Philipp Hochmair: "Ich kann nicht anders"

Er zählt zu den erfolgreichsten Schauspielern des Landes, der seine Rollen vielmehr lebt als nur spielt. Im Interview zeigt sich Philipp Hochmair von seiner privaten Seite und verrät, wie er sich selbst wahrnimmt, warum kaltes Wasser für ihn so wichtig ist und er mehr Ruhe als Party braucht.

"Ist das möglich?", fragt Philipp Hochmair im Studio kurz vor dem Interview, und plötzlich wird es still. Ein Interviewpartner mit Zigarre während des Gesprächs ist doch eine Seltenheit. Doch wird es möglich gemacht, und Philipp Hochmair zeigt sich beim Gespräch von der ganz privaten Seite.

Ist das Rauchen einer Zigarre für Sie ein Entspannungsritual?
Philipp Hochmair: Ja das kann man so sagen. Hier ist es zum Beispiel gerade sehr laut. Es hat geregnet, die Leute wuseln herum. Es sind also viele Impressionen auf einmal. Und ich kann mir mit dem Rauch einen Raum schaffen, eine Konzentration.
In den vergangenen Jahren waren Sie sehr umtriebig und auch erfolgsgekrönt, zuletzt mit der Romy als "Bester Schauspieler Film". Ein Leben zwischen Bühne, Set und Blitzlichtern. Ganz persönlich gefragt: Wie geht es Ihnen?
Mir geht's gut. Natürlich freu ich mich über die Romy!  Die Dreharbeiten zur Wannseekonferenz waren wirklich sehr fordernd. Das war eine sehr komplexe, sehr anspruchsvolle Arbeit. Und dafür ausgezeichnet zu werden, hat mich besonders gefreut.
Wie weit geht es noch nach oben?
Der Film "Die Wannseekonferenz" wird weltweit gesehen und findet viel Anerkennung. Im Herbst beispielsweise wird er in Tel Aviv gezeigt. In New York wurde er im Frühling mit einem großen Fernsehpreis ausgezeichnet. Dass so ein wichtiger Film so viel Achtung bekommt, ist natürlich mehr als wünschenswert.
Warum ist das so?
Der Film wurde kurz vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine anlässlich des 80-jährigen Jahrestages der Wannseekonferenz ausgestrahlt. Das war Zufall.
Gibt es eine konkrete Auszeichnung, die Sie gerne in Händen halten würden? Ein Ziel, auf das Sie hinarbeiten?
Ich denke eigentlich nie an Preise.  Es gibt Themen, die mich faszinieren, die mich wachrütteln, die ich verarbeiten möchte. Aber ob es dann dafür eine Auszeichnung geben könnte, ist für mich nicht entscheidend.
Welche sind das, abseits historischer Thematiken?
Ich konnte im Theater bis jetzt immer Abschnitte meiner eigenen Entwicklung in der Literatur wiederfinden und zu Aufführungen und Performances gestalten. Sie einem Publikum präsentieren, das vielleicht in ähnlichen Prozessen steckte wie ich.
Ab wann war das so?
Begonnen hat es als 20-Jähriger mit "Die Leiden des jungen Werther", erste große Gefühle, Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dann ging’s mit Kafkas "Prozess" weiter, wo ich das Zurechtfinden mit der Bürokratie und der Frage nach der persönlichen Daseinsberechtigung ganz deutlich erlebt habe.   Dann "Amerika" von Kafka, wo das innere Kind eine Stimme bekommt. Der Erwachsene, der sich mit seinen Kränkungen auseinandersetzt. Es folgte „Jedermann“, der an seinem 40. Geburtstag plötzlich sterben muss. Ich zitiere "Auf 40 Jahre bin ich kaum alt, mich wir eins halt, nid mit Gewalt von meinen irdischen Freuden schrecken".
Ich war 42, als ich begann, mich mit "Jedermann" zu beschäftigen. Und zuletzt kamen Schillers große Balladen, die wie Kurzfilme, die großen tragische Momente des Lebens verarbeiten. Die Glocke als großes Sittengemälde. Als Reflexion auf unsere Zivilisation. Wie leben wir? Was machen wir? Was treibt uns um? Was heißt Menschsein? Ich war immer auf der Suche nach Themen, die mich persönlich betreffen und somit vielleicht auch andere betreffen könnten. Die Stoffe kommen auf mich zu. Erstaunlicherweise werden in historischen Texten unsere Probleme sehr gut sichtbar. Trotz der technischen Invasion sind die Bedürfnisse und Probleme  der Menschen dieselben geblieben.
Bei so viel persönlichem Input: Fällt es schwer, Rollen auch wieder abzustreifen?
Das hängt ganz von der Rolle ab und von der Situation, in der ich gerade bin. Aber manchmal will ich die Rollen auch gar nicht abstreifen. Ich finde diesen Erschöpfungsmoment nach einer Aufführung oder nach einem Drehtag auch sehr wichtig. Da hallt und klingt alles nach. Es gibt in meiner Arbeit immer diese drei Phasen: Die Vorspannung, dann das Spiel und schließlich die Nachspannung. Und dieser Nachklang ist besonders wichtig.

