Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl

Suchrätsel: Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe

Sie schlendert und schaut – er schlendert, schaut aber nicht, sondern sucht Auswege. So wird der gemeinsame Stadtbummel zur Schnitzeljagd: Wo ist er nur, der Mann?

von Gabriele Kuhn & Michael Hufnagl

Sie

Wenn Männer verschwinden, hat das auch Vorteile, etwa beim Bummel durch die Straßen der Stadt. Ich bin immer erleichtert, wenn sich der Mann gegenüber von meinem Arm löst und beginnt, eigenständig zu gehen. Oder sich, auf einer Bank sitzend, ins Smartphone und darin verborgene Sportergebnisse vertieft. Und während er sich still beschäftigt, kann ich endlich tiefenentspannt tun, was mir gefällt: zum Beispiel Schaufenster betrachten, ohne dass einer murrt Gemma endlich weiter?

Käse und Schwäne

Null Klischeealarm, ich gehöre nicht zur Fraktion "Shoppen, bis der Bankberater kommt", doch ich staune gerne (auch über Schwäne, Straßenmusikanten, Käsevitrinen), außerdem bin ich ein Fan gehobener Schaufenster-Ästhetik. Während er den meditativen Anblick von Schuhen, Schmuck oder getrüffeltem Schimmelkäse als etwas empfindet, das sich mit folgenden Worten umreißen lässt: Wer braucht den Krempel, bitte? Oft ist es aber so, dass er mir entwischt, ohne, dass es einen akuten Grund dafür gäbe – weit und breit kein Konsumartikel in Sicht. Er verschwindet im Museum, bei Festen oder Restaurantbesuchen. Kaum drehe ich mich um, ist er auch schon weg und ich stehe alleine da.

Einst dachte ich mir, ich müsse ausharren, damit wir wieder zueinanderfinden. Welch ein Stress, oft dauerte es bis zu seiner Rückkehr – vom Klo oder von der zufälligen Begegnung mit einem Schulkollegen, bei der ausufernd über Betragensnoten anno 1986 geplauscht wurde. Und ja, manchmal erwog ich, ihn ausrufen zu lassen: "Der Herr Hufnagl möge bitte zum Eingang kommen, dort wartet die Frau." Doch Leben ist Veränderung, also mache ich es heute anders: Ich gehe einfach weiter, tu so, als wäre ich solo und genieße Zeit mit mir. Zumal ich weiß, dass wir immer wieder zusammenfinden, selbst im Bauch eines großen spanischen Stadions, aufgrund dringender Fanshop-Faszination, oder in diesem Wald mit der Knusperhexe.

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Wenn ich mit Herrn Gustav eine Runde drehe, ist die Mission klar definiert: Er schaut, schnofelt, hebt das Haxerl, freut sich über Begegnungen mit anderen Hunden, schnuppert, wedelt, dreht sich im Kreis … und mein Rhythmus ist Gehen-Stehen-Gehen-Stehen. Das nehme ich gleichmütig lächelnd zur Kenntnis. Es ist seine Zeit, und ich gehorche wohl wissend einer inneren Ausrichtung. Würde also meine Frau vor einem Stadtbesuch sagen, ich möge mich bitte auf ein episches Bummeln einstellen, als wäre sie gerichtlich beeidete Sachverständige für Schaufenster-Arrangements, dann hätte ich die Wahl zwischen Verweigerung und Akzeptanz.

Als williger Begleiter könnte ich jedenfalls zuvor noch in meiner Mantra-Sammlung blättern, um mich meditativ zu justieren. Stattdessen weicht sie vom ausgemachten Plan, zügig von A nach B zu gelangen, bereits nach sieben Schritten ab, weil sie in einer Auslage ein völlig verrücktes Outfit entdeckt. Es folgt 1. Hahaha, stell dir vor, ich würde das zur Weihnachtsfeier anziehen. 2. Bitte, was kostet der Fetzen? 3. Welcher Mensch kauft so etwas?

Oh und Ui

Dieses sogenannte Staunen wiederholt sich nach 13, nach 19, nach 28, nach 31 Schritten (Schau, der lustige Hut, der protzige Ring, das schiache Porzellan, die sauteuren Cremen) … usw. Bis ich mein stets mitgeführtes, aber viel zu kleines Mantra-Repertoire verbraucht habe und die zappelige Zermürbung nicht mehr hinter einem "Oh" und "Ui" und "Wow" und "Mhm" verstecken kann.

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Die Strategie einer Zurechtweisung ("eh super, aber jetzt schau’ ma, dass wir weiterkommen") hatte in der Vergangenheit jedoch nur selten den Effekt von Einsicht. Sondern erzeugte eher Trotz auf offener Straße: Jetzt lass mich, wenn ich schon einmal in der Stadt bin, du Hudel-Heini. Und so entwickelte sich irgendwann das gelegentlich leise Absentieren. Wir gehen quasi gemeinsam getrennte Wege. Verlässlich friktionsfrei. Und mit der Garantie auf Wiedersehensfreude.

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