
"Orgien, wir wollen Orgien": Gruppensexfantasien einst und heute
Die Lust am erotischen Rudelglück ist nichts Neues – ein Streifzug durch die Geschichte des Gruppensex.
Na gut, dann gibt es also jetzt auch einen Kurs für „richtigen“ Gruppensex. Konkreter: einen „Sex-Education-Kurs“. Das aber nicht an der nahen Volkshochschule des Vertrauens, sondern – naturgemäß – bei „Deutschlands führender Erotik-Community“ namens „Joyclub“. In der PR-Aussendung erfährt man von einem zehnteiligen Format, das Interessierte gleitend von der vagen Sehnsucht in die konkrete Praxis führen möchte. Daraus entstand ein Format mit dem Titel „Gruppensex-Guide: Teamwork, Baby“. Immerhin gilt es einiges zu überlegen, wer en gros statt en détail vögeln möchte – von Safer Sex über Konsens bis Eifersucht. Und da wäre freilich auch noch Organisatorisches zu meistern: Wo nehmen wir einander denn – in der einsehbaren Mietwohnung mit Innenhofbalkon oder doch lieber in den Räumlichkeiten eines Swinger-Clubs (um nur einige Beispiele zu nennen)? Auf den ersten Blick hat das etwas Exotisches: der Gruppen-Sexler, die eher seltene Spezies, aber genau deshalb so spannend.
Da lohnt es sich nachzufragen: Was treiben die eigentlich so? Was treibt sie an? Dabei sind gepflegte Orgien gar nicht so selten, die Menschen reden halt nicht im Supermarkt, Büro oder in der Bim darüber, eher gilt: genießen und schweigen. Fakt ist: Das Interesse dafür ist groß, wie eine „Joyclub“-Umfrage von 4.000 Menschen zeigt. 64,9 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer gaben an, ihre Gruppensexfantasien bereits umgesetzt zu haben. Nur die wenigsten lehnen dies ausdrücklich ab, etwas mehr Frauen als Männer.
Die Bacchanalien inkludierten nicht nur diverse Rauschmittel, sondern maximale Zügellosigkeit – und entwickelten sich zu entfesselten Massenorgien. Irgendwann war’s dem römischen Senat zu viel, Tausende Orgienteilnehmer wurden hingerichtet.
Ein kollektives Vergnügen, das allerdings nicht immer Zustimmung findet. Kritische Betrachter zücken da gerne die Bonobo-Karte. Sie wissen schon: jene Affen, die in jeder Lebenslage bumsen, um Konflikte zu vermeiden oder für Gruppenzusammenhalt zu sorgen. Oft auch nur, weil es fad ist oder sich Frau und Herr Afferl entspannen wollen. Anders und vor allem positiv betrachtet: Egoismus existiert bei den Bonobos ebenso nicht wie sexueller Geiz, dafür sind alle maximal gechillt und zufrieden.
Außerdem: So neu ist das Konzept „Orgie“ auch wieder nicht. Im alten Griechenland wurden Dionysien abgehalten: Feste zu Ehren des Gottes Dionysos, dem Gott des Weins, der Ekstase und Fruchtbarkeit – samt ekstatischer Zustände und körperlicher Entgrenzung. Im antiken Rom war man diesbezüglich auch nicht gerade scheu, dort würfelten sich die Menschen für Bacchus zusammen, dem Pendant von Dionysos. Die Bacchanalien inkludierten nicht nur diverse Rauschmittel, sondern maximale Zügellosigkeit – und entwickelten sich zu entfesselten Massenorgien. Irgendwann war’s dem römischen Senat zu viel, Tausende Orgienteilnehmer wurden hingerichtet. Doch selbst bei Asterix dürstete man nach Festen dieser Art: „Orgien, wir wollen Orgien“, heißt es etwa in „Asterix und der Kupferkessel“. In „Asterix bei den Schweizern“ werden die Orgien in opulenten Bildern zelebriert – vor allem kulinarischer Natur, wozu Schlemmereien wie in Auerochsfett gebratene Schweinskaldauen mit Honig, Bärenblutwurst oder gefüllte Giraffenhälse gehörten.
Und was reizt die Menschen heute daran? Das Spiel mit dem Verbotenen, das Gefühl der Entgrenzung, das Brechen gesellschaftlicher Normen, weil: Was ein bisserl unmoralisch ist, scheint extra begehrenswert. Viele Menschen suchen dabei den Kontrollverlust – und schätzen das Gefühl eines Sehens und Gesehenwerdens. Im Gruppensex-Setting jedenfalls eine Win-win-Situation: Zeigefreudige treffen auf Schaulustige – alle sind glücklich. So betrachtet könnte man durchaus sagen: Team Bonobo.
Buchtipp
Mythen, Missverständnisse und Tabus zum Thema Sex gibt es viele – vom G-Punkt über die Klitoris bis zum Orgasm Gap. Im neuen Buch „Ab ins Bett!“ (Voland & Quist) räumt die Autorin Susann Rehlein damit auf. Stattdessen geht es darum, Sex „neu zu lernen“. Und das ganz ohne erhobenen Zeigefinger – sondern als Inspiration für spielerisches Entdecken und Herumprobieren. Für Paare, die sich neu erfahren wollen.
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