Netzwerk-Profi Ali Rahimi: „Alleine ist man nichts“

Er knüpft die Fäden zu hoher Prominenz: Teppichhändler Ali Rahimi gilt als einer der besten Netzwerker des Landes. Wie er zu solchen Bekanntschaften kommt, welche Wünsche sie haben und welche Interior-Trends uns erwarten.

Feinfühlige Menschen spüren es sofort: Diese Räume haben eine besondere Energie. Ob es an den tausenden Teppichen liegt, die sich an den Seiten stapeln, oder aber an den Menschen, die schon in diesen vier Wänden vor ihnen standen? Tatsächlich geht hier hohe Prominenz ein und aus, von Wirtschaft bis Gesellschaft versteht Ali Rahimi seine Fäden zu knüpfen. Viel darf er darüber nicht erzählen, ein wenig verrät er aber doch, als wir ihn zum Interview treffen.

Von Sean Penn über Bill Clinton bis hin zum Heiligen Vater: Wie knüpft man als Teppichhändler die Fäden zu so einem prominenten Netzwerk?
Wenn jemand einen Teppich sucht, hat er ein Bedürfnis. Er möchte seine eigenen vier Wände einrichten, das ist etwas sehr Persönliches. Ob es der Student ist oder der Präsident. Es wird ausgesucht und normalerweise bringen wir diese Teppiche dann nach Hause zum Probieren. Da hat man die Chance, diese Persönlichkeiten von Politikern über Wirtschaftsbosse bis hin zu Schauspielern ganz privat zu erleben. Und wenn man sich nicht ganz ungeschickt anstellt, kommt es zu einem Gespräch. Man redet über alles Mögliche, so entsteht ein Näheverhältnis.
Aber wie kommt denn ein Sean Penn auf die Idee, zu Ali Rahimi nach Wien zu kommen?
Oft ist es der Zufall. Sean Penn etwa habe ich im Rahmen des Life Balls kennengelernt. Am Vorabend veranstaltete ich eine Charity mit Bill Clinton und mit diesem saß ich am Abend darauf beim Essen. Auch am Tisch: Sean Penn. Clinton erzählte vom Fest bei mir, bedankte sich und brachte ihn auf die Idee, dass wir doch für sein Haiti-Projekt zusammenarbeiten könnten. Schon hatte ich seine Handynummer.
Und wie kommt ein Ali Rahimi zu einem Bill Clinton?
Alleine ist man gar nichts. Oft kommt man über gemeinnützige Projekte zueinander, für eine gute Sache. So war es auch in diesem Fall. Sean Penn hat mich mit meiner Frau Carina dann nach Amerika eingeladen, wir waren Gäste auf seinem Fest und haben dort weitere Bekanntschaften gemacht, wie zum Beispiel die von Tim Robbins.
Beim Kontakt zu so hoher Prominenz: Wie bleibt man am Boden, oder besser gesagt auf dem Teppich?
Man sollte nicht aufgeregt sein, es sind ja auch nur Menschen, mit ähnlichen Bedürfnissen. Man sollte ihnen zuhören können, mit einem Lächeln. Und nicht gleich ein Selfie machen. Auch heraushören, was sie interessiert. Oft sind es Hilfsprojekte, die auch Herzensprojekte sind.
Ali Rahimi

Ein Mitarbeiter knüpft im ersten Stock des Geschäfts ein Loch eines Teppichs.

