Frau und Mann beim Geschlechtsverkehr

Plötzlich Porno: Wie KI die Erotikbranche verändert

Ein Gesicht im Netz reicht – den Rest erledigt die KI. Aus harmlosen Selfies wird Pornografie, ohne Drehbuch, Einwilligung oder Beteiligung der echten Person.

"Rule 34“: Das klingt erst einmal ein bisschen wie „Route 66“ – ist aber bei weitem nicht so schön. Und mittlerweile nicht ohne. „Rule 34“ ist ein Internet-Grundsatz aus dem Jahr 2003, der als Meme verbreitet wurde. Dieser lautet ungefähr so: „Alles, was im Netz kursiert, kann zu Pornografie verarbeitet werden.“ Beziehungsweise in der Übersetzung des englischen Originals („If it exists, there is porn of it – no exceptions“): „Wenn es existiert, gibt es Pornos davon – ohne Ausnahmen.“

Satire, die praktisch so aussah: Man surft nichts ahnend durchs Netz, sucht nach einem Rezept für Bananenbrot oder will kurz mal schauen, was SpongeBob treibt. Zack, plötzlich ist da eine Fan-Fiction-Seite, auf der der gelbe Schwamm Dinge tut, für die man in Bikini Bottom vermutlich lebenslanges Algenputzen verordnet bekommen hätte. Ein Date mit Rule 34: Wenn es existiert, egal, wie harmlos, herzig oder technisch es sein mag, irgendeine Person im virtuellen Multiversum hat bereits eine pornografische Version davon gezeichnet, geschrieben, animiert.

Hingegen ermöglicht KI alles: Jede noch so absurde und perverse Fantasie. Das macht das Thema so gefährlich. Vor allem für jene, die sich fröhlich in den sozialen Medien feiern – und ihr Leben dort posten, samt Videos und Fotos. 

Deepfakes-Videos mit Promis

Sie runzeln die Stirn und fragen jetzt vielleicht: „Technisch – hä?“ Ein anschauliches Beispiel dazu: Man nehme einen schlichten Staubsaugerroboter. Die Rule 34-Version davon: Eine hemmungslose Affäre zwischen zwei smarten Haushaltsgeräten mit heftigem ,Saugverlangen’. Titel: „50 Shades of Clean“. Tja, heute kann in alles Sexualität interpretiert werden – vor allem aber: in jeden. Denn was einst als „Scherz“ in Internetforen kursierte, wird heute durch das Aufkommen generativer KI wie Bildgeneratoren oder Deepfakes zur potenziellen Gefahr mit realen Konsequenzen. Ohne Einverständnis werden realistische Pornobilder oder -videos von echten Personen generiert, bevorzugt Promis. So kursieren seit Jahren KI-Pornos von Scarlett Johansson oder Emma Watson. Protest? Nutzlos. Die Dinger sind gekommen, um zu bleiben, sie verschwinden nicht mehr. Johansson sagte in einem Interview dazu: „Das Internet ist ein schwarzes Loch für meine Rechte am eigenen Bild.“

Zunehmend sind davon auch Privatpersonen betroffen, vor allem Frauen, leider auch Minderjährige. Laut einem Bericht von Sensity AI aus 2021 stellen zwischen 90 und 95 Prozent aller Deepfake-Videos nicht-einvernehmliche pornografische Inhalte dar, meist mit weiblichen Darstellern. Das Dilemma: KI entwickelt sich so rasant, dass die Rechtsprechung hinterherhinkt. Schutz und Hilfe für Betroffene? Nach wie vor Mission Impossible. Hingegen ermöglicht KI alles: Jede noch so absurde und perverse Fantasie. Das macht das Thema so gefährlich. Vor allem für jene, die sich fröhlich in den sozialen Medien feiern – und ihr Leben dort posten, samt Videos und Fotos. 

Etwas, das kulturell völlig normal geworden ist: Man zeigt sich eben – sehen und gesehen werden. Die Frage ist nur: Wo landet all das womöglich? Denn damit stellt jeder sein Gesicht zur Verfügung, frei für jede Porno-Projektion. Doch nach wie vor halten die meisten Menschen Deepfakes für etwas, das nur in Hollywood und Politikern passiert. Daher nein: Die große Mehrheit ist dafür null sensibilisiert und nicht informiert. Die Online-Präsenz bleibt völlig normal, was mit KI daraus gemacht werden kann: Puh, hm, keine Ahnung, wurscht. Doch auch sonst hinkt man dem Thema dramatisch hinterher: technologisch, gesellschaftlich, juristisch. Trotz realer Bedrohung. Und so gilt mittlerweile Rule 34, das Update: „Wenn es existiert, gibt’s Pornos davon – dank KI gilt das jetzt auch für jedes Insta-Profilbild.“ Willkommen im Zeitalter der künstlich intelligenten Grenzüberschreitung.

KI und Profi-Pornos

Künstliche Intelligenz verändert auch die Erwachsenen-Unterhaltungsbranche grundlegend, wie eine neue Studie, veröffentlicht im Fachjournal „Archives of Sexual Behavior“, zeigt. Sie untersuchte systematisch Webseiten, auf denen Nutzer KI-generierte Pornografie selbst herstellen können. Das ermöglicht, Inhalte nach eigenen Vorlieben zu gestalten oder solche, die realen Personen ähneln. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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