Reiz des Risikos: Sex im Freien oder in der Öffentlichkeit

Sex am See, Sex im Wald, Sex im Cabrio: Im Sommer steigt die Lust auf den Akt an möglichst ungewöhnlichen Orten. Ein pikanter Mix: Denn mit der Gefahr steigt die Erregung.

Bucket Lists sind angesagt und beliebt – die berühmte magische Liste mit Dingen, die jemand noch unbedingt erlebt oder getan haben möchte. Sex-Bucket-Lists gibt es naturgemäß auch, verknüpft mit der Idee, möglichst viel erotischen Thrill in ein Leben zu packen.

Sex im Freien oder an öffentlichen Plätzen gehört hier definitiv dazu, weil: schräg, verrückt, verboten. Gerade jetzt recht aktuell – ein Sommerthema, im Winterwalde eher ungemütlich. Rein juristisch betrachtet, könnte die „Sehen und Gesehen-werden-Nummer“ allerdings zu „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ führen – und das ist illegal. Abhängig davon, wie exzessiv der Koitus coram publico ausfällt, wie sehr und vor allem welche Person sich davon gestört oder irritiert fühlt, kann die Strafe durchaus saftig ausfallen. Denen, die es trotzdem auf diese Art und Weise lustig haben wollen, ist das eher wurscht. Umfragen untermauern es immer wieder: Zeigefreudiges Vögeln an ungewöhnlichen Orten ist und bleibt beliebt – viele Menschen haben eine harmlos-exhibitionistische Seite und leben sie aus. Endlich Sex am Strand, Sex im Wald und auf der Wiese, Sex im Park, Sex im Cabrio, Sex im Garten oder auf dem Balkon zwischen Blumenkisterln, Gießkanne und Paradeiserpflanzen. Oder ganz woanders, was man meist in den Medien nachlesen kann: das „liebestolle Paar“, das es auf dem Sportplatz trieb, jenes, das in einer Kathedrale erwischt wurde oder mitten auf einem Bahnhof.

Großartiger Sex lebt immer wieder vom Aspekt der Risikofreude, vom Spiel mit Grenzen. Dann verschwinden die Sorgen über das, was passieren könnte, hinter dem Wunsch, etwas zu erleben oder endlich einmal etwas zu tun, das Unvernunft symbolisiert. Rebellion gar. 

Sensation Seeking

Ein Kick, der vom Risiko lebt – als leichte Form des sexuellen „Sensation Seekings“ und öffentlicher Selbst-Darstellung: Man sucht die Gefährdung bewusst, das bisschen Angst wirkt erregungssteigernd und intensivierend. „Der Wunsch nach Sex, während andere zusehen oder zumindest die Möglichkeit dazu besteht, ist ein Reizmuster, das ganz viele Menschen – auch ganz viele Frauen – haben. Da geht es um Aspekte des Verruchten, des Versauten, des Verbotenen … Das wird als erregend empfunden, das turnt an, steigert die Lust, Erregung und Geilheit“, heißt es dazu im Buch „Sex im Kopf“ von Gerhard Haase-Hindenberg. Großartiger Sex lebt immer wieder vom Aspekt der Risikofreude, vom Spiel mit Grenzen. Dann verschwinden die Sorgen über das, was passieren könnte, hinter dem Wunsch, etwas zu erleben oder endlich einmal etwas zu tun, das Unvernunft symbolisiert. Rebellion gar. Und manchmal geht es einfach nimmer anders – im Sinne von: die Magie des Augenblicks. Jetzt wird’s dringend. Carpe diem. Da sind zwei, die akut vögeln wollen – jetzt oder nie. Je erregter, desto unvernünftiger, je unvernünftiger, desto aphrodisierender. Diese perfekt-prickelnde Mischung aus Angst und Lust, die „öffentlichen Sex“ erst so richtig spannend macht. Das lebt von der Ambivalenz aus Faszination und Angst, eine explosive Mischung, die es in sich hat.

Und ja, intensive Begierde verändert natürlich auch das Gehirn, das kann manchmal den berühmten Tunnelblick erzeugen, mit ultimativem Fokus auf: Ficken, pronto! Mögliche Konsequenzen werden ausgeblendet, der Verstand meldet sich erst wieder danach. Im besten Fall bleibt die Katerstimmung aus und die Polizei fern. Und manchmal ist da einfach nur dieses herrliche Empfinden absoluter Gegenwärtigkeit, als würde sich die Zeit verdichten, als blieben die Zeiger der Uhr stehen. Dann muss, was muss, ohne ein Wenn, ohne ein Aber. Frauen und Männer sind in solchen besonderen Momenten nicht mehr Personen in einer Situation, sondern die Situation selbst. Flow vom Feinsten.

Mal so, mal so

 „Heteroflexibel“: So heißt das, wenn sich Heterosexuelle auch von gleichgeschlechtlichen Partnern angezogen fühlen. Kommt relativ oft vor, wie eine neue Umfrage unter 1.043 Teilnehmern der psychologischen Partnervermittlung gleichklang.de zeigte. Mehr als jede dritte heterosexuelle Frau und jeder sechste Mann ist heteroflexibel. Frauen sind also offener für gleichgeschlechtliche sexuelle Anziehung.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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