Selbstversuch: Warum ich mich nie wieder ketogen ernähren würde

Ich habe zwei Wochen lang auf Kohlenhydrate verzichtet. Was das mit meinem Körper machte.

Von heute auf morgen fasse ich den Entschluss: Ich will unbedingt ein paar Kilo abnehmen - und zwar so schnell wie möglich. Auf Sport möchte ich dabei so gut wie möglich verzichten. Zweimal die Woche ist okay, aber mehr nicht.

Schnell fällt die Wahl auf die sogenannte ketogene Ernährung. Eine Freundin von mir und ihre Mutter schwärmen schon seit Monaten davon. In nur wenigen Wochen könne man so gleich mehrere Kilos abnehmen, heißt es. Der einzige Nachteil dabei: Man muss auf Kohlenhydrate verzichten.

Hunderte „Keto-Anhänger“ im Netz

Ich denke mir: Warum eigentlich nicht? So schwer kann das nicht sein. Prompt mache ich mich auf die Suche nach Anweisungen, Tipps und Rezepten. Und da werde ich mehr als fündig: Allein auf Facebook gibt es gefühlte hunderte Gruppen zu dem Thema. Ab diesem Zeitpunkt dämmert es mir, dass diese Diät ganz schön kompliziert ist. Denn grundsätzlich hat fast jedes Lebensmittel Kohlenhydrate.

 

Was ketogene Ernährung bedeutet

Bei der ketogenen Ernährung darf man lediglich 50 Gramm Kohlenhydrate zu sich nehmen. Fett und Eiweiß werden dabei in hohen Dosen konsumiert (Fisch, Fleisch, Milchprodukte, Fette wie Olivenöl, Nüsse), Kohlenhydrate dagegen werden dauerhaft und gänzlich entzogen (kein Brot, kein Reis, keine Nudeln und auch kein Zucker).

Was mit dem Körper passiert

Der Körper muss sich somit eine andere Energiequelle als Kohlenhydrate zum Glykose-Abbau suchen und es kommt zur sogenannten Ketose (daher der Name). Das heißt: Der Stoffwechsel stellt ebenso wie beim Fasten nach einiger Zeit auf einen Hungerstoffwechsel (Katabolismus) um – der Körper beliefert sich selbst mit Energie aus dem Fett der Leber, die zu Ketonkörpern umgebaut werden und dann als Glykose-Ersatz dienen.

Leichter gesagt als getan

Ein zeitaufwendiges Experiment, für das ich mir extra eine Woche Urlaub nehme. Denn was, wann und wie gegessen wird, muss genaustens geplant werden. Aufpassen muss man schon bei Obst und Gemüse. Karotten und Bananen haben etwa enorm viel Zucker. Dasselbe gilt für Kirschtomaten: Höchstens eine Handvoll ist erlaubt.

Damit ich mir das alles merken kann, drucke mir eine Liste mit allen Lebensmitteln, die ich essen darf - mit ganz genauer Mengenangabe - aus. Denn für mich ist klar: Wenn ich diese Diät mache, dann will ich sie auch gescheit machen. Das Einzige, was mir ein bisschen Sorge bereitet, sind die Nebenwirkungen. Viele Menschen haben bei der Ernährungsumstellung mit Kopfschmerzen und Schwächegefühl zu kämpfen. Naja, wird wohl halb so schlimm sein, hoffe ich. Manchmal muss man für die Schönheit ein bisschen leiden.

Doch es wird schlimmer als erwartet...

Tag eins beginne ich gutgelaunt und voll motiviert mit zwei Spiegeleiern und Speck. Statt Butter verwende ich Kokosöl, denn dadurch soll man besser in die Ketose kommen. Das schmeckt gut und satt bin ich auch. Eigentlich nicht so schwierig, denke ich mir. Zu Mittag gönne ich mir ein paar Walnüsse, Salami und ein bisschen Avocado. Drei Stunden später beginne ich wieder hungrig zu werden. Jetzt schon? Das ist ja lächerlich!

Ich bleib’ stark, halte bis zum Abend durch und mache mir Garnelen mit Avocado und Mozzarella, als Nachtisch gibt es ein Kokos-Soja-Joghurt. Letzteres schmeckt mir leider gar nicht. Eine Stunde später (Überraschung, Überraschung) bin ich schon wieder hungrig. Aller Anfang ist schwer.

Am nächsten Tag bin ich mit meiner Mutter zum Mittagessen am Naschmarkt verabredet. Hier ein Gericht zu finden, das keine Kohlenhydrate hat, ist nicht einfach. Aber ich werde fündig: Es gibt Köfte ohne kohlenhydrathaltige Beilagen, sehr ketogen. Dazu bestelle ich mir einen Espresso mit Schlagobers. Ja, das ist auch erlaubt, denn Fett ist ok. Nur auf Milch sollte man verzichten. Der Kellner schaut mich bei meiner Bestellung zwar etwas komisch an, aber egal.

Das ist doch nicht normal

Bereits um 17 Uhr bekomme ich wieder Hunger. Ich mache mir Lachs mit Melanzani. Aber verdammt, satt bin ich schon wieder nicht! Ich beginne, mich etwas schwach zu fühlen. Vielleicht ist es aber auch nur Einbildung. 

