Mann und Frau im Bett, voneinander abgewandt

Ehe ohne Sex: Warum das normaler ist, als man denkt

Ist das vielleicht nur eine Phase? Eine Sexualpädagogin klärt auf, wie normal eine sexlose Ehe sein kann und aus welchen Gründen Paare ohne Sex leben.

"Jeder weiß, es gibt keinen Sex nach der Eheschließung.“ Mit diesen Worten beschrieb Pop-Ikone Robbie Williams dieses Jahr seine Ehe. So unglaubwürdig wie ein solches Klischee aus dem Mund eines Superstars klingt, so ist doch zumindest für manche etwas Wahres dran. Die Psychologin und Sexualpädagogin Katrin Kleboth klärt auf, warum einige Paare keinen Sex haben.

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Fragt man verheiratete Paare nach ihrem Sexleben, scheinen sie zumindest teilweise die These von Robbie Williams zu bestätigen. Für eine Studie aus Großbritannien wurden insgesamt 1.900 verheiratete Personen zwischen 57 und 85 Jahren befragt, wie viel Sex sie im letzten Jahr hatten. Heraus kam, dass ganze 40 Prozent der Befragten überhaupt keinen Geschlechtsverkehr im vergangenen Jahr hatten. Diese Ergebnisse bestätigt eine andere Studie, in der man fast 18.000 Erwachsene befragte. Rund 13,5 Prozent der verheirateten Personen hatten sogar keinen Geschlechtsverkehr in den letzten fünf Jahren.

Brauchen wir einen Grund, um Sex zu haben?

Für manche Menschen ist Sex so selbstverständlich, wie morgens aufzustehen. Die Gründe für Sex sind allerdings sehr unterschiedlich. Häufiger als man denkt, geht es nicht nur darum, dass man Lust empfindet. Manche haben einfach Langeweile oder können dadurch besser einschlafen, oder sie fühlen sich durch den Geschlechtsverkehr selbstbewusster.

Und manche Menschen haben einfach keinen Grund. Beispielsweise bleibt bei asexuellen Personen die Lust aus. Laut Forschung sind es vor allem Frauen, die sich als asexuell identifizieren. Die Sexualpädagogin Katrin Kleboth würde Intimität allerdings viel weiter fassen. "Darunter sollte man nicht nur konventionellen Sex zwischen Mann und Frau verstehen, das kann auch Berührungen miteinschließen, Umarmungen oder sogar geistige Intimität." Solange beide Partner damit zufrieden sind, keinen Sex im "klassischen“ Sinne zu haben, ist das trotz gesellschaftlicher Normen eine natürliche Beziehung.

Fünf Jahre ohne Sex: Ist es nur eine Phase?

Vielleicht handelt es sich bei den meisten nur um eine Phase? Schließlich hat jede Beziehung und auch jede Ehe Höhen und Tiefen, die sogar näher zusammenbringen können. Die Frage ist doch: Möchte man als Paar die Tatsache ändern, dass man keinen Sex hat?

Laut Kleboth muss eine sexlose Partnerschaft nicht sofort bedeuten, dass man als Paar Probleme hat. Robbie Williams nennt in seinem Fall eine klare Ursache: Er hat aufgehört, Testosteron zu nehmen und schreibt diesem Umstand seinen Libido-Verlust zu. Bei anderen ist es vielleicht nicht das Absetzen von Hormonen, sondern etwas anderes. "Durch das Älterwerden per se verändert sich unser Körper. Das geht los bei der Hautelastizität, bezieht sich aber auch auf Geburten, Operationen oder andere Lebensumstände“, sagt Kleboth.

Vor allem bei Männern ist die Libido mit zunehmendem Alter ein großes Thema. "Es kann sein, dass eine bestimmte Art der Intimität für beide mit 25 Jahren gut funktioniert hat. Doch 20 Jahre später kann das ganz anders aussehen“, sagt die Sexualpädagogin. "Ich erlebe häufig, dass gerade Männer mit gesellschaftlichen Idealen wie 'In der Ehe muss ich meinen Mann stehen‘ zu kämpfen haben." Das wirkt sich dann nicht nur psychisch, sondern auch physisch aus, beispielsweise auf die Libido und Potenz.

Was kann man tun, wenn man etwas daran ändern will?

Möchten beide Personen in einer Beziehung ihr Sexleben ändern, gibt es wie so oft keine Lösung für alles. "Dazu sollte man sich selbst eine wichtige Frage beantworten: Was brauchen wir als Paar, damit es uns gut geht?“, sagt Kleboth. Vor allem nach einer längeren Zeit des Zusammenlebens kann es sein, dass sich Partner nicht mehr verbunden fühlen. Oftmals liegt es auch daran, dass sich ihre sexuellen Vorlieben mit der Zeit geändert haben.

Dabei ist es die beste Lösung, Dinge auszuprobieren. Zu viel darüber zu reden, davon rät die Sexualpädagogin ab. "Über Dinge zu reden kann zwar hilfreich sein, führt aber nicht unbedingt dazu, dass man mehr Lust hat“, meint sie. "Dadurch kann der Sex zu einer Art Auftragsarbeit werden.“ Also: Lieber Taten als Worte sprechen lassen.

Jennifer Sandhagen

Über Jennifer Sandhagen

Redakteurin bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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