Mathea Interview

Mathea im Interview: "Heute bin ich stärker als je zuvor"

Darf man sich am Ex-Freund rächen, indem man einen Song über ihn schreibt? Glaubt sie noch an die große Liebe? Die Sängerin über ihre neue Single "Du + Ich", öffentliche Debatten über ihren Körper und wie sie ihr deprimierendes Tief überstanden hat.

Sie singt wieder von Liebe und Trennung und legt dabei erneut eine erfrischend unversöhnliche Tonart an den Tag: Vom bitteren Ende einer Beziehung singt Mathea in ihrer neuen Single "Du + Ich“, der Wut, der Enttäuschung, dem Schmerz – und dem guten Gefühl, sich darob wie neu geboren zu fühlen. Dazu peitscht einem ein Techno-Bass wie aus den Neunzigern um die Ohren: ein neuer Sound der Salzburgerin. Die seit ihrem Debüthit "2x" Österreichs spannendste Popsängerin ist. Platinblond, im schwarzen Shirt und gut gelaunt kommt Mathea zum Interview. Sie grüßt aus Berlin, wo sie seit Kurzem lebt. "Mein Herz schlägt für Wien, ich liebe Österreich“, sagt sie, doch der Beruf hätte den Umzug notwendig gemacht. "Ich fühle mich wohl hier, habe mich schnell eingelebt und Freunde gefunden. Mein privater Mittelpunkt aber bleibt Österreich.“

