Mira Lu Kovacs

Songwriterin Mira Lu Kovacs: "Würde gern in einem Musical mitspielen"

Mira Lu Kovacs prägt Österreichs Musikszene, veröffentlicht eine neue CD – und schrieb den Soundtrack für einen Landkrimi.

Als "Schmieds Puls" begeisterte sie mit ihrem Songwriter-Pop auf Anhieb die Kritiker, ebenso als Teil der Avantgarde-Jazz-Pop-Kombo  5K HD. Mit Leyya-Frontfrau Sophie Lindinger und Nastasja Ronck (Sharktank) bildet sie die Supergroup My Ugly Clementine und spielt auf sämtlichen großen Festivals Europas. Dazu kommen Jazz-Projekte, Musik für Film und Theater – und jetzt auch noch die zweite CD unter ihrem eigenen Namen: "Please, Save Yourself" heißt das Teil, und es ist absolut empfehlenswert.

Mit der freizeit sprach Mira Lu Kovacs über Lautstärke, ihre Liebe zu Musicals und die Lust am Älterwerden, ihre Lieblings-Bands - und warum es wahrscheinlich keine Zusammenarbeit mit Adrianne Lenker von Big Thief geben wird ... 

Mira Lu Kovacs

Die Frau am Klavier? Nein, am Klavier komponiert Mira Lu Kovacs nur, wenn sie Musik für Film und Theater oder Serien wie "Landkrimi" schreibt. Ihr eigentliches Werkzeug ist die Gitarre, mit der begleitet sich die preisgekrönte Songwriterin auch auf ihrer neuen CD "Please, Save Yourself". 

©kurier/Martin Stachl

Im Gegensatz zur letzten CD lassen Sie es auf "Please, Save Yourself" teilweise ganz schön krachen. Was hat zur neuen Lust an der Lautstärke geführt?

Verzerrte Gitarren hatte ich immer wieder, schon mit Schmieds Puls. Aber Sie haben natürlich recht, mein letztes Album war sehr reduziert. Das kommt auch daher, dass ich es während der Pandemie produziert habe. Da hatte ich ursprünglich sogar angedacht, dass ich es ganz ohne Band aufnehme, also nur Stimme und Gitarre. Das drückt sich natürlich auch im Songwriting aus. Jetzt einmal wieder ein bisschen aufzudrehen, hat richtig Spaß gemacht.

Sie sägen sich natürlich auch auf Ihrer aktuellen CD nicht mit bis zum Anschlag aufgedrehten Amps durch die Tracks – aber Songs wie "I Care For You" überzeugen durch ihre Laut-/Leise-Dynamik.
Ja, das ist mir wichtig. Bei den Ugly Clementines spiele ich praktisch durchgehend mit hohem Druck, bei meinen eigenen Songs verwende ich höhere Lautstärke eher punktuell, um, wie Sie sagen, Dynamik zu erzeugen oder dann eben fürs Finale. Blake Mills zum Beispiel, einer meiner Lieblingssongwriter: Wie lange sein "Unworthy" total nimalistisch bleibt, und wie's dann zu einer Eruption kommt – ein Jahrhundertsong!
Ein Thema, das bei Songwritern immer im Raum steht: Wie persönlich sind Ihre Texte?
Zu 100 Prozent autobiografisch. 
Diese "smoked glass door" im Titelsong "Please, Save Yourself", durch die Sie üble Dinge aus dem Nebenzimmer mitbekommen, die gibt es also wirklich?
Ja, die gibt es. Genau wie die Dinge, die dahinter passiert sind. Ich kann nur nicht mehr dazu sagen, weil es eben nicht nur MEINE Geschichte ist, da muss ich die Privatsphäre der anderen schützen.

Einer meiner alten Lieblingssongs von Ihnen, "You Can Go Now", ist demnach wirklich eine traurige Liebes- oder Trennungsgeschichte?

Ja. Aber er hat sich im Lauf der Zeit verändert. So wie sich unsere Gefühle im Lauf der Zeit verändern. Aus dem Schmerz wird vielleicht ein Loslassen-Können. Mein Großvater hat sich gewünscht, dass ich ihn zur Beerdigung meiner Großmutter singe. Damit ist er auf einer anderen Ebene für mich.

Wie viel Wahrheit verträgt ein Song?
Manche Sachen muss man sich erst trauen, auszusprechen. Wenn ich etwa singe "I care for you, I don't care for anybody else", wäre ich mir früher vielleicht blöd vorgekommen. Vielleicht hätte ich mich gar nicht getraut, so direkt zu sein.  Aber es ist schon wichtig, so etwas auch rauszulassen. Es heißt ja nicht, dass man sich mit dieser Aussage verheiratet. Aber in dem Moment, in dem man es sagt oder singt, ist es die Wahrheit. 
"Ich möchte auf keinen Fall abstumpfen", haben Sie sehr früh in Ihrer Karriere einmal gesagt. Ist Ihnen das gelungen?
Es ist spannend, dass Sie mich genau das jetzt fragen, dazu habe ich mir erst kürzlich Gedanken gemacht. Ich habe immer gesagt, "Ich WILL nie aufhören, alles zu spüren, Zorn, Schmerz, Liebe, Angst ..."

Und das tun Sie jetzt nicht mehr?

