Marianne Mendt im Interview: "Ich war immer schon Volkseigentum"

Mit der "Glock’n" hat Marianne Mendt Musikgeschichte geschrieben, zu Silvester läutet sie im Theater Akzent das neue Jahr ein.

Als Trafikantin Gitti Schimek im Kaisermühlen Blues eroberte Marianne Mendt die Herzen der Nation, gesungen hat sie ihr ganzes Leben lang - und sie war auch als Musical-Darstellerin international erfolgreich. 

Mit 79 ist sie so aktiv wie eh und je – und freut sich schon auf ihr nächstes Konzert, das am 31. Dezember im Theater Akzent stattfinden wird. Mit ihrem Sextett, quasi im intimen Rahmen. 

Für die freizeit öffnete sie ihre "Musikwerkstatt" in der Wiener Laudongasse, wo sie jahrelang intensiv mit jungen Musikern zusammengearbeitet hat – von denen heute einige selbst ausgewachsene Stars sind. Und sprach über ihre Anfänge als Bassistin in einer Cover-Band, die legendäre "Fledermaus-Partie" – und über die Zukunft natürlich. Denn Marianne Mendt hat fürs Jahr 2025 so einiges vor. Ihre Fans dürfen sich jetzt schon auf ein neues Album und einen neuen Film freuen.

Frau Mendt, womit werden Sie Ihre Gäste im Theater Akzent denn unterhalten, bis die Pummerin läutet?

(lacht) Na ganz so lange spielen wir ja nicht, obwohl’s natürlich zur "Glock’n" passen würde. Aber: Wir beginnen um 19.30 Uhr, bereits davor kommen Ursula Strauss und Christian Dolezal ab 16 Uhr auf die Bühne und nach uns, ab 22:45 Uhr, spielen "Flo & Wisch" ihr Silvester-Programm. Man kann also tatsächlich bis ins Neue Jahr im Theater Akzent bleiben! Unser Programm? Querbeet durch die Jahrzehnte. Duke Ellington, Georg Danzer, Count Basie, Cole Porter ... Standards, und zwei, drei Chansons, die zum Jahresende passen, werde ich auch einbauen, mit den sechs großartigen Musikern der Band.

Und "Mendt" natürlich auch, oder?

Ja klar – aber es ist ja alles "Mendt" in gewisser Weise. "Spinning Wheel" etwa von Blood, Sweat and Tears haben wir ja als "G'scheckert's Hutschpferd" schon lange eingewienert, Cannonball Adderley mit Joe Zawinul und "Mercy, Mercy" auch – und so fort. Und dazu natürlich auch Sachen, die vor vielen Jahren für mich geschrieben wurden. 
Sie haben vorhin auch Georg Danzer angesprochen: Der hat schon sehr früh für Sie die ersten Stücke geschrieben, glaube ich?
Jaaaa – und wir waren wirklich gute Freunde. Er war in unserer "Partie" Anfang der 70er-Jahre, da waren wir fast jeden Abend zusammen in der Fledermaus-Bar beim Bronner. Und im Hawelka, das war immer ein Hin und Her.  Damals hat Georg noch gar nicht selbst gesungen. Aber tolle Songs komponiert ... Der Heller war auch immer dabei, und Peter Wolf, als Küken quasi, da war er noch keine 20, glaub' ich. Aber wahnsinnig talentiert, das hat man damals schon gemerkt. Wir waren so ein Konglomerat von doch ziemlich kreativen Menschen.  Eine schöne Zeit, die ich nicht missen will. Und die für den Weg eines jeden, der dabei war, auch etwas gebracht hat, denke ich.
Marianne Mendt

Marianne Mendt empfing freizeit-Redakteur Andreas Bovelino in ihrer Musikwerkstatt in der Laudongasse

©kurier/Kurier/Eva Manhart
Peter Wolf, der später Keyboarder von Frank Zappa wurde, war ja eigentlich, ähnlich wie Sie, sehr dem Jazz verhaftet.
Stimmt, wir waren die "Jazzer". Peter hatte einen sehr guten Klavierlehrer, den Walter Hörler, der ihn wohl schon früh mit dem Jazz-Virus infiziert hat. Und er spielte wirklich fantastisch, der ist einfach aufgefallen in seiner Begabung, schon als ganz junger Mann. Er hat auch einiges geschrieben, für mich auch. Ich glaube drei, vier Songs auf meinen Platten aus der Zeit sind von ihm.