Dein neuer Song „Du + ich“ ist nicht nur ein Ohrwurm, er weist auch deutlich mehr Bass und Techno-Feeling auf als sonst Songs von dir. Woher kommt der neue Bock auf Beats?
Ich bin älter geworden, habe mich weiterentwickelt, mein Geschmack hat sich verändert. Ich wollte Musik machen, die mir selber gerade zu hundert Prozent gefällt. Und das Ergebnis ist irgendwie tanzbarer geworden.
Das Lied verströmt jede Menge 90er-Jahre-Feeling. Du bist in den Neunzigern geboren. Was verbindest du mit dem Jahrzehnt?
Ich bin 1998 geboren, mir blieben von den Neunzigern nur zwei Jahre. Aber ich lasse mich gern von dem Jahrzehnt inspirieren. Die Fashionwelt ist dem Y2K-Hype verfallen, und es ist auch mein Stil im Moment. Anfang der Nullerjahre habe ich dann begonnen, fokussiert Musik zu hören. Diesen Einfluss kann ich nicht leugnen. Kürzlich hab ich dafür sogar extra meinen alten iPod aktiviert.
Witzig und paradox am Retro-Comeback der 90er ist ja, dass sie für die Freiheiten, die man damals hatte, gefeiert werden. Gleichzeitig schimpft man auf sie, weil Dinge gesagt wurden, die man heute nicht mehr so sagen sollte.
Ich glaube, das sind zwei verschiedene Dinge. Auf der einen Seite die Kunst, die damals entstanden ist und sich manchmal als zeitlos erwiesen hat. Auf der anderen die Welt, die sich seitdem weitergedreht hat. Viele Leute haben dazugelernt, andere mussten es.
„Du + ich“, das klingt nach Liebesschnulze, ist aber eine beinharte Abrechnung mit dem Ex.
Der Song handelt vom Loslassen. Über was ich singe, habe ich selbst erlebt. Es geht zwar um einen Break-up, aber der Text soll in erster Linie ermutigen. Meine doch auch vielen weiblichen Fans sollen sich bestärkt fühlen, wenn sie den Schritt gewagt haben, sich von altem Ballast zu  befreien. Und ready sein für den Hot Girl Summer.
Erinnerst du dich noch, welches Erlebnis und Gefühl verantwortlich dafür war, dass dich den Song schreiben ließ? 
Es war eine Befreiung von einer toxischen Beziehung. Danach war ich bereit für einen Neuanfang. Ich habe einfach all diese Gefühle gepackt und in den Song gesteckt. Er entstand sehr schnell, beinahe zufällig, als letztes der neuen Lieder. Mein Team und ich chillten bei mir im Wohnzimmer. Plötzlich griff einer zur Gitarre und wir begannen zu jammen, was sonst gar nicht mein Style ist. Da konnte ich plötzlich alle Gefühle ungefiltert rauslassen. Ohne viel zu überlegen. Deshalb auch die Schimpfwörter im Song. Das hat unendlich gutgetan.
Brutale Ehrlichkeit, so wie du es magst, oder?
Auf jeden Fall. Mein Sound mag sich verändert haben, aber in meinen Texten bleibe ich sehr ehrlich – wenn nicht sogar zu ehrlich. Schon bei meinem ersten Hit „2x“ habe ich alles ausgeplaudert, was privat war. Im Nachhinein war mir das ein bisschen unangenehm. Aber das ist einfach meine Art, Kunst zu machen.
Weil es nicht anders geht?
Ich habe es ja anders probiert, Songs geschrieben, die nur an der Oberfläche kratzen. Doch das hat sich gar nicht gut angefühlt. Deshalb konnte ich auch keinen davon veröffentlichen. Also habe ich das wieder umgedreht. Jetzt schreibe ich wieder, was ich denke und fühle.
Warum liegen dir Songs über Trennungen so gut?
Vielleicht weil ich in dieser Hinsicht schon ein bisschen was erlebt habe. (lacht)
Geht es in Ordnung, Rache an jemanden zu nehmen, indem man einen Song über ihn schreibt?
Ja. 100 pro. Da habe ich keine Bedenken.
Melden sich die Männer manchmal danach bei dir, über die du singst?
Manchmal ja, manchmal nein.
Glaubst du noch an die große Liebe?
Auf jeden Fall. Ich glaube an die große Liebe.
Und wie läuft dein persönlicher Hot Girl Summer 2023 bislang?
Sehr gut. Könnte sogar nicht besser laufen. Ich hatte schon Urlaub, war mit meiner Cousine und meinem Bruder auf Kreta, habe Party gemacht, gut gegessen – alles, was mein Herz begehrt. Danach war ich noch in Österreich. Ich genieße mein Leben.
Reden wir über dein Styling. Du legst viel Wert darauf, so auszusehen wie du aussiehst und überlässt nichts dem Zufall.
Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mich sehr mit Fashion zu beschäftigen. Die modische Ästhetik gehört krass zu mir als Künstlerin dazu. Ich drücke mich damit ebenso aus, wie mit meiner Musik, und schaffe dazu zusätzlich eine zweite Ebene. Das macht mir nicht nur sehr viel Spaß, sondern ist auch Teil meiner Kunst.
Auch im neuen Video trägst du coole, ausgefallene Looks wie ein Ganzkörpernetzoutfit. Kaufst du Outfits wie dieses selbst ein oder beauftragst du einen Stylisten?
Aus Zeitgründen habe ich eine Stylistin, mit der ich zusammenarbeite und die mir Sachen aussucht. Dann entscheide ich, was ich davon anziehe. Und was zu meiner Vision passt. 
Wie würdest du deinen Style beschreiben?
Ich glaube, der Begriff „edgy“ fasst es gut zusammen – also Grenzen ausreizend, auffallend, ungewöhnlich. Und auf gar keinen Fall 08/15.
Ein Outfit im Video zeigt dich in einem roten Oberteil, das praktisch einzig aus einem roten Faden zu bestehen scheint und viel nackte Haut zeigt. Hast du großen Mut benötigt, diesen Look anzuziehen und dich darin zu rekeln?
Eigentlich nein. Ich fühle mich wohl in meinem Körper. Auch das Team bei den Dreharbeiten am Set war super. Keine komischen Vibes. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Es gehört Selbstbewusstsein dazu, sich so zu exponieren. Hast du dieses Selbstbewusstsein im Laufe der Zeit entwickelt?
Auf jeden Fall. Ich bin dieses Jahr 25 geworden, I can’t believe it, selbst wenn ich mich immer noch wie 19 fühle. Aber ich habe mich weiterentwickelt, und dementsprechend ist mein Selbstbewusstsein höher und mein Selbstvertrauen auch.
Vergangenes Jahr hat dein Auftritt im blauen Bikini-Top beim Benefizkonzert für die Ukraine im Happel-Stadion für helle Aufregung gesorgt. Einige empfanden ihn als zu freizügig, was zu ziemlich dummen Headlines führte. Wie siehst du das im Rückblick?
Immer noch wie damals: als überzeichnete und lächerliche Reaktion auf diesen Auftritt. Mich hat gewundert, dass wir in der heutigen Zeit immer noch über so etwas reden müssen. Obwohl meine Kollegen genauso freizügig aufgetreten sind, wurde einzig mein Outfit als nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechend angesehen und mein weiblicher Körper als pietätlos bewertet. Klassisches Slutshaming also. Ich fand das zurückgeblieben und finde das immer noch.
Deine Oberweite führte zu aufgeregten Debatten in den Medien, das muss ein ungutes Gefühl für dich gewesen sein.
Gleichzeitig hat es mich gar nicht so sehr überrascht. Das, was ich da abbekommen habe, ist, was fast jede Frau kennt, nur vielleicht eine Nummer kleiner. Wir Frauen werden leider von Kindesbeinen an sexualisiert. Nicht was wir leisten steht im Vordergrund, sondern oft unser Aussehen und unser Körper. Diese Diskussion über meinen Auftritt war die öffentliche Version von etwas, das wir Frauen tagtäglich erleben. Ein Spiegel unserer Gesellschaft. Das sollte uns zu denken geben. Solange ich solchen Headlines ausgeliefert bin, haben wir in Österreich noch sehr viel zu lernen.
Konntest du der Aufregung auch eine gute Seite abgewinnen?
Eigentlich war ich beinahe froh darüber. So hatte ich die Gelegenheit, meinen Girls da draußen zu sagen: Zieht an, worin immer ihr euch wohlfühlt. Macht, was IHR wollt! Denn Kritik gibt es ohnehin immer. In meinen Anfängen wurde beispielsweise kritisiert, dass ich immer im Jogginganzug auftrete. Es ist ja doch nie richtig, egal, wie man’s macht.
Vor drei Jahren hattest du eine Phase, in der du erschöpft warst und dir alles zu viel wurde. Was war damals los?
Es war eine sehr stressige Zeit und ich hatte viel von meiner Energie aufgebraucht. Ich mache meine Musik mit extrem viel Leidenschaft. Dabei vergesse ich oft, auf mich als Person zu schauen. Ich hatte damals viel hinter mir: 2018 der Hit mit „2x“, dann 2019 die Vorbereitung auf mein Debütalbum und das verrückteste Jahr meines Lebens. Dann Album, dann Lockdown. Plötzlich stand die Welt still.

