Starmania-Siegerin Anna Buchegger: „Heut’ ist es mir ein bissl unangenehm“

Im Jahr 2021 gewann Anna Buchegger die fünfte Starmania-Staffel. Jetzt veröffentlicht sie mit „Dann fass ich mir ein Herz“ eine Ballade.

Eine 22-jährige Abtenauerin, deren Eltern in den Salzburger Bergen eine Landwirtschaft führen, gewann in bis dahin kaum da gewesener Manier den größten Musikwettbewerb Österreichs. Anna Buchegger begeisterte mit ihren Auftritten Jury und Zuschauer, Fans und Kritiker.

Und das vollkommen zu Recht.  Auch wenn man sich die Shows heute mit zeitlichem Abstand noch einmal auf YouTube ansieht, ist man beeindruckt von der Leichtigkeit, mit der Anna sich in den unterschiedlichsten Genres bewegt, von ihrem Charisma – und natürlich der technischen Qualität ihres Gesangs.

Jetzt ist das mit dem Wettsingen allerdings eine zwiespältige Sache. Auch was die Nachhaltigkeit in der Karriere-Entwicklung betrifft, ist der positive Schub von Castingshows überschaubar. Da wird dann meist schnell um den Siegersong eine CD zusammengeschustert, die zumindest vom ORF auch brav Airplay bekommt und sich in den Charts platziert, dazu ein paar Auftritte bei Galas und Schlagernächten – und dann ist Ende Gelände. Denn im nächsten Jahr wartet schon der neue „Star“.

In sympathischer Störrigkeit hat Anna Buchegger sich diesem Weg verweigert und seit ihrem Starmania-Sieg ausschließlich in Eigenregie, ohne Label und Management ihre Musik veröffentlicht. Jetzt covert sie einen Song der legendären österreichischen Indie-Popper Garish, deren Plattenlabel zum 25-jährigen Bandjubiläum prominente heimische Musiker und Schauspieler Songs der Band interpretieren lässt. Den Auftakt machten vor einem Monat Verena Altenberger und Ina Regen.