©KURIER / Jeff Mangione
Mit diesem Blick in die Wohnräume ist ein hohes Maß an Vertrauen verbunden, auch wenn es um den Teppich selbst geht: Welche Sonderwünsche kommen da?
Namen darf ich keine nennen, weil wir hohe Diskretion wahren wollen. Aber wir haben schon spezielle Wünsche. Ich hatte einmal ein Treffen mit einem Amerikaner, der in kurzen Hosen zu uns ins Geschäft kam. Wir haben hier rund 3.500 Teppiche lagernd. Er fragte, ob ich auch nach Italien käme, ich meinte „Ja, natürlich“. Er suchte sich viele Teppiche aus und ich dachte, wenn er so viele Exemplare wählt, dann ist er entweder ein Gauner, der uns austricksen will, oder das wird ein ziemlich gutes Geschäft. Wir sind mit den Teppichen dann zu ihm in die Toskana gefahren und landeten auf einem riesigen Anwesen, das Geld hatte er aus dem Verkauf seiner Firma. Empfohlen wurde ich ihm über einen Bekannten aus Amerika, heute sind wir Freunde.
Freunde, die manchmal nicht Käufer sind, sondern Kooperationspartner. Mit welchen Persönlichkeiten arbeiteten Sie bereits zusammen und mit welcher wünschen Sie sich das noch?
Karl Lagerfeld wäre für mich so ein Phänomen gewesen, leider ist er verstorben. Große Freude hatte ich bei der Kooperation mit Vivienne Westwood. Auch Hermann Nitsch entwarf Teppiche, die wir für 100.000 Euro pro Stück für einen guten Zweck versteigert haben. Nicht zustande kam bisher die angedachte Kooperation mit Gottfried Helnwein, da kam Corona dazwischen, gemeinsam mit Sissi Pröll für ein Hilfsprojekt. Aber das holen wir sicher nach. Wir haben auch schon einmal für den Heiligen Vater einen Teppich designt und übergeben, ein besonderes Erlebnis!
Kommen wir zu den Wohntrends. In der Modewelt sind es die Laufsteg-Looks, die ansagen, was hip ist und werden wird. Wer gibt in der Teppich- bzw. Interior-Welt den Ton für kommende Stile an?
Auf der einen Seite sind es die neuen Farben aus der Möbelwelt, die von berühmten Designern und Innenarchitekten vorgegeben werden. Auf der anderen Seite sind es die Teppichdesigner, was die Muster betrifft.
Welche Stile dominieren im Herbst und Winter unser Zuhause?
Früher gab es nur die Klassiker, üppig, dominant, florale und geometrische Muster. Es hat sich bis dahin wenig getan am Teppichmarkt, alte Muster wurden überliefert, vielleicht etwas feiner verarbeitet, aber in der Regel immer das Gleiche. In den vergangenen 20 Jahren aber, hier hat Jan Kath wesentlich dazu beigetragen, hat sich viel verändert. Er war einer der Ersten, die moderne Teppiche gemacht haben. Er hat begonnen, einen klassischen Teppich anders zu interpretieren.
Und zwar wie?
Mit der Brandtechnik zum Beispiel. Dabei geht er mit einem Bunsenbrenner über den Teppich, die Wolle verbrennt schneller, die Seide langsamer. So kommt man zu einem „Used“-Effekt. Andere schneiden dafür in die Wolle. Jan Kath hat auch begonnen, nicht alle Muster zu zeigen, sondern manche zu verdecken, er spielte mehr mit den Farben. Er war da Vorreiter, viele haben es ihm nachgemacht. Eine Zeit lang waren viele Teppiche nur grau, schlicht. Jetzt ist Grau noch immer angesagt, aber die Menschen wollen jetzt auch Farbe in Kombination dazu – in Form von Farbtupfen, etwa in Rot. Nur nicht zu viel! Eher nur angedeutet. Es geht auch um das Spiel mit verschiedenen Materialien, wie zum Beispiel Brennnessel.
Wie sieht es bei einem Ali Rahimi eigentlich zu Hause aus?
Meine Frau Carina mag das Klassische, ich hingegen liebe das Moderne. Wir haben also so einen Mischmasch, aber oft kommt es vor, dass Besucher sagen: „Ich möchte diesen Teppich haben, aber sofort!“
Klingt danach, als wäre die Wohnung eine zweite Geschäftsstelle.
Ist sie auch, außer Familiensachen verkaufen wir alles, außer meine Frau lässt es nicht zu. Mir gefällt es, dass ich ständig neu einrichte, wenn nach sechs Monaten wieder ein neuer Stil bei uns zu Hause einzieht. Außerdem sehe ich an den Reaktionen meiner Gäste, welche Teppiche funktionieren, das ist halt meine Art von Meinungsforschung.
Ali Rahimi

Tausende Teppiche liegen in der Spiegelgasse zur Besichtigung bereit.

©KURIER / Jeff Mangione
Wo bewegen wir uns preislich?
Einen schönen drei mal zwei Meter Teppich kann man schon ab 3.000 bis 4.000 Euro haben. Nach oben hin geht der Preis bei so einer Größe auch auf 200.000 Euro, wenn es reinste Seide ist. Aber es kann eben auch viel weniger sein, denn Gutes muss nicht immer absurd teuer sein. Wir haben nämlich kaum Zwischenhändler, verwenden hochwertige Materialien, produzieren Fairtrade. So macht das viel Spaß.
Bei einem solchen Kundenstock ist das Geld wohl ohnehin da. Andere können davon nur träumen.
Ja, aber es geht hier auch um das Vertrauen, hier habe ich großes Glück mit meinen Kunden, es ist stets sehr wertschätzend. Die Kinder der Kunden meines Vaters kommen inzwischen zu mir. Es geht auch nicht darum, wie teuer der Kunde einkauft, jeder Kunde ist wichtig.
Das Netzwerken wurde also in die Wiege gelegt.
Kann man so sagen, mein Vater war ein großartiger Netzwerker und hat viele Veranstaltungen gemacht, unter anderem mit Otto Schenk oder Erika Pluhar. Auch eine der größten Messen der Welt in der Wiener Hofburg stellt er auf die Beine. Da habe ich viel von ihm mitgenommen und mitbekommen. Ein gutes Netzwerk ist schön und gut, aber eine Weisheit meines Vaters war auch: einen Teppich zu verkaufen, okay. Dem gleichen Kunden einen zweiten Teppich zu verkaufen, dann bist du gut. Mir geht es also darum, Vertrauen zu gewinnen und Fehler auch zuzugeben.
An welchen Fehler erinnern Sie sich?
Ein Teppich wurde bestellt, war aber nicht einwandfrei. Der Kunde hätte es zwar nicht bemerkt, ich aber war unzufrieden. Daher haben wir den Teppich neu bestellt, auf unsere Kosten.
Woran erkennt man die Qualität eines guten Teppichs?
Da gibt es viele Faktoren. Er sollte handgeknüpft sein, mit freiem Auge ist das schwer erkennbar. Deshalb lieber in ein Fachgeschäft gehen. Wenn es geht, mit natürlichen Materialien wