Guter Sex? Dann Schluss mit alten Rollenbildern!

Macht, Matratzen, Missverständnisse: Wie manche Klischees Sex und Gefühle verkomplizieren – und warum es so wichtig ist, sich selbst zu kennen.

Der Business-Lunch war schlecht, der Tag war zäh – statt einer engagierten Nummer will er einfach nur eine Runde mit seiner Liebsten kuscheln und sich ausweinen. Wäre da nicht diese innere Stimme im Hinterkopf, die raunt: „Hey, du Weichei, zusammenreißen! Ein richtiger Mann zeigt keine Gefühle.“ Oder es steht jemand auf ein bisschen Dominanz im Schlafzimmer, während das innere Weltbild zur Ordnung ruft: „Frauen gehören aufs Podest, aber nicht in Handschellen.“

Was passiert, wenn sich der Wunsch nach Zärtlichkeit mit inneren Glaubenssätzen kreuzt – etwa, dass „der Mann das Sagen haben soll? Oder wenn Menschen sich nach Nähe sehnen, aber gleichzeitig Mauern hochziehen, sobald es ernst wird? Sagen wir so: Es ist kompliziert, wie eine neue kanadische Studie zeigt. Sie hat sich dieses emotionalen Kuddelmuddels angenommen. Und nein, es geht dabei nicht um Fifty Shades of irgendwas, sondern um ganz „normale“ Menschen in Sexualtherapie, die sich in Bezug auf ihre Beziehungen fragen: Was genau ist mit mir eigentlich?

Die Forscherin Roxanne Bolduc und ihr Team haben 325 Personen befragt und dabei drei Beziehungstypen identifiziert, die ein bissl wie Figuren aus einer Netflix-Serie klingen: Typus 1 könnte man dominante Stereotypen-Denker nennen (meist Männer, jawohl). Maskulinosis also, die stets die Zügel in der Hand halten wollen – auch im Bett, no-na. Aber: Sie glauben an traditionelle und moderne Rollenbilder; Motto: „Frauen sollen von mir aus ruhig Karriere machen, solange sie abends pünktlich die selbst gemachte Lasagne servieren.“ 

Wer sich selbst versteht und aufhört, gegen das eigene Bauchgefühl und „So-Sein“ zu leben, hat bessere Chancen auf ein stabiles, erfülltes Miteinander. Es geht wirklich darum, im Einklang mit sich selbst zu leben, sprich: Wünsche und Überzeugungen sollten idealerweise zusammenpassen. 

Überraschenderweise klappt das für diese Kategorie ganz gut. Widersprüche scheinen sie nicht groß zu stören – vielleicht, weil sie sie verdrängen. Heikel könnte es möglicherweise werden wenn einer die Spielregeln radikal ändert. Kann vorkommen, wie man weiß. Typus 2 sind die zärtlichen Traditionsliebhaber mit dem Konflikt-Knopf im Kopf. Menschen, die an gefühlvolle Sexualität glauben und gleichzeitig an tradierten Rollenklischees festkleben. Und irgendwo dazwischen diverse Dilemmata: „Nähe, hm, ja eh, aber bitte kein großes Gefühlskino.“ Gleichberechtigung? Klingt gut, aber irgendwie fühlt es sich falsch an, wenn er den Salat macht. Ergebnis: ein innerer Spagat, samt Beziehungsmüdigkeit, Frust und Minus am Kuschelkonto. Es knirscht im Liebes-Gebälk. 

Schließlich Typus 3: Die Liebesflexitarier. Auf Augenhöhe, entspannt und ziemlich im Reinen mit sich. Klassische Rollenbilder finden sie so sexy wie Trockenshampoo, sie haben keine großen Probleme mit Nähe und sind im Bett eher Team „einmütige Erlebnisse“ statt „Machtspielchen“. Siehe da: Diese Gruppe (in der Mehrheit Frauen, auch spannend) ist am glücklichsten – in der Partnerschaft, aber auch sexuell. Jackpot, weil: wenig Drama, viel Nähe, zufrieden.

Und was heißt das praktisch? Nun – je deutlicher jemandem bewusst ist, was er oder sie will und ist, und je besser das zum eigenen Wertesystem passt, desto entspannter läuft’s im Alltag und im Schlafzimmer. Wer sich selbst versteht und aufhört, gegen das eigene Bauchgefühl und „So-Sein“ zu leben, hat bessere Chancen auf ein stabiles, erfülltes Miteinander. Es geht wirklich darum, im Einklang mit sich selbst zu leben, sprich: Wünsche und Überzeugungen sollten idealerweise zusammenpassen. Da hilft’s, sich ehrlich zu fragen: Will ich etwas, weil es mir tatsächlich entspricht – oder weil ich glaube, dass ich es so „sollte“? Wer dann auch noch bereit ist, alte Rollenbilder gegen echte Offenheit zu tauschen, gewinnt doppelt: an Nähe und an Lust.

Studie

Was wissen die Männer und Frauen über den weiblichen Körper?  Die Wissenslücken sind groß,  wie  eine repräsentative Online-Studie von Marketagent für „Bipa“ zeigt. Mehr als die Hälfte der Männer  und etwa ein Viertel  der Frauen wussten etwa nicht, wie lange ein Menstruationszyklus im Durchschnitt dauert. Manches bleibt  tabu: Rund ein Fünftel gab an, nur ungern über Inkontinenz, Sexualität und Intimität zu sprechen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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