Anna Buchegger

©Kurier/Gerhard Deutsch
Anna, Sie haben nach Starmania deutlich gemacht, dass Sie einen eigenen Weg gehen wollen. Jetzt arbeiten Sie doch mit einem Plattenlabel zusammen. Ein Gesinnungswechsel?
Nein, nicht wirklich. Ich wurde gefragt, und das ist ein tolles Projekt, also hab ich zugesagt. Vor allem ist der Song „Dann fass ich mir ein Herz“ ein unglaublich toll geschriebenes Stück Popmusik. Den wollte ich unbedingt singen. Aber es ist eine einmalige Sache, glaub ich.
Normalerweise bringen die Castingshow-Sieger relativ bald danach eine Platte bei einem großen Label raus, die dann auch in die Charts kommt ...
Ja, nur ist das alles dann auch schnell wieder vorbei. Meistens. Man wird da doch in eine bestimmte Richtung gedrängt, soll die Erwartungshaltung der Fans erfüllen, die einen ja nur aus den TV-Sendungen kennen und sich selten aktiv mit der Musik, die man eigentlich macht, beschäftigen. Und das wollte ich auf keinen Fall, deshalb mache ich lieber alles selber.
Sie waren sich ursprünglich gar nicht sicher, ob Sie bei Starmania mitmachen sollen, stimmt das?
Ja, der ORF hat 2021 intensiv gescoutet, und da bin ich auch irgendwie angesprochen worden. Und ich war mir nicht sicher, hab das mit vielen Freunden und Musikerkollegen besprochen ... Aber im Endeffekt war es mir dann lieber, wenn ich bereue, DASS ich mitgemacht habe, als wenn ich bereue, dass ich NICHT mitgemacht habe.
Und, bereuen Sie inzwischen, DASS Sie mitgemacht haben?
Jetzt mit einigem Abstand finde ich schon, dass ich dabei viel gelernt hab, und es hat mir persönlich viel gebracht. Aber ich merk auch, dass es mir bis heut ein bissl unangenehm ist, dass ich es gemacht habe.
Wieso das?
Du kannst dich einer großen Masse zeigen, die du sonst nie erreichen würdest, was natürlich schon super ist. Aber in welchem Rahmen zeigst du dich? Das ist schon ein Medium mit Banalitätspotenzial. Den Ruf hat es eben auch bei vielen Musikfreunden, und bei mir zum Teil genau so – und den wird's einfach nicht los.
Ja, manche Kollegen halten es für ein aufgeblasenes Karaoke-Wettsingen.
Das ist es ja irgendwie. Andererseits muss man auch bedenken, wie oft es in der klassischen Musik Wettbewerbe gibt. Da ist das ganz normal ... Irgendwie eine Doppelmoral eigentlich.
Ach ja, Sie kommen  eigentlich von der klassischen Musik, stimmt's?
Ja, zum Teil. Also meine Roots sind in der Volksmusik. Das war das Erste, was ich aktiv gemacht hab, als junges Mädchen mit meiner größeren Schwester. Ich am Hackbrett und sie an der Gitarre. Aber am Musikgymnasium in Salzburg hab ich dann klassischen Gesang gemacht.
Aber ist es nicht so, dass Sie eigentlich Opernsängerin werden wollten?
Na ja, die Ausbildung am Gymnasium ging in die klassische Richtung, zur Matura hab ich Brahms und Mozart gesungen, und ich wollte das dann auch weitermachen, habe mich am Mozarteum in Salzburg beworben. 
Und? 
Sie haben mich nicht genommen. Und heute bin ich ganz froh. Ich studiere an der Musik-Uni in Wien Populär-Gesang, im März hab ich meine letzte Prüfung, das passt schon so. Mir hätte in der Klassik vielleicht auch die Vielseitigkeit gefehlt, die ich jetzt erlebe. 
Apropos Vielseitigkeit: Seit Starmania haben Sie drei Songs herausgebracht: „Ease“, die Pop-Ballade mit Charttauglichkeit, mit der Sie gewonnen haben. „Woman“, ein elektronisches Stück mit spanischen Einflüssen, „Iwan Schnee“, einen wunderschönen zarten Dialekt-Song – und jetzt covern Sie eine österreichische Indie-Rock-Band auf Hochdeutsch. Muten Sie Ihren Fans vielleicht zu viel Abwechslung zu?
Irgendwie fehlt derweil noch der rote Faden, gell? Aber mir selbst gefällt einfach sehr viel, ich interessiere mich für so viele unterschiedliche Stile ... 
„Die Entscheidung, in welche Richtung es als Künstler gehen soll, ist die schwerste, die man vor sich hat“, hat Tim Bendzko bei Starmania zu Ihnen gesagt. Sind Sie dieser Entscheidung in den letzten eineinhalb Jahren nicht näher gekommen? 
Hat der das wirklich g'sagt? In der Sendung? Zu mir? Kann mich gar nicht mehr erinnern (grinst) ... Dann wird er sich jetzt freuen. Wir gehen im Februar ins Studio, und bei den Songs werden sich tatsächlich einige Dinge durchziehen: Dialekt, Hackbrett, traditionelle Musik. Dazu Pop und Elektronik.  
Warum ist es in Österreich eigentlich so schwer, traditionelle Elemente in die zeitgenössische Musik einzubauen?
Na ja, mit Bands wie Attwenger war Volksmusik schon auch einmal so etwas wie Revolution! Aber es stimmt, sie hat oft etwas sehr Patriotisches, vor dem junge Menschen eher zurückschrecken. Für mich persönlich ist Patriotismus an sich nichts Wertendes. Schau dir zum Beispiel Rosalia in Spanien an. Die verbindet alten Flamenco mit neuen Sounds – und niemand hat irgendwelche Berührungsängste. 
In „Woman“ verlegen Sie ähnliche Beats auf eine Almhütte ... 
Ja, die sind von Rosalia inspiriert. Lustig ist dabei auch, dass spanische und lateinamerikanische Rhythmen eine lange Tradition ausgerechnet in der volkstümlichen Musik haben. Da wird dann quasi im Bierzelt zu „fremden“ Sachen geschunkelt, ohne dass die Leute, die sonst vor allem Fremden Angst haben, es überhaupt merken.
So richtig „fremd“ ist ja auch ein Song, den ich vorhin vergessen habe: „Lupa do ho“.
Ja, Hermann Delago, der Vater von Manu und Leiter der Stadtmusik Landeck, spielt mit seinem Blasorchester immer auch einen indonesischen Song am Ende seiner Konzerte. Und er hat mich gefragt, ob ich den singen will. Und, das muss man sich einmal vorstellen, der wurde tatsächlich zum TikTok-Hype auf Sumatra, und jetzt geh ich im Sommer dort mit einer kleinen Band auf Tour – das ist schon irgendwie aufregend!
Sie vergessen dabei aber nicht auf Tim Bendzko und die „Entscheidung“ ... 
(lacht) Nein, das zieh ich jetzt durch, versprochen. Im Februar im Studio: neue Songs – mit rotem Faden!  

Anna Buchegger im Interview

©Kurier/Gerhard Deutsch
Anna Buchegger

Anna Buchegger

Geboren 1999, kommt aus Abtenau im Salzburger Tennengebirge. Ihre Eltern haben eine kleine Landwirtschaft. Als Kind lernte sie Hackbrett und Gitarre, spielte mit ihrer Schwester in einem Volksmusik-Duo. Am Musik-Gymnasium Salzburg maturierte sie mit klassischem Gesang, ihr Studium an der Wiener Musik-Uni wird sie dieses Frühjahr abschließen.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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