Voodoo Jürgens: „Irgendwie bin ich da reingeschlittert“

Voodoo Jürgens traf sich anlässlich seiner neuen CD mit der "freizeit" auf ein Plauscherl im Cafe Weidinger.

Als er vor etwas mehr als sechs Jahren sein „Heite grob ma Tote aus“ veröffentlichte, wurde er quasi über Nacht zur musikalischen Sensation. Vor allem das deutsche Feuilleton war sofort hin und weg, der junge Mann aus Wien, der eigentlich aus Tulln ist, wurde von Interview zu Interview gereicht und spielte seinen Hit in gefühlt jeder deutschen Talkshow. A Star was born.

Auch die Folge-CD lieferte mit „Aungst hams“ einen phänomenalen Song, dazu stand er mit Stefanie Sargnagl in ihrem Film – für den er den Soundtrack komponierte – vor der Kamera, spielte in einem Tatort mit, war im Film „Another Coin for the Merry-go-Round“ in einer Hauptrolle zu sehen und drehte mit dem preisgekrönten Regisseur Adrian Goiginger den Film „Rickerl“, der heuer in die Kinos kommen soll. Und kurz vor Weihnachten hat er noch seine neue, ausgezeichnete CD herausgebracht. Mit der "freizeit"  traf sich der Vielbeschäftigte zum Interview.

Voodoo, wie schaffst du das alles? Bei deinem Output musst du ja ein echtes Arbeitstier sein.
(lacht) Na ja, eigentlich hält sich das schon in Grenzen mit dem Arbeitstier. Aber ja, es ist ein bissl was z’sammkommen, war ja auch viel Zeit, die wir alle g’habt haben.
Da hast du die Zeit der Besinnung während der diversen Lockdowns also kreativ genutzt?
Na ja, so einfach war das auch nicht. Ich bin nicht so, dass ich sag „super, jetzt bin ich den ganzen Tag zuhaus, da kann ich ja richtig kreativ werden!“ Das war schon eine echte Qual. Ich hab dann wieder zu malen begonnen, weil ich das auch gerne mach, so als Ausgleich. Aber mir hat die direkte Kommunikation schon sehr gefehlt, der Beisl-Besuch, das Reden, Schauen ...