Manchmal will ich die Rollen gar nicht abstreifen. Ich finde diesen Erschöpfungsmoment (...) sehr wichtig. Da hallt und klingt alles nach.

Philipp Hochmair
Und wie kann man sich einen Philipp Hochmair in der "Vorspannung" vorstellen?
Wie eine Feder, die sich zusammenzieht, um  dann aufzuspringen. Das ist ein Suchen nach Konzentration.
Generell gelten Sie ja als sehr energievoller, körperbetonter Schauspieler. Doch wird man mit den Jahren dann doch etwas ruhiger?
Ich kann gar nicht anders. Ich will Transformation, ich will eine Reise machen, ein physisches Erlebnis. Ich arbeite weniger mit dem Kopf, mehr mit meinem Körper und den intuitiven Impulsen. Das wird nicht weniger.
Der private Philipp Hochmair abseits der Bühne, abseits des Sets. Wie tickt er? Was freut ihn?
Kaltes Wasser.
Zum Schwimmen?
Ja, zum Schwimmen. Es hat mich überrascht, dass in München – ich komme gerade vom Filmfest – der Eisbach im Englischen Garten auffällig warm war. Da wird die globale Erwärmung plötzlich ganz spürbar.
Ist es das, was Sie sorgt?
Die Welt verändert sich gerade sehr. Politisch, umwelttechnisch, menschlich, in der Wahrnehmung, der Mobilität. Diese unglaubliche Informationsflut. Ich finde, das Leben wird immer komplizierter. Krieg, Pandemie, Krise, alles gleichzeitig für alle. Alles betrifft jetzt immer alle. Ein Prozess der totalen Umwandlung. Sowohl gesellschaftlich als auch politisch.
Wie in einem schlechten Film.
Stimmt.

Voller Temperament: Philipp Hochmair beim Fotoshooting im "Palais Freiluft" in Wien.

©Gilbert Novy
Wie steht es um Freunde und Wegbegleiter: Spielen sie eine große Rolle in Ihrem privaten Leben?
Schon, aber das mischt sich jetzt auch wieder ganz neu. Die Schauspielschule hat Bande geflochten, die lange angehalten haben.
Wer hat Sie da am meisten geprägt?
Der Theaterregisseur Nicolas Stemann als mein Kommilitone und Freund und Klaus Maria Brandauer als Lehrer. Stemann und ich haben in 20 Jahren, glaub’ ich, 24 Stücke zusammen gemacht. Das war auch wie eine Art Feder, die sich zusammengezogen hat oder besser gesagt in der Ausbildung zusammengepresst wurde und danach richtig schön in die Welt geschossen ist.
Und dann?
Nach einer sehr erfüllten Theaterzeit kam der Film und das Fernsehen. Eine ganz neue Entwicklungsphase. Zum Beispiel "Vorstadtweiber" oder "Blind ermittelt" haben mich sehr beschäftigt. Das war eine neue Form der Auseinandersetzung. Aber wahrscheinlich eine ganz natürliche Fortsetzung.
Mit wem würden Sie denn gerne einmal arbeiten?
Es geht mir nicht so sehr um konkrete Regisseure, sondern die inhaltliche und ästhetische Form. Eine neue Generation schaut und macht Film und Theater ganz anders. Ich habe beispielsweise auf der diesjährigen Diagonale tolle Filme von jungen österreichischen Filmemacherinnen gesehen, die mich sehr beeindruckt haben.
Was machen sie anders?
Beispielsweise der Einsatz von Handy-Cameras als Stilelement. Oder das Verwenden der eigenen vier Wände als Filmset, viel Improvisation, ohne Drehbuch. Das schafft eine ganz neue Realität, einen viel direkteren persönlichen Zugang.
Gibt es ein Experiment, das Sie gerne selbst umsetzen möchten?
Ich komme ja aus dem experimentellen Theater. Der Werther-Monolog ist ein gutes Beispiel. Und  diese offenen Prozesse jetzt auch auf den Film zu übertragen, finde ich äußerst spannend.