Doch, ich fühle natürlich alles, und auch intensiv. Aber da ist so vieles zwischen zwölf und 30, das einen nervös macht, verunsichert – vor dem man Angst hat.  Es steckt auch etwas Schönes und Kraftvolles und Gutes dahinter, wenn man älter wird.  Vieles ist nicht mehr so "schwer", hat nicht mehr so ein erdrückendes Gewicht. Wenn nicht jedes Gefühl absolut bedingungslos ist, eröffnen sich einem neue Räume. Und, das klingt jetzt megakitschig, aber that’s me, das steckt ja auch in meinen Songs: Ich habe jetzt Platz für Freude.

Zur Freude haben Sie auch beruflich jeden Grund: Sie spielen in drei bis vier verschiedenen Bands, sind Kuratorin, Komponistin für Theaterstücke, Filme –  ein Kollege eines Fachmagazins nannte Sie letztens gar überpräsent ...
Aha? Wer sagt das?! (lacht) Aber ja, ich kann das schon verstehen. Und tatsächlich hab ich manchmal Angst gehabt, dass die Leute denken, "Ach die schon wieder!" Aber dann sage ich mir ganz schnell "Wurscht!" Weil ich mache diese ganzen Dinge ja trotzdem, sie interessieren mich ganz einfach. 

Das scheint sich auch nicht zu ändern – neben der neuen CD haben Sie auch wieder Filmmusik geschrieben. Was steht sonst noch an?

Ja, für den nächsten Landkrimi mit Regina Fritsch und Verena Altenberger, Drehbuch und Regie von Marie Kreutzer. Der wird 2025 erscheinen. Das Thema ist brisant, die Arbeit war sehr intensiv, man versucht hier ja, mit der Musik die Stimmung, die Atmosphäre mitzutragen ... Aktuell schreibe ich auch wieder Musik für ein Theaterstück – und 2027 soll eine Pop-Oper erscheinen. Ich bin ja, das kann ich jetzt ganz einfach einmal gestehen, ein großer Musical-Fan.

"Please, Save Yourself"

"Please, Save Yourself"

Mira Lu Kovacs: "Please, Save Yourself" (Rough Trade)

Die neue CD der Songwriterin ist aktuell im Handel

Das kommt jetzt doch überraschend!

Ja, aber ich bin halt aufgewachsen mit "König der Löwen", "Sister Act 2", und auch mit "Grease" und Klassikern wie "West Side Story". Und ganz ehrlich: Ich würde unglaublich gerne einmal in einem Musical mitspielen. Mit all den großen Gesten und dem Pathos.

Theatererfahrung haben Sie ja bereits. Als Musikerin und Performerin. Dabei haben Sie auch schon mit Regisseurinnen gearbeitet, die als schwierig gelten ...

Ich hab keine als schwierig erlebt. Streng – ja, oder dass sie eben eine sehr genaue Vorstellung davon haben, was sie wollen.

Das ist der Punkt: Werden Frauen im Musikgeschäft anders kategorisiert? Also statt kantig sind sie schwierig, statt komplex einfach zickig?

Ich glaube, das gilt nicht nur fürs Musikgeschäft. Leider ... Und hinter meinem Rücken wurde ich auch schon als kompliziert bezeichnet. Aber es gibt eben auch immer noch die Situationen, dass ein Tontechniker vor einem Konzert unseren Schlagzeuger, weil er der einzige Mann in der Band ist, fragt, wie MEINE Gitarre klingen soll. Während ich auf der Bühne stehe. Und das kann ich nicht einfach so stehen lassen, auch wenn es die Angelegenheit für manche Männer verkompliziert, weil sie mit einer Frau über den Sound reden müssen ...

Mira Lu Kovacs

Hier ist die neue CD entstanden: Mira Lu Kovacs in ihrem Studio in Hernals. "Ich bin tatsächlich jeden Tag dankbar, dass sich alles so entwickelt hat."

©kurier/Martin Stachl

Sie sind bekannt dafür, dass Sie gerne Kooperationen mit anderen Musikern machen. Wenn Sie sich einen "wünschen" könnten, oder zwei ...

Blake Mills, von dem wir zu Beginn schon gesprochen haben.  Der ist nicht nur selbst ein großartiger Musiker, er hat auch schon für Fiona Apple, Feist, Bob Dylan, Alabama Shakes, Mumford, Band of Horses produziert. Den hab ich vor vielen Jahren sogar schon einmal deshalb angetweetet. Also mir war schon klar, dass er nicht reagieren würde, aber ich dachte mir "hilft's nichts, schadt's nichts". Und dann Phoebe Bridgers natürlich - und unbedingt Adrianne Lenker von Big Thief!

Tolle Auswahl - und man kann sich wirklich gut vorstellen, dass das Ergebnis einer Zusammenarbeit großartig werden würde. Big Thief sind auch eine meiner absoluten Lieblingsbands ...

Ja, die sind einfach unglaublich gut. Und: Als wir mit My Ugly Clementine vor zwei Jahren beim Primavera-Festival gespielt haben, waren sie auch dabei!

Da hätten Sie Adrienne Lenker doch gleich fragen können!

Oh mein Gott, nein! Ich bin ja nicht bei vielen Menschen starstruck, aber bei Adrianne Lenker schon. Also sind wir in der Cafeteria hinter ihr gestanden, waren aufgeregt - und haben nichts gesagt...

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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