Tennis-Ass Sebastian Ofner

Tennis-Ass Sebastian Ofner: "Ob ich hier bleibe, liegt an mir"

Die Tennis-Nation Österreich hat eine neue Nummer eins: Sebastian Ofner gelang der Einzug in den elitären Kreis der besten Profis der Welt. Wie er dort hin gekommen ist, erklärt er der "freizeit" im Interview.

Der Ball muss übers Netz – Tennis ist ein einfacher Sport. Prinzipiell. Wie viel mehr dahinter steckt, erfährt schon der ambitionierte Hobby-Spieler. Und erst Recht diejenigen Profis, die in den exklusiven Club der 100 besten Tennisspieler der Welt aufgenommen werden wollen. Der Steirer Sebastian Ofner flog für viele bislang unter dem Radar – jetzt hat er es geschafft. Er liegt auf Platz 69 der Weltrangliste und ist damit vor Dominic Thiem der beste österreichische Tennisspieler.

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Die "freizeit" erreichte ihn während eines Rasen-Turniers in Frankreich und sprach mit ihm über die harte Welt der unteren Tennis-Ligen, den Weg nach oben – und die Einsamkeit auf dem Platz.

Herr Ofner, Gratulation zu den jüngsten Erfolgen. Wie erklären Sie sich Ihren plötzlichen Lauf?
Es sind sehr oft nur Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben. Die ausreichen, um einen wirklich großen Sprung nach vorne zu machen. Die Psyche spielt hier auch eine entscheidende Rolle.
Wie darf ich das verstehen?

Es ist eigenartig, wenn's läuft, dann funktioniert vieles automatisch. In einem Spiel, aber auch über die Dauer mehrerer Turniere. Wenn dieser Flow aber gebrochen ist, klappen oft die einfachsten Dinge nicht mehr. Ganz egal, wie gut man trainiert hat. Man fällt in ein Loch ...