Zur Person

Philipp Hochmair, 1973 in Wien geboren, studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar in Wien unter anderem  bei Klaus Maria Brandauer. Engagements führten ihn  etwa nach Hamburg, Hannover, Berlin und Zürich sowie ans Wiener Burgtheater. 2022 wurde er zum zweiten Mal mit der KURIER Romy ausgezeichnet.

Sie leben in Wien, aber auch in Berlin. Welche Stadt ist Ihnen lieber?
Ich finde die Kombination toll. Wien allein ist mir vielleicht zu eng. Berlin hat ja doch eine ganz andere Dimension. Und die zurückgeblieben Narben aus der Teilung in Ost- und West sind sehr reizvoll.
Doch hat auch Wien Narben, historisch gesehen.
Ja, weil das Kaiserreich hier zusammengefallen ist und eine viel zu große Stadt für ein sehr kleines Land hinterlassen hat. Insofern ist die Kombination aus Wien und Berlin für mich schon sehr kreativ.
Ziehen Sie dort und da dann auch um die Häuser?
Ich ziehe mit meinen Stücken um die Häuser, um die Welt, aber danach brauche ich eher Ruhe als Party.
In welchem Stück oder welche Rolle würden Sie gerne einmal spielen?
Ich bedauere sehr, dass Joachim Schnitzler aus den Vorstadtweibern in der letzten Staffel gestorben ist. In diese Richtung noch einmal etwas zu entwickeln, würde mich auf jeden Fall reizen. Das war doch epochal. Die Vorstadtweiber sind für Österreich auch ein tolles Exportprodukt. Es gibt ja so Serien wie "Borgen": Zehn Jahre nach der dritten Staffel kommt die vierte. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es bei "Vorstadtweiber" auch passiert, dass diese tollen Schauspieler um zehn Jahre älter sind und dann noch mal gemeinsam auftreten. Das wär’ toll. Spannend wäre der gesellschaftliche und politische Wandel, der in den kommenden 10 Jahren passieren wird.
Wie wäre es denn mit der Rolle des Jedermann bei den Salzburger Festspielen?
Ja, klar, ich habe es schon gemacht und bin eingesprungen. Aber das noch einmal mit Ruhe, mit der ganzen Fülle zu machen, würde mich reizen.
Gibt es eigentlich Urlaub für Sie in diesem Sommer?
Ich fahre auf kurze Sommerfrische nach Bad Gastein zur "sommerfrische.kunst" und zur Erholung nach Grafenegg in den Wolkenturm. Darauf freu' ich mich schon sehr!

Hochmair in Grafenegg 

Am 28. und 29. Juli gibt Philipp Hochmair um 19.30 Uhr im Wolkenturm seine Interpretationen "Schiller Balladen Rave" und "Jedermann Reloaded" mit seiner Band "Die Elektrohand Gottes" zum Besten. Karten gibt es bei Ö-Ticket und direkt in Grafenegg. oeticket.com

Noch mehr Hochmair demnächst auch bei einem Interview im Kulturteil des KURIER.

Ganz entspannt beim Interview: Philipp Hochmair mit Zigarre, Marlene Auer mit Fächer

Ganz entspannt beim Interview: Philipp Hochmair mit Zigarre, Marlene Auer mit Fächer

©Kurier/Gilbert Novy
Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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