Tag 3 beginnt wieder mit Spiegeleiern und Bacon. Mir fällt nichts Besseres ein. Und Frühstück ist für mich die wichtigste Mahlzeit des Tages. Am liebsten esse ich eigentlich Brot, aber das ist leider nicht erlaubt. Die Laune ist im Keller.

So langsam beginne ich, mir Sorgen um meine Verdauung zu machen. Mein Bauch wirkt angeschwollen. Ich bekomme Angst, dass er platzt. Ich überlege Abführmittel zu nehmen, doch im Internet wird mir davon abgeraten. Das hat zu viele Kohlenhydrate. Ein Teufelskreis. Kopfschmerzen habe ich auch.

Was mir auch auffällt: Ich habe ständig Durst. Ich trinke Wasser, zur Abwechslung auch Mineralwasser mit Zitrone. Doch das Durstgefühl verschwindet nicht, genauso wenig wie das Hungergefühl. Zu Mittag denke ich wieder nur ans Essen.

Diesmal steht Parmaschinken mit Melanzani auf dem Speiseplan. Nach einer Stunde bin ich SCHON WIEDER hungrig. Ich verabrede mich zur Ablenkung am Abend mit einer Freundin, wir beschließen, Steak essen zu gehen. Als Beilage gönne ich mir Karfiol mit Olivenöl und Parmesan. Diesmal fühle ich mich etwas satter. Es ist alles nur Gewöhnungssache, rede ich mir ein.

An Tag 5 habe ich bessere Laune. Ein Blick auf die Waage verrät mir, dass ich zwei Kilo abgenommen habe. Juhu! Offenbar bin ich bereits in der Ketose.

Bauchschmerzen und schlechte Laune

Auf Ei und Speck habe ich keinen Bock mehr. Ich genehmige mir stattdessen einen griechischen Joghurt mit Chiasamen, den ich die Nacht vorher im Kühlschrank gelagert habe. Ekliges Zeug. Weil es so dickflüssig ist, kriege ich es fast nicht runter. Ich zwinge mich dazu, es trotzdem zu essen.

Keine gute Idee. Ich kriege furchtbare Bauchschmerzen. Mein Freund empfiehlt mir die Diät abzubrechen oder ein paar Kohlenhydrate wenigstens zu mir zu nehmen. Doch ich schüttele den Kopf. Nein, das sei normal, fauche ich ihn an.

Ich spreche mit anderen Leuten, die sich sogar mehrere Monate ketogen ernährt haben, über die Diät. Sie hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Doch ihnen ging es noch schlechter als mir: „Ahja, das hatte ich auch. Bei mir sind die Haare ausgefallen. Ein Freund von mir verlor sogar seinen Zahn“, erzählt einer von ihnen. Und trotzdem finden sie die Diät super! Was zum Teufel? Ich beginne an meinem Experiment zu zweifeln.

An Tag 6 gibt es heißen Brie mit Rosmarin zum Frühstück. Mein Magen fühlt sich komisch an. Ein paar Stunden später mache ich mir Lachs mit Spinat. Es schmeckt mir, aber das Hungergefühl ist noch da. Zudem leide ich unter Schweißausbrüchen.

Ich fühle mich miserabel

Nach einer Woche ketogener Ernährung fühle ich mich zunehmend schwächer. Alles beginnt fad zu schmecken. Eigentlich hätte ich einfach nur Lust auf ein kleines Stück Brot. Doch ich halte durch.

An Tag 8 habe ich keinen Hunger mehr, aber dafür ist mir schlecht. Im Netz steht, dass das ein gutes Zeichen sei. So würde man schneller abnehmen. Doch ich fühle mich miserabel.

Ich breche das Experiment ab

Krampfhaft such ich nach weiteren ketogenen Rezepten. Ich habe keine Lust auf Steak, Speck, Lachs und Ei. Ich will irgendetwas anderes. Doch alles, was einem vorgeschlagen und als „köstlich“ verkauft wird, schaut einfach nur widerlich aus. Darunter Pizza mit Hackfleisch- statt Teigboden. Eigentlich kein Wunder, dass ich keinen Hunger mehr habe.

An Tag 10 beginne ich mir ernsthaft Sorgen um meine Gesundheit zu machen. Denn durch die Diät ist mein Hormonhaushalt durcheinandergeraten. Ich beschließe das Experiment abzubrechen.

Was ich aus der Diät gelernt habe

Am Ende habe ich gerade einmal anderthalb Wochen durchgehalten. Mein Ziel, ein paar Kilo abzunehmen, habe ich locker erreicht. Insgesamt wiege ich sogar vier Kilos weniger. Dass das so schnell ging, überrascht mich sehr. Was ich auch als positiv empfinde: Ich weiß inzwischen, wie viel Zucker, Kohlenhydrate etc. in welchen Lebensmitteln enthalten sind und schaue seitdem auch bewusst öfter auf die Zutatenliste. Am meisten verblüfft hat mich zum Beispiel, dass normalem Naturjoghurt Zucker zugesetzt ist.

Mich noch mal ketogen ernähren, würde ich aber definitiv nicht mehr. Bei manchen Menschen dürfte die Diät besser funktionieren, weil sie einen besseren Stoffwechsel haben. Für mich fühlte es sich eher wie eine Mangelernährung an. Dieses ständige Hungergefühl und die körperlichen Beschwerden haben mich fertig gemacht. Mein Tipp: Im Zweifelsfall immer auf den Körper hören!

Liisa Mikkola

Über Liisa Mikkola

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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