernard Shaw beschrieb seine irische Annäherung an das Leben im Satz: „Andere Leute sehen Dinge und sagen, ,Warum?‘ Aber ich träume Dinge, die nie waren – und ich sage ‚Warum nicht?‘“ Das Irland von einst, das es so sicher nicht mehr gibt, beschreibt Heinrich Böll in „Irisches Tagebuch“. Es ist heute noch lesenswert, weil sein hochsensibler Blick und sein plastisches, schillerndes, widersprüchliches Bild einen die Kunst der Wahrnehmung lehrt. „Lass dich ein auf das Fremde! Und sieh genau hin!“, ist Bölls – gerade heute noch – wichtige Empfehlung.

Und auch für diese Geschichte gilt, wie Böll schreibt: „Es gibt dieses Irland: Wer aber hinfährt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor.“

Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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