Wie's etwa Ihrem Kollegen Dominic Thiem gerade geht ...
Ja, aus diesem Loch kommt man auch nicht so einfach raus. Im Training geht's, und dann auf dem Platz ist es wie verhext.
Tennisspieler sind auf dem Platz ja auch, was im Sport doch ungewöhnlich ist, für wirklich lange Zeit völlig auf sich alleine gestellt. Wie lange war Ihr bisher längstes Match? 
Ja, das ist mental ungeheuer schwierig. Und das ist mit ein Grund, weshalb es im Tennis so ungeheuer hart ist, sich durchzusetzen. Mein längstes Match bisher hatte ich heuer in Paris, knapp vier Stunden gegen Fabio Fognini.
Und während der ganzen Zeit kann man sich mit niemandem austauschen, bekommt keine Tipps oder auch nur moralische Unterstützung. Die Trainer dürfen sich ja nicht bemerkbar machen, oder?
Nein, mit den Trainern können wir nicht reden, dürfen wir auch nicht. Die schauen von der Tribüne aus zu. Ich persönlich versuche, mich auf mein Spiel zu fokussieren – wie gesagt, es ist eben dieser mentale Aspekt, der Tennis zu einem derart schwierigen Sport macht.
Fängt man da nicht an, mit sich selbst zu sprechen, wenn so ein Match mehrere Stunden dauert?
(lacht) Ja, das mache ich tatsächlich. Ich glaube, die meisten Spieler tun das.
Sie haben den Durchbruch in die Top 100 der ATP-Weltrangliste geschafft, sind aktuell bester österreichischer Tennisprofi. Wie darf man sich denn den Weg dorthin vorstellen? Als Zuschauer kennt man ja eher nur die glamouröse Welt der Grand Slam-Turniere, aber ich glaube das alltägliche Tennisleben, das Sie auf den Challenger-Turnieren führen, sieht ein wenig anders aus ...
Die Welt der Challenger-Turniere ist ganz weit weg von glamourös. Die hat mit der ATP-Tour oder Grand-Slam-Turnieren, die man vom Fernsehen kennt, nichts zu tun. Vom Finanziellen her ganz klar, man lebt davon, aber man muss schon immer rechnen. Zimmer und Verpflegung müssen bezahlt werden, oft muss man auch darauf verzichten, den Trainer mitzunehmen, weil es sich sonst eben nicht ausgeht. Und natürlich die Spiele selbst. Die sind zwar durchaus hochwertig, es gibt viele gute Spieler bei den Challenger-Turnieren – aber man spielt dann eben auch in einem Finale vor gerade einmal fünf Zuschauern ... 
Eine Kulisse, wie Sie sie eben in Paris erlebt haben, muss dann ja beinahe doppelt so beeindruckend sein!
Gut, ich hab so etwas ja schon einmal erlebt, als ich 2017 in Wimbledon war, bin ich in die dritte Runde gekommen. Aber beeindruckend ist es natürlich immer wieder.
Stimmt, Sie waren gerade 21 – da hebt man doch förmlich ab, nach so einem Erfolg. Wie schwierig war es für Sie dann wieder in die Realität der Challenger-Tourniere zurückgeholt zu werden? 
Sehr schwierig. Der Erfolg kam ja quasi aus dem Nichts, und natürlich denkt man dann sofort an die Top-100, an die ganzen ATP-Turniere, die man in Zukunft spielen wird. Wenn’s dann doch nicht klappt, wird's, wie eingangs gesagt, mental doppelt schwer. Neben den Verletzungen war das sicher ein Grund, warum ich so lange in den Top-200 festgesteckt bin. 
Denkt man da nie ans Aufhören?
Nein, ich wusste ja immer, was ich kann. Und immerhin WAREN es ja die Top-200 – da muss man auch erst einmal hin. Und jetzt, mit ein wenig Verspätung, werde ich ja tatsächlich ATP-Turniere spielen. In Wimbledon profitiere ich nach meinem Finaleinzug von Ilkley von einer Wildcard und bei den US Open bin ich dann schon im Hauptfeld gesetzt. Zumindest für das nächste halbe Jahr bin ich also genau da, wo jeder Tennisspieler hin will. Ob ich hier bleibe, liegt an mir.
Lassen Sie uns kurz dorthin zurückgehen, wo jeder Tennisspieler anfängt. 2017 war Ihr erstes Profijahr?
Ja, ich hab davor Matura gemacht und war beim Bundesheer, habe dann ein paar Turniere der ITF Future Tour gespielt, das ist die niedrigste Liga, wenn man so will, im internationalen Tennissport.
Ist es nicht unüblich, dass man so relativ spät mit dem Spitzensport anfängt?
Ich war schon ab 14 im Leistungszentrum in der Südstadt – aber es war mir doch wichtig, die Schule fertig zu machen. Bis 19 kam ich so allerdings nur auf 13 oder 14 Stunden Tennis in der Woche. Das ist eigentlich zu wenig, um dann mit 20 gleich die Top-100 zu knacken.
Andere Spitzenspieler hören früher mit der Schule auf?
Ja, viele mit 15 oder 16. Und dann gibt's nur Tennis. Es ist eben ein Sport, der unheimlich viel Schlagtraining verlangt, bis die gewünschten Automatismen greifen. Aber mich so früh ausschließlich auf eine Sache zu konzentrieren, schien mir nicht richtig. Ich glaube auch heute noch, dass eine möglichst breit gefächerte Ausbildung die bessere Alternative ist. Weil man nie weiß, was die Sportler-Zukunft bringt. Eine Karriere kann ganz schnell vorbei sein.
Aber der Traum war als Teenager auch schon da, vielleicht einmal in Wimbledon oder Paris im Enspiel zu stehen? 
Ich glaube, wenn man in diesem Alter im Fernsehen die ganz Großen sieht, oder vielleicht sogar auf der Tribüne live dabei ist, dann MUSS man sich da einfach auch reinfantasieren. Das sollten einem auch weder Eltern noch Trainer ausreden.
Sebastian Ofner in Paris

Sebastian Ofner bei seinem Marathon-Match gegen Fabio Fognini in Paris

©APA/AFP/THOMAS SAMSON
Und wann fiel dann Ihre endgültige Entscheidung, wirklich Profi zu werden?
Eben in dieser Zeit nach der Matura. In dem Alter wird dir auch bewusst, was die Eltern alles in dich investiert haben. Wenn du aus normalen Verhältnissen kommst, zahlen die das alles ja nicht mit Links. Und dann will man nicht, dass sie, damit man locker Tennisspielen kann, nicht auf Urlaub fahren können. Nach der Schule kommt allmählich der Ernst ins Spiel ...
 Wie sehen Sie die Entwicklung in Österreich allgemein. Im Moment zählen wir gerade nicht zu den Top-Tennisnationen.
Das ist immer ein Auf und Ab. Schon seit Jahrzehnten. Derzeit kämpfen wir ein bisschen, aber unter den heute 16-Jährigen sind schon ein paar dabei, die uns in einigen Jahren wieder weit nach vorne bringen können. Und bis dahin werden Dominic und ich tun, was wir können.  
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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