Was Internet-Pornografie mit dem männlichen Gehirn macht
Eine neue Studie zeigt, dass die intensiven sexuellen Bilder stärkere Belohnungsreize auslösen als Gaming.
Der Reiz ist groß, der Reiz ist mächtig. Was Internet-Pornografie alles mit dem männlichen Gehirn anstellen kann, zeigt nun eine neue Studie, die im Magazin "Human Brain Mapping" veröffentlicht wurde.
Zusammenfassend schaut das so aus: Pornografische Reize lösen stärkere Belohnungsreaktionen im Gehirn gesunder Männer aus als Gaming-Reize. Beides, der Konsum von Pornos und Gaming im Netz, gehört zu den häufigsten Aktivitäten, die mit Internetsucht in Verbindung gebracht werden, doch vieles, was sich dabei auf neuronaler Ebene im Gehirn abspielt, wird immer noch nicht verstanden.
Nun wurde also einmal mehr deutlich, dass pornografische Stimuli einen höheren Belohnungswert haben, im Vergleich zu monetären und Gaming-Reizen. Nicht nur: Auch die Konditionierung im Sinne des Reiz-Reaktions-Musters ist um einiges deutlicher. Das ist nicht nix, vor allem aber keine Randerscheinung mehr – Pornografiekonsum gilt als Alltagsphänomen. Er findet im Büro, am Firmenlaptop, genauso statt wie am Herrenklo, per Smartphone. Untertags, nachts – und vielfach heimlich.
Laut Umfragen konsumiert beinahe jeder Zweite gelegentlich oder regelmäßig Pornografie, drei Viertel der Nutzer sind männlich. Begierde auf den ersten Blick: der Erstkontakt findet meist schon im Teenageralter statt, mitunter sogar früher. Erst ist man neugierig und aufgeregt, es geht ums "dabei sein". Später dienen Pornos zur Ablenkung, zum Stressabbau, der Belohnung. Der eine isst Schokolade, der andere schaut sich harte Blowjob-Szenen an.
Das alles wäre kein Grund, den Konsum pauschal zu verdammen, doch die Stimuli, die die leicht verfügbaren, intensiv erregenden Bilder auslösen, haben es in sich. Genug ist sehr schnell nicht mehr genug. Auch wegen der "supernormalen Reize", die in der Welt der Pornografie eine zentrale Rolle spielen. "Dabei geht es um den gut belegten Sachverhalt, dass Tiere, einschließlich Menschen, besonders stark auf übertriebene Reize reagieren", heißt es dazu im Buch "Sexuelle Süchte erkennen und behandeln".
Der Autor Michael Gerlach, ein Psychotherapeut, schreibt dazu, dass Pornografie meist eine gehörige Übertreibung der erotischen Wirklichkeit beinhalte und die Bilder aus einer Fülle solcher supernormalen Reize bestehen, bis hin zur sexuellen Karikatur einer verzerrten Weiblichkeit. Das führt zu Überstimulation, verbunden mit einer starken Ausschüttung des Gehirnbotenstoffs Dopamin, woran sich das Gehirn rasch gewöhnt.
Dopamin hat das Zeug, in seiner Wirkung die Vorfreude auf etwas auszulösen. In diesem Sinne motiviert es schließlich, zu handeln – in diesem Fall, den nächsten Porno anzuschauen.
Ein Teufelskreis. Also muss mehr her – und noch heftigere Szenen und Bilder. Immer öfter, reflexartig – bis zur Sucht. Das, was das reale Leben an sexuellen Reizen bietet, reicht dann nicht mehr. Der Sex mit der Partnerin? Langweilig. Öde. Und viel zu aufwendig. Pornos sind schneller, intensiver, aufgeblasener. Und stets verfügbar, das geliebte Netz ist jederzeit bereit: Mache alles! Und damit jeder Orgasmus als ultimative Lösung gegen Schmerz, Trauer, Langeweile, Stress. Macht nachdenklich.
Denn was einst so reizvoll begann, endet irgendwann in Scham, Schuld, Einsamkeit. Partnerschaften können daran zerbrechen, Nähe und Intimität sind perdu. Wer dieser Falle entrinnen will, muss das sehr, sehr wollen. Der erste, wichtigste Schritt, laut Gerlach: "Das Suchtmuster erfassen und bewerten." Nicht einfach, weil süchtige Menschen es nicht sehr schätzen, "genau hinzuschauen".
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