Eva Green: "Ich bin noch sehr schüchtern"

Dunkel, mysteriös, verführerisch: Eva Green ist die perfekte Femme fatale. Zumindest im Kino und jetzt im Musketier-Film „D’Artagnan“.

Wer ausprobieren möchte, wie es sich anfühlt, auf der Stelle in einen Bann gezogen zu werden, dem sei ein Treffen mit Eva Green empfohlen. Oder ihr nur zuzuhören: Tiefschwarz, geheimnisvoll und rau, wie von ganz unten im Whisky-Glas, hört ihre Stimme sich an. Und das passt: Ob als schicksalhafte Liaison James Bonds in „Casino Royale“ oder dämonische Femme fatale in „Sin City 2“ – mysteriöse Frauenrollen von dunkler Verruchtheit sind der Schauspielerin wie auf den Leib geschneidert. Auch in ihrem neuen Film „Die drei Musketiere – D'Artagnan“ kann sie wieder ihre Register ziehen. Und intrigiert im ersten Teil der neuen Roman-Adaption (der zweite folgt im Dezember) als geheimnisvolle Mylady de Winter mit Kardinal Richelieu gegen den König.  Eigenschaften, die Green sich fürs Kino aufhebt. Im Gespräch ist die Französin nämlich charmant, humorvoll – und hat ihre Schüchternheit gut bewältigt. 
 

freizeit: Eva, „Die drei Musketiere“ ist ein Klassiker. Sind Sie ein Fan des Abenteurer-Genres?

Ja, weil es sehr unterhaltsam ist und lustig. Wenn man wie in diesem Fall zusätzlich gute Charaktere serviert bekommt und eine Geschichte, die einen emotional bewegt, ergibt das alles ein großes Plus. Man flüchtet in eine andere Welt und hat einfach Spaß dabei. 

Was hat Sie an der Figur der Lady de Winter besonders berührt, sodass Sie gesagt haben, diese Rolle möchte ich spielen?

Die Autoren, die sie mit einer spannenden Hintergrundgeschichte versehen  und ihr dadurch menschlichere Züge verliehen haben. Im Buch und in anderen Filmversionen war sie immer eine Art machiavellistischer Charakter – hundertprozentig böse. Jetzt ist sie verletzlicher. Das mag ich. Sie hat gute Gründe, sich so zu verhalten, wie sie es tut. Da sagte ich: JA, das will ich drehen.

Ihre Rollenwahl lässt vermuten, dass Sie eine Vorliebe für mysteriöse, dunkle Frauen pflegen.

Wenngleich ich versuche, meine Rollen zu variieren und nicht nur die Femme fatale zu spielen. Das wäre mir zu eindimensional. Aber ich spiele gerne starke Frauen. Sie müssen nur viele Facetten haben, nicht etwa nur böse um des Bösen willen sein. Charaktere, die Geheimnisse haben. Die von niemandem abhängig sind, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und tun, was sie wollen. Das finde ich cool. Und meine Figur der Mylady de Winter war schon vor mehreren Jahrhunderten so. Sie war very Avantgarde.  

Sinnlichkeit hat in all Ihren Filmen große Bedeutung. Ist die Rolle der Verführerin am reizvollsten für Sie – und am herausforderndsten?

Auf jeden Fall  sind es Rollen von starken Frauen, deren Charaktere gewisse Risse aufweisen. Die gar nicht so selbstbewusst sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Andernfalls fände ich sie zu langweilig. Es gibt etwas in ihnen, das sie zerbrechlich macht. Das sind die Rollen, zu denen ich mich hingezogen fühle.

©2022 Constantin Film Verleih GmbH
Der Film beinhaltet eine Menge expliziter Nacktszenen, riskant besonders für eine junge Schauspielerin. Hatten Sie gar keine Vorbehalte oder Angst, das zu drehen?

Es ist lustig sich daran zu erinnern, denn ich war damals sehr schüchtern. Bin es immer noch. Aber ich war ein großer Fan von „Der letzte Tango in Paris“ (erotischer Skandalfilm von Bertolucci, Anm.), hatte ein riesiges Filmposter davon in meinem Schlafzimmer. Ich wusste, dass Bernardo für sein Spiel mit Sinnlichkeit und Sexualität bekannt war. Als wir drehten, war ich, glaube ich, in einer Art Überlebensmodus, einer Art Selbstverleugnung. Ich redete mir ein, das alles hätte gar keine sexuelle Wirkung. So sah ich es damals, als mich die Journalisten beim Filmfestival in Venedig erstmals darauf ansprachen, und so sehe ich es bis heute. Ja, es geht ziemlich explizit zu in diesem Film. Aber in erster Linie ist es die schöne Liebesgeschichte dreier Menschen. Sexualität ist einfach ein Teil davon.


Schüchtern sein und gleichzeitig Schauspielerin, ist das nicht ungewöhnlich?

Es gibt einige Schauspielerinnen, die sehr schüchtern sind. Ich weiß, das ist paradox. Auch bei mir. Es ist verrückt, wie introvertiert ich bin – und dann stelle ich mich einfach nackt vor all diesen Leuten hin. Oder halte eine große Rede. Ich weiß auch nicht. Es ist ziemlich absurd. Vielleicht bin ich ja schizophren. (lacht)

Hat sich das gebessert?

Es wurde im Laufe der Jahre besser. Doch besonders als ich jung war, war es ein  großes Handicap, dass ich so schüchtern war. Ich war nicht in der Lage, in der Öffentlichkeit zu sprechen – oder gar Interviews zu geben! Vor Interviews bekam ich immer Panikattacken. Es ist immer noch nicht meine Lieblingsübung, aber ich komme heute besser damit zurecht. Es ist ein Spiel. 


Ihre Mutter Marlène Jobert ist ein großer Filmstar. Wie sehr hat Sie das geprägt?

Sie war anfangs sehr besorgt, als ich es wagte, ihr zu gestehen, dass ich eine Schauspielerin werden möchte. Sie meinte, du bist so zerbrechlich, bist du sicher, dass du diesen verrückten Job machen willst? Aber seither hat sie mich sehr unterstützt. Es ist ein harter Beruf, besonders wenn du so verletzlich bist. Man muss viel mit Ablehnung zurechtkommen, es ist eine einzige Achterbahnfahrt. Aber sie ist immer sehr hilfsbereit und steht mir immer noch mit Ratschlägen zur Seite. Sie ist mein Schutzengel. 


Erinnern Sie sich an einen besonderen Rat, den sie Ihnen gegeben hat?

Sich nicht zu viele Sorgen zu machen. (lacht) Und dem Partner in einer Szene immer gut zuzuhören. Zuhören ist der Schlüssel dafür, wie man selbst reagiert. 


Welche Eigenschaften haben Sie mit Ihrer Mutter gemein? Was unterscheidet Sie?

Meine Mutter ist so instinktgeleitet. Ich dagegen bin viel verkopfter. Darauf bin ich eifersüchtig! Sie ist wie ein kleiner Vogel, ganz im Moment. Ich wünschte, ich wäre so. Ich liebe sie. Und ich liebe es, mir ihre Filme anzusehen. Sie war Teil der goldenen Ära des französischen Films. 


 

Sie müssen eine innere Spannung aufweisen.

Ja, ich liebe es, meine Komfortzone zu verlassen. Und ich mag es, Leute darzustellen, die ich zuvor noch nie gespielt habe. Wie etwa eine amerikanische Soldatin, was in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung war. Man hat Angst, als Betrügerin entlarvt zu werden. Andererseits, wissen Sie, wenn eine Filmrolle einem kein Adrenalin gibt, dann ist das nie ein gutes Zeichen.


Lieben Sie das Risiko, das Sie mit jeder neuen Rolle eingehen?

Schauspieler müssen Risiken eingehen. Passiert das nicht, wird es schwierig. Wenn man es sich zu lange bequem macht, wird es gefährlich. Man muss sich ständig selbst herausfordern.


Sie haben mit großen Regisseuren gedreht. Wie erinnern Sie sich an „Die Träumer“ für den Regie-Großmeister Bernardo Bertolucci?

Es war mein erster Film, eine wunderbare Erinnerung. Alles war so perfekt damals. Es herrschte eine solche Harmonie am Set. Wir waren es gewohnt, unsere Zeit mit Bernardo zu verbringen, waren zu Gast in seinem Haus. Er behandelte uns wie seine Kinder, erzählte uns Geschichten über Musik und Filme aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Wir fühlten uns sehr privilegiert. Es ist eine der schönsten Erinnerungen meiner Laufbahn. Wenn man mit einem Film wie diesem beginnt, ist man sehr verwöhnt.


Sorgen macht sie sich keine mehr um Sie.

Sie ist eine Mutter, sie macht sich immer Sorgen. Aber sie ist auch sehr stolz auf mich, extrem unterstützend und sehr liebevoll. Sie ist eine sehr starke Frau.  


Das Talent scheint bei Ihnen in der Familie zu liegen – lauter Künstler.

Seltsam, oder? Es liegt uns wohl im Blut. Sie kommen aus Wien? Das ist witzig, denn meine Tante, die Schauspielerin Marika Green und Christian Berger, Kameramann von Michael Haneke leben da. Ich war selbst ein paar Mal in Wien, und auch in Innsbruck. 


Wie hat es Ihnen in Österreich gefallen?

Es ist so schön! Und die Landschaft ist magisch. Es liegt wohl nicht daran, dass mein Vater Schwede ist, aber mich zieht es immer in die Berge und in den Norden. Österreich, Norwegen, Schweden: So unterschiedlich diese Länder sein mögen, sie haben etwas, das mich unwiderstehlich anzieht. Ich kann es nicht erklären. Der Norden hat etwas Mysteriöses und er zieht mich an.


Sie spielen in „D’Artagnan“ mit Vincent Cassel. Als Sie ihn erstmals  trafen, hatte er ein Foto seines Schauspieler-Vaters und Ihrer Mutter dabei, um das Eis zu brechen. Wie war die Begegnung für Sie?

Wir trafen uns in einem Hotel. Es hat eine große Ironie, dass sein Vater und meine Mutter vor langer Zeit zusammen in einem Theaterstück spielten. Und dass jetzt ihre Kinder dran sind, gemeinsam vor die Kamera zu treten. Ich fand das sehr rührend. Das Leben ist seltsam und schön.

Hatten Sie gleich einen Draht zueinander?

Ich war ziemlich eingeschüchtert, weil er extrem charismatisch ist. Was ich an ihm liebe, ist, dass er nicht den üblichen Schauspieler-Bullshit abzieht. Er ist echt. Er ist sehr geradeheraus. Er sagt, was er denkt, und das liebe ich an ihm. Und er bringt mich zu sehr zum Lachen, das ist gefährlich, er macht es einem unmöglich, keine Miene zu verziehen. Er ist einfach extrem lustig.  

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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