Wobei Sie ja davor mit Ihrer Band "The Internationals" doch eine ganz andere Art Musik gespielt haben. Da haben Sie’s auch krachen lassen, oder?

(lacht) Na ja, wir waren eine Cover-Band. Und haben in vielen Ami-Clubs gespielt, in Deutschland und Frankreich. Die wollten natürlich amerikanische Songs hören, die damals angesagt waren, Mitte der 1960er: Soul, R’n’B, Rock. Das war schon eine tolle Zeit … Paris, Orleans, Verdun, und in unzähligen Clubs zwischen Hamburg und München. Gefreut hab ich mich aber immer auch auf unser einziges Österreich-Engagement, jeden Sommer beim Werzer in Pörtschach. Das war für mich so eine Art Heimspiel.

Und Sie waren in der Band nicht nur Sängerin, sondern spielten auch E-Bass. Darf man sich Marianne Mendt ein bissl wie Suzie Quattro vorstellen?

Na ja, vielleicht – nur ich war halt lang vorher. Aber es stimmt schon, das mit dem E-Bass war doch sehr ungewöhnlich. In dieser Männerwelt ... 

Wie ist es eigentlich überhaupt dazu gekommen, dass Sie mit 18, 19 anfingen, quer durch Europa zu touren?

Das war nicht ganz einfach ... Bis ich 18 war, hab ich in der Buchhaltung bei einer Waschmittelfirma gearbeitet, weil Mädeln brauchten eben einen "anständigen" Beruf. Gesungen hab ich aber schon als Kind.  Mit den legendären "Spitzbuben" bin ich aufgetreten, als ich noch in die Handelsschule ging. 
Stimmt es, dass die Burschen Ihren Künstlernamen erfunden haben?
Ja, mein Nachname war ja eigentlich Krupicka. Das war mir auch klar, dass der nicht so toll klingt, also nannte ich mich als Sängerin Marianne Simon. Jetzt hieß aber der Direktor der Spitzbuben mit Nachname auch Simon, und sie wollten nicht, dass es aussah, als wäre ich nur dabei, weil wir verwandt sind. Und so kam's dann zur Marianne Mendt. Dabei hatten die Burschen durchaus das damals natürlich klingende "MM" im Kopf ...
Und nach der Handelsschule kam erst einmal die Buchhaltung?
Genau. Mit 14 hatte ich bei einem Gesangswettbewerb einen Plattenvertrag gewonnen, dafür hätte ich aber nach Hamburg müssen – und das haben meine Eltern nicht erlaubt. Und 1963 war ich dann endlich 18 – da hab ich angefangen, neben der Arbeit in der Eden Bar zu singen. So bis 3 Uhr Früh, und bin dann um 7 wieder aufgestanden. Das war eine heftige Zeit ... (lacht) Jedenfalls hat mich eines Abends Bill Grah gehört und mich für ein dreimonatiges Engagement in Stockholm in die Band geholt. Da hab ich dann in der Buchhaltung gekündigt.

Bill Grah, der Vibrafonist und Pianist, der mit Zawinul, Oscar Peterson, Roy Eldridge und anderen Größen aufnahm und im amerikanischen Down Beat Magazin 1955 von den Kritikern auf den zweiten Platz der Jahreswertung gewählt wurde?

Genau der, ja, ein toller Musiker! Danach kam das Richard-Österreicher-Quartett – und dann habe ich mit Musikern, die ich in den anderen Bands kennengelernt habe, eine eigene Band gegründet. Einer war aus Sachsen, einer aus Holland, einer aus Ungarn – wir nannten uns "The Internationals". Und da hab ich mir selbst E-Bassspielen beigebracht. 

Warum sind Sie 1969 nach Wien zurück?

Wie gesagt war es eine schöne Zeit – aber immer unterwegs ist auf Dauer eben auch nicht lustig. Ich hatte Heimweh, und ich wollte schon auch wieder etwas anderes machen als Tanzmusik.

Und dann kam die "Glock’n" ... Wir vergessen heute ja beinahe, was für ein europaweiter Hit das war!

Ja, der Song war schon etwas Besonderes. Ich habe gehört, dass die "Glock’n" in London noch immer hier und da gespielt wird. In Spanien auch …

Marianne Mendt

Marianne Mendt mit ihrer Hündin Jazzy

©kurier/Kurier/Eva Manhart

Sie hatten bald darauf auch Riesen-Erfolg in Deutschland mit dem Musical "Funny Girl"! Haben Sie es je bereut, dass Sie nicht nach Berlin oder London gegangen sind, um internationale Karriere zu machen?

