'For Your Eyes Only' Photocall

Männer und die erotische Anziehungskraft des Autos: Was ist dran?

Steigern Autos den Sexappeal? Wie wichtig sind sie für die Männer-Identität? Und was ist Petromaskulinität?

Ein 4.11. Hinterachsen-Sperrdifferenzial, ein 750 cfm Doppelvergaser, Edelbrock-Ansaugkrümmer, Zylinder aufgebohrt für mehr Hubraum, 11:1-Hochleistungskolben, 390 Turbo-Jet-Pferdestärken: Wer je Matthew McConaughey über seine Aufreißerkarre hat sprechen hören, weiß, dass auch harte Männer mitunter imstande sind, tiefe Gefühle zu zeigen. Selbst wenn sie sich allzu gut hinter Bizeps, Rotzbremse und Tschik im Mundwinkel verstecken. 

Genüsslich, zärtlich, als würde er einen Psalm singen, schwärmt er im Neunzigerjahre-Kultfilm „Dazed and Confused“ von seinem 1970er Chevrolet Chevelle SS 454, den er liebevoll „Melba Toast“ getauft hat – ein brachial-brutales Motorenmonster, von 0 auf 100 in sechs Sekunden und dröhnend laut wie ein Dschungel voller Löwen.

„We’re talkin’ about some f***in muscle“, gibt McConaughey an und ballt die Hand zur Faust, denn der Chevelle ist ein sogenanntes Muscle-Car, also aus der Wagenkategorie aufgepumpte Powerpotenz auf vier Rädern – und mit „Muscle“ meint er in Wahrheit den Schwellkörper in seiner Hose, denn sein Chevy soll als Frauenmagnet funktionieren. „How ’re doin’?“, flirtet er hinterm Steuer eine Clique von Mädchen an. Kommt ihr zur Party? Alright, alright, alright.

Bentley oder Fiesta?

Männer, die versuchen, mit ihrem Schlitten Frauen zu beeindrucken: Das gibt es, seit zum ersten Mal auf der Welt ein Verbrennermotor angelassen wurde. 

Autos als Vehikel, im wahrsten Sinne, um Erstkontakt herzustellen, weil die richtigen Worte zum Flirten fehlen. Als Coolness-Krücke, wenn Mann seine Angebetete zum Date abholt. Das Vierrad als psychologisches Zusammenspiel aus Status, Männlichkeit und Macht, aufgeladen mit Sexualität. Den Motor aufheulen lassen als Brunftschrei des Benzinbruders. Klappt das?

Eine Studie von Michael Dunn und Robert Searle von der Uni Cardiff aus 2010 meint: ja. Die Wissenschaftler zeigten Fotos von Männern und Frauen – einmal in einem Bentley, einmal in einem Ford Fiesta sitzend. Das Klischee bestätigende Ergebnis: Frauen fanden den gleichen Mann attraktiver, wenn er im Bentley saß. 

Auch Männer in Österreich glauben mehrheitlich fest an diesen Effekt. Knapp 70 Prozent denken laut einer landesweiten, bevölkerungsrepräsentativen Umfrage von AutoScout24.at aus dem Jahr 2022, dass ein Auto ihren Sex-Appeal steigert. Nummer eins ist der Sportwagen, gefolgt von Cabrio und SUV. Dem E-Auto trauten nur zwei Prozent diese Wirkung zu.

Welche Zielgruppe Frau auf coole Autos abfährt 

Grundsätzlich hält die Umfrage fest, dass Frauen den Konnex zwischen Auto und Attraktivität auf jeden Fall kritischer sehen, als Männer das wohl wahrhaben möchten: Nur eher magere 40 Prozent sind der Meinung, dass ein bestimmter Wagen unwiderstehlicher macht. 

Unterliegen die Herren von Welt also die längste Zeit einem Irrglauben? Das vom Mund abgesparte Sportcoupé oder das teure Oldtimercabrio – war das alles umsonst? Gar nicht zu reden von Gimmicks wie Breitreifen, Sportauspuff, getönten Scheiben und was man sonst noch alles auftunen kann, um damit bei der Herzensdame für weiche Knie zu sorgen?

