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Das ist Glastonbury: Musik, Royals, Luxus-Camping und 62 Bühnen

62 Bühnen, 210.000 Fans, VIPs im Helikopter, Luxus-Zelte und ein Festivalgelände so groß wie 500 Fußballfelder – das Kultfestival in England ist Musik-Mythos und Society-Hotspot zugleich.

Artikel von Astrid Hofer

Mehr als 100.000 Fans singen lauthals „Fix You“, während Chris Martin das Meer aus Flaggen und blinkenden Armbändern dirigiert. Neben ihm auf einer kleinen Erhöhung inmitten des Publikums: „Zurück in die Zukunft“-Star Michael J. Fox, 1991 an Parkinson erkrankt, der im Rollstuhl in die Saiten seiner E-Gitarre haut. Vor der Bühne wischen sich Fans Tränen aus den Augen. Freunde umarmen sich. Ein Gänsehaut-Moment wie aus dem Bilderbuch.

Glastonbury Festival 2024 - Day Four

Emotionaler Auftritt: Sänger Chris Martin von der Band Coldplay begeistert vor 100.000 Fans. Im Publikum feiern ihn auch Stars wie Tom Cruise oder Michael J. Fox 

©Getty Images/Joe Maher/Getty Images

„Das ist der beste Tag meines Lebens“, sagt ein Coldplay-Anhänger – und schwingt seine XXL-Flagge im Takt. Selbst Chris Martin, der Fox als seinen „Helden“ bezeichnet, ist sichtlich gerührt. Wie auch Tom Cruise, sein „Mission: Impossible“-Kumpel Simon Pegg und Gillian Anderson („Akte X“) – die den Moment von der VIP-Tribüne aus mit ihren Handys mitfilmen.

Mekka für Musikfans

Leicht surreale Momente, wie dieser aus dem Jahr 2024, stehen beim Glastonbury Festival im Südwesten Englands an der Tagesordnung. Die britische Version von Woodstock ist DAS Mekka schlechthin für Musikfans. Von Elton John (gab hier 2023 sein Abschiedskonzert) über David Bowie, U2, Oasis, die Rolling Stones und Beyoncé haben auf der Worthy Farm nahe dem Dorf Pilton schon alle gespielt. 

Dieses Jahr stehen etwa Neil Young, Alanis Morissette, The 1975, Olivia Rodrigo und Bono-Sohn Eli Hewson mit seiner Band Inhaler auf der Liste. 2,5 Millionen wollten Tickets, Platz ist gerade einmal für 210.000.

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Adieu: Elton John gab vor zwei Jahren in Glastonbury für seine Fans ein emotionales Abschiedskonzert.

©APA/AFP/OLI SCARFF

Doch was – außer großer Namen auf und vor der Bühne – macht Glastonbury eigentlich so besonders, dass alle hinwollen? Glastonbury, offiziell Musik- und Kunstfestival, ist für viele Synonym für Glamour und Gatsch – der Mythos hält sich wacker, selbst wenn die bislang letzte Schlammparty vor knapp zehn Jahren stattfand. Nicht unbeteiligt daran ist wohl Supermodel Kate Moss.

The 2011 Glastonbury Festival

Aber Hallo: Beyoncé stimmte vor 170.000 Menschen ihre Hits an

©Getty Images/Matt Cardy/Getty Images

Supermodels und Royals

Sie kam als eine der ersten Promis auf den Geschmack. Unvergessen, als sie Anfang der 2000er in Hotpants, Zigarette in der einen Hand, Wein im Papierbecher in der anderen, mit Gummistiefeln und Ex-Freund Pete Doherty durch den Schlamm watete. Ihre Fußbekleidung, bis dahin absoluter Fashion-Fauxpas, wurde über Nacht zum Sommertrend.

Auf Moss folgten schnell weitere: Schauspielerin Kate Hudson, Model Cara Delevingne, Sängerin Dua Lipa (im Vorjahr Headlinerin), Foo Fighters-Mann Dave Grohl und die britischen Prinzessinnen Beatrice und Eugenie zählen seit Jahren zu den Stammgästen. Selbst König Charles war schon da: Zum 40. Festivaljubiläum 2010 mischte er sich in Anzug und Krawatte in die Shorts und T-Shirt tragende Menge, posierte neben Tipis und bunten Flaggen und winkte nach einem Rundgang von der Pyramid Stage. „Charlie, Charlie“, schallte es ihm aus zehntausenden Kehlen entgegen.

Prinz Harry ging das ganze drei Jahre später diskreter an: Er kam mit Freunden, verzichtete auf Fliege und Protokolle. „Ich habe ihm gesagt, er soll seinen Fahrer für fünf Uhr früh bestellen und Party machen. Er hat bis vier ausgehalten“, erzählte Glastonbury-Gründer Michael Eavis später stolz. So verlockend es klingt, am Kultfestival mit den Promis zu feiern, ist Glastonbury für Neuankömmlinge oft erstmal vor allem eines: überfordernd.

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Glastonbury live: Ein Meer aus Zelten und jede Menge Menschen auf einer Fläche so groß wie 500 Fußballfelder

©mauritius images / Alamy Stock Photos / david pearson/Alamy Stock Photos / david pearson/Mauritius Images

Zirkus und Strandpier

Das Gelände erstreckt sich über rund 3,6 Quadratkilometer. Oder anders ausgedrückt: der Größe von 500 (!) Fußballfeldern. Gutes Schuhwerk ist Pflicht, denn die 62 (!) Bühnen liegen zu Fuß oft eine Stunde und mehr auseinander. Dazwischen: Zeltmeere so weit das Auge reicht.

Denn im Gegensatz etwa zum Nova Rock in Österreich darf man hier fast überall aufschlagen. Zwischen den Zelten dampfen die Griller, schallt die Musik aus den Boxen, balancieren Leute mit Getränken zu ihren Schlafplätzen. Wer keine Lust auf die Warteschlangen vor den Duschen hat, spritzt sich mit dem Gartenschlauch ab. 

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Was für ein Trubel: Das Festival bietet 30 Bereiche, darunter ein Zirkus, ein Zelt-Kino, Nachtclubs und eine Terminal-Nachbildung

©Astrid Hofer

Keine Frage, die meisten denken bei Glastonbury erstmal an die Musik, doch die macht tatsächlich nur einen kleinen Teil des Festivals aus. Es gibt mehr als 30 Bereiche: neben der Bühnen – von der Pyramid Stage bis hin zum Zelt für Newcomer (oder, wie 2024, Überraschungsgast Russell Crowe!) – etwa auch einen Zirkus mit Akrobaten, eine Kabarettzone, einen Flughafen-Terminal, der als Bar doubelt, Vintage-Geschäfte, ein Zeltkino, Spielplätze, Nachtclubs und einen Baumwipfelweg. Skurriler Hingucker ist ein originalgetreu nachgebauter Strandpier, komplett mit Liegestühlen, Postkarten- und Zuckerwattestand. 

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Das Festival bietet 30 Bereiche, darunter ein Zirkus, ein Zelt-Kino, Nachtclubs und eine Terminal-Nachbildung

©APA/AFP/OLI SCARFF

Nur das Meer muss man sich dazu denken. In einer Hippiezone finden tagsüber Yoga- und Qigong-Kurse statt, abends flackern die Lagerfeuer in den Himmel. Stanitzel mit Marshmallows machen die Runde. Alle Jahre wieder mittendrin: Shamanic Steve, ein Glastonbury-Urgestein mit Rauschebart. „Ich war 1981 zum ersten Mal dabei."

Da sind viele noch ohne Tickets über den Zaun geklettert“, erzählt er. „Zuerst war ich Besucher, später habe ich Künstler backstage betreut.“ Inzwischen hält Steve sich von den großen Bühnen fern, bleibt, wie viele Festival-Veteranen, lieber in der bunten, aber ruhigeren Parallelwelt: „Die Headliner kenne ich schon lange nicht mehr.“

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Es gibt mehr als 30 Bereiche: neben der Bühnen: darunter Bars, Clubs, ein Zirkus, ein Zelt-Kino, Nachtclubs und eine Terminal-Nachbildung 

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Glamping und Helikopter 

Dabei sein, aber nicht mitten in der Masse, das gilt oft auch für die Promis. Selbst wenn etwa Noel Gallagher oder Prinzessin Beatrice schon beim Feiern mit Normalos gesichtet wurden, bleiben andere lieber unter sich. Zwischen den zwei größten Bühnen versteckt sich die Interstage, eine Art Backstage-Bereich mit Zelt-Restaurants, Bars, einem Vintage-Shop und Sitzmöglichkeiten, zu dem nur VIPs Zugang haben. Um reinzukommen, muss man an zwei Gates sein Zutrittsbändchen vorweisen, dann heißt es durchatmen. 

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Luxus-Blechbüchse: Ein Pop-up-Hotel auf Rädern sorgt für Konzert-Komfort. 

©The Pop Up Hotel

Während sich draußen die Massen schieben, nippt man hier entspannt an Cocktails, an Bar-Tischen oder vor einem überdimensionalen Peace-Zeichen. Wenn ein Promi vorbeikommt, klicken die Handykameras. Auf gute Selfies wollen schließlich auch VIPs nicht verzichten. Bonus für Interstage-Gäste: Beide Hauptbühnen sind in fünf Minuten erreichbar. Reguläre Festivalgeher müssen zu Stoßzeiten von einer zur anderen über eine Stunde einplanen.

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Party-Feeling im Glamping-Areal

©mauritius images / Alamy Stock Photos / David Jensen/Alamy Stock Photos / David Jensen/Mauritius Images

Noch exklusiver ist die Pop-up-Bar „The Hideout“ im Areal, exklusiv für Soho-House-Mitglieder und A-Promis, die hier Mojitos schlürfen. Auch Campen ist bei Glastonbury nicht gleich Campen: Während das Gros der Besucher im Zwei-Mann-Zelt nächtigt und schon warme Duschen und den jedes Jahr ausgebuchten mobilen Friseursalon als Luxus empfinden, residieren die VIPs im XXL-Van mit Küche und Wohnzimmer im Interstage-Bereich oder, etwas abseits, im Glamour-Tipi, mit Couch, Teppichen, Kleiderkasten und Luster über dem Doppelbett.

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Sei wild – und lerne zu warten: Festivalgeher müssen zu Stoßzeiten von einer zur anderen Bühne über eine Stunde einplanen

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Manche Glamping-Anbieter bieten neben mehrgängigen Menüs auch Spa und Swimmingpool. Kostenpunkt: ab ca. 4.500 Euro für ein klassisches Zelt – oder bis zu 35.000 Euro für die Luxusvariante. Und dann ist da noch die Sache mit der Anreise: Die Auto-, Bus- oder Zugfahrt von London dauert inklusive Staustehen rund sechs Stunden. Gutbetuchte hingegen reisen in 50 Minuten per Helikopter an – hin und retour für ca. 16.600 Euro.

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