Der Werner Schneyder hat schon damals zu mir gesagt, was machst’ denn in Wien? Meine Erklärung war einfach: "Mama, Papa, Fledermaus" (lacht). Und ganz so war's ja nicht. In den 70ern war ich eh ununterbrochen unterwegs, da KONNTE ich kaum einmal länger in Wien bleiben. Eine Zeit lang gab's ja keine Fernsehsendung im deutschsprachigen Raum, in der ich nicht dabei war. Dazu kamen Live-Auftritte, Tourneen – die Zeit war schon sehr ausgefüllt. Das war schön, großartig. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas zu versäumen. Und Ende der 70er bekam ich dann meine Tochter, Anna. Und das war noch schöner. Also nein, ich bereue wirklich nichts. Danach hab ich dann mehr am Theater gemacht, Kammerspiele, Josefstadt. Mich hat einfach immer so vieles interessiert, Jazz, Pop, Rock, Musical, Cabaret, Schauspiel. Die Vielfalt hat mir am meisten Spaß gemacht. Das tut sie nach wie vor. Und, auch nicht unwichtig: Mir war nie fad!

Durch Ihre Jazz-Nachwuchsförderung waren Sie ja bis zur Pandemie intensiv in Kontakt mit jungen Musikern. Gibt's jemanden, über dessen oder deren Entwicklung Sie sich ganz besonders freuen?

Ina Regen zum Beispiel. Die war dann ja viele Jahre bei mir, und zwar als Solistin. Das wird oft falsch wiedergegeben, dann steht als Background-Sängerin. Ich hab sie immer als Solistin in die Konzerte eingebaut. Sie war und ist einfach eine wirklich tolle Sängerin. Und das war schon eine echte Freude, als sie dann zum Star wurde. 5/8er in Ehrn, der Geier Maxi ist ja auch eines meiner "Kinder" ... Marina Zettl von Marina & The Kats. Ach, es gibt schon sehr viele. Mira Lu Kovacs fällt mir da gerade auch ein, die war nicht fix bei mir, nur einmal kurz bei einem Workshop, aber die hat gerade - wieder - eine ganz hervorragende Platte herausgebracht.

Vermissen Sie die Nähe zur jungen Szene, nachdem es Ihr Festival nicht mehr gibt?

Ich hab das Studio unten in der Musikwerkstatt unter anderen an den jungen Produzenten Max Walch vermietet. So bleibe ich eh ein bissl in Kontakt. Er hat mir gerade seine aktuelle Produktion mit Sofie Royer vorgespielt, eine junge Songwriterin – tolle Künstlerin. Und die neue CD von Anna Buchegger, die ist auch fantastisch. Wie sie Dialekt und zeitgemäße Musik verbindet, ist schon ziemlich einzigartig. Und sie kann schon einfach wirklich fantastisch singen, das muss man ganz klar sagen. Ich hab sie auch bei Starmania verfolgt und da war mir sofort klar, dass sie richtig gut ist.

Werden Sie selbst in nächster Zeit auch ins Studio runtergehen?

Tatsächlich, ja. Im Konzerthaus habe ich eine große Produktion mit 60 Musikern für eine neue Platte aufgenommen, 22 Streicher, alles live, das war richtig aufwendig. Einsingen werde ich es unten, im Februar. 

Welches Programm?

Standards und Balladen. Sieben Titel in Riesenbesetzung, "Wonderful World" ist zum Beispiel auch darunter. Und vielleicht spiele ich dazu auch noch zwei, drei Songs in einer ganz kleinen Formation neu unten im Studio ein, das würde mich sehr freuen.

Spätestens seit dem Kaisermühlen-Blues sind Sie ja auch Nicht-Theaterbesuchern als Schauspielerin ein Begriff. Als Gitti Schimek und "gute Seele" der Nation. Sehen wir Sie auch wieder im TV?

(lacht) Ich war eigentlich immer schon "Volkseigentum". Aber ja, nächstes Jahr kommt ein Film heraus: "Bis auf Weiteres unsterblich", mit Kathi Strasser, Ina Regen ist auch dabei. Ich darf dazu leider noch nichts verraten, außer vielleicht: Ich spiele mich selbst. Und DAS war wirklich besonders schwer!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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