Voodoo Jürgens und Andreas Bovelino. Auf ein Plauscherl im Weidinger

©Kurier/Gilbert Novy
Was waren deine Ziele – oder auch Träume – als du angefangen hast, Musik zu machen?
Man denkt sich natürlich immer, wenn man mit einer Band anfängt, dass es cool wäre, wenn's läuft, wenn man vielleicht sogar davon leben kann. Aber ich hatte damals keinen Businessplan oder so etwas. Ich hab mir auch nicht vorgestellt, wie’s ist, Interviews zu machen. Abends in Beisln meine Musik zu machen, darum ging’s. Also ja, irgendwie bin ich da reingeschlittert.
Du scheinst ganz gerne mit dem Gedanken „was wäre wenn?“ zu spielen.
Ja, ist doch auch spannend. Ich hab mir das wirklich überlegt. Was wäre aus mir geworden, wenn ich die Konditorlehre fertig gemacht hätte. Wenn ich zum Bundesheer statt zum Zivildienst gegangen wäre. Es gab ja auch einige Menschen, die mich unbedingt dazu bringen wollten, Konditor zu bleiben, weil's doch blöd ist, so etwas im dritten Lehrjahr, kurz vorm Fertigwerden, abzubrechen..
Daraus ist dein Song „Zuckerbäcker“ entstanden, richtig?
Genau, es  ist mir damals in der Lehre einfach nicht mehr gut gegangen. Ich wollte nicht mehr. Und im Endeffekt war es auch die richtige Entscheidung, was man damals aber nicht wissen konnte. Und in dem Song spinne ich eben ein alternatives Leben weiter. Ich werd Konditor, geh dann zum Bundesheer, lerne andere Menschen kennen, bleibe Konditor, singe nur nebenbei, gründe eine Familie. Zu was für einem Menschen entwickle ich mich da?
Wie autobiografisch sollen Songs eigentlich sein?
Sollen gar nicht, da ist wahrscheinlich jeder Songwriter anders. Bei mir ist schon oft etwas Autobiografisches dabei, was ich selbst erlebt hab, davon kann ich halt auch am meisten wiedergeben. Und meiner Erfahrung nach, spiegelt sich das Leben anderer auch oft in dem, was man selbst erlebt – also man findet sich darin wieder. Es wird zum Erlebnis anderer, die sich darin sehen. Das finde ich selbst sehr schön, wenn das funktioniert, wenn mir wer sagt, „ja, genau das hab ich auch gedacht oder erlebt“.
Aber das funktioniert auch in die Richtung, dass du dich in  andere Menschen reinversetzt, die du beobachtest, oder?
Ja, das stimmt. Aber ein Teil bin ich selbst, das war mir immer wichtig, weil ich es dann legitimer finde, andere Menschen da mit reinzuziehen. Also wenn man zu sich selbst schonungslos ist, dann darf man das auch anderen gegenüber sein ... (lacht) Wobei ich nie jemanden komplett ausstellen will. Ich vermische verschiedene Wahrheiten.
 Eine deiner ganz großen Stärken ist ja, dass du im sehr kompakten Songformat komplexe Storys erzählen kannst. Hast du nie daran gedacht, daraus einen richtig großen Bogen zu spannen?
Ich fürchte, das liegt mir gar nicht so. Ich hatte auch schon  Angebote, einen Roman zu schreiben, aber das ist derweil nicht mein Format. Da fehlt mir vielleicht die Ruhe.
Ich dachte eigentlich auch eher an ein großes musikalisches Stück. Ein Wiener Musical, eine Operette, ein Singspiel, egal, wie man es jetzt nennen will.
Was ich tatsächlich interessant finden würde, wäre Hörspiele mit musikalischen Elementen zu machen. Da hab ich auch schon konkret drüber nachgedacht. Also ja, das kann schon sein, dass es mal passiert. Gerade WEIL man das heute eigentlich nicht mehr macht.
Wobei du mittlerweile auch im Film richtig zuhause bist. Nämlich als Schauspieler.
Das hat sich auch so irgendwie ergeben. Also für den Film „Sargnagel“ hab ich ja die Musik geschrieben und hatte dann auch ein paar Szenen. Und in „Another Coin for the Merry-go-Round“ war's dann doch eine größere Rolle.
Und heuer kommen nochmal zwei Filme mit dir ins Kino?
Ja, drei eigentlich. „Rickerl“ von Adrian Goiginger. Eine griechische Produktion, „Animal“, und der Debüt-Film einer jungen Regisseurin,  Katharina Huber.
Goiginger ist ja einer der totalen Shootingstars der Filmszene. Wie seid ihr zusammengekommen?
Kurz nachdem er „Die schönste aller Welten“ gedreht hat. Da hat er meine erste Platte gehört und gemeint, er hätte die Musik gern für seinen Film verwendet. Wir sind so ins Gespräch gekommen und haben gemeinsam ein Drehbuch entwickelt. Ursprünglich wollte er die Lieder der ersten Platte zu einem Film verweben, aber davon sind wir dann doch abgekommen, und es hat sich etwas sehr Schönes, Neues entwickelt.
Bei einigen deiner Musiker-Kollegen ging der Ausflug in die Film-Branche ja auch gehörig daneben.
Ja, das war mir schon bewusst, dass manche vielleicht denken, „jetzt macht er sich da auch noch wichtig“ und darauf warten, dass ich vielleicht auf die Nase fall. Aber so ein bissl muss man auf diese Dinge dann auch scheißen ... Wenn du's gern machst, dann nimmst du auch das Risiko in Kauf, dass du einfahren könntest.
Voodoo Jürgens

Voodoo Jürgens

Der Musiker und Schauspieler wurde am 2. August 1983 als David Öllerer in Tulln geboren. Nach der Pflichtschule machte er eine Konditor-Lehre, die er kurz vor dem Abschluss abbrach, um mit seiner Garagen-Rockband „Eternias“ Musik zu machen. Der Durchbruch gelang ihm allerdings erst 2016 als Dialekt-Songwriter mit der CD „Ansa Woar“.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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