"Ich war einfach ausgelaugt, bin nur noch auf der Couch gelegen und hatte Anzeichen einer Depression. Lange
Zeit war mir das peinlich."

Matthea
Und du hattest Zeit, über diesen ganzen Wahnsinn gründlich nachzudenken.
Ich hatte Zeit durchzuatmen und zu realisieren, wie krass sich mein Leben verändert hat. Ich war einfach ausgelaugt, bin nur noch auf der Couch gelegen und hatte Anzeichen einer Depression. Lange habe ich niemandem davon erzählt, weil es mir peinlich war – immerhin gingen Freunde und Familie davon aus, dass ich gerade meinen Traum lebe. Das war ja auch super. Aber wenn man sich selbst dabei vernachlässigt, kann dieser Traum auch krass ins Gegenteil überschlagen. Diese Erfahrung musste ich leider machen. Gleichzeitig war sie aber auch wichtig für mich.
Wie bist du aus diesem Tief wieder rausgekommen?
Durch Therapie und professionelle Hilfe. Über meine Probleme zu reden war der erste und wichtigste Schritt, wieder gesund zu werden. Ich kann das nur empfehlen, wenn jemand in einer ähnlichen Situation steckt: sich jemandem zu öffnen. Ab da wurde es leichter. Ich konnte über meine Situation sprechen. Und bin auf viel mehr Verständnis dafür gestoßen, als ich dachte. Es war wichtig, über meine Gefühle nicht nur in Songs zu reden, sondern auch in echt. Heute bin ich stärker als je zuvor.
Mathea

Mathea, Königin des Break-Up-Songs: „Ich glaube an die große Liebe“

©bastimowka

Zur Person

Mathea wurde 1998 als Mathea Höller geboren. Nach Anfängen bei „The Voice of Germany“ war sie 2018 mit ihrer Debütsingle „2x“ Nr. 1 in Österreich. 2020 folgte ihr Album „M“. 2021 gewann sie den Amadeus. Sie gilt als meist gestreamte Sängerin Österreichs.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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