Erhellend ist in dieser Hinsicht das Alter, wie die Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Sexualtherapeutin Daniela Renn erklärt. Mit einem Wagen, der ordentlich was hermacht, punktet Mann nämlich vor allem in der Zielgruppe von 20 bis 35 Jahren. 

46-216174650

Schicker Zwirn, flotter Schlitten und cool ohne Ende: Don Johnson, Philip Michael Thomas in „Miami Vice“

©MERCHANDISING / Action Press / picturedesk.com

Status, Potenz, Reichtum

„Jüngere Frauen fühlen sich tatsächlich von einem Mann mit schnellerem Gefährt, egal ob Auto oder Motorrad, eher angezogen“, so Renn. „Denn schnell bedeutet teuer, und teuer bedeutet Geld. Das Signal, das sie empfangen, bedeutet übersetzt: Ein Mann ist imstande, eine Familie zu versorgen und die Aufzucht der Nachkommen finanziell zu sichern. Auch im Jahr 2025 reagieren Frauen dank der Biologie immer noch auf solche Reize.“

Lamborghini & Co verkörpern Status, Potenz und Reichtum, was für manche Frauen als attraktiv gilt – offenbar tritt auch die Evolutionsbiologie gerne aufs Gaspedal. Für Frauen ab 40 gilt das allerdings eher nicht mehr, so Renn. Der Grund: Die Familienplanung ist zu dieser Zeit fast schon abgeschlossen.

46-216179397

Einsamer Wolf: Steve McQueen im Klassiker „Bullitt“. Das Auto: ein Ford Mustang GT Fastback aus 1968 – Testosteron auf Rädern

©mptv / picturedesk.com

Pick-up-Truck macht petromaskulin

Die Liebe des Mannes zum Auto ist eine Strecke mit vielen Kurven. Eine Schikane dabei ist auch die Midlife-Crisis. Man kennt das ja: Wenn bei Herren mittleren Alters die Haare weniger werden und das absehbare Ende der Existenz ungut aufs Gemüt drückt, sollen dagegen oft nicht nur junge Geliebte helfen, sondern auch schnelle Autos. Porsche, ohne Dach, Fahrtwind, Vollgas. Ob das hilft, die Antworten auf die Fragen des Seins zu finden? 

„Alles, was anderen und sich selbst nicht schadet ist legitim“, so Renn. Das maskuline Selbstverständnis mit Wertgegenständen wiederzufinden würde hier versucht – das Auto als identitätsstiftender Faktor. Das funktioniere zwar kurzfristig; langfristig sollte Mann aber lieber Sport machen und sich um seine Gesundheit und generell sich selbst kümmern. Das mache wirklich attraktiv.

Wobei: Spaßautos, das gefiele auch Frauen – etwa gut situierten Damen, die mit dem Aston Martin ihres Begleiters gern den eigenen (hohen) Status bestätigt sehen. Riesige, luftverpestende SUV-Benzinschleudern verortet die Psychologin dagegen nicht mehr als heutiges Statussymbol. Hier hätte ein Wandel stattgefunden, Frauenherzen ließen sich mit null Rücksicht auf Nachhaltigkeit kaum noch erobern.

Männer, die sich dem Trend Petromaskulinität zuordnen lassen, wird das herzlich wurscht sein. Die fahren nämlich gern Pick-up-Trucks und Ähnliches. Geprägt hat die Wortverbindung von Petroleum und Männlichkeit die Politologin Cara Daggett.

Gemeint sind damit Konservative mit einem traditionellen Bild von Männlichkeit, die meist rechtspopulistisch wählen und für die Klimakrise, Gendern oder Veganismus ein rotes Tuch sind. Und die den Verbrennungsmotor als Galionsfigur für ihre Ansichten identifiziert haben. Das Auto als anti-feministischer Widerstand – auch das geht, wenn es um Auto, Mann und Frau geht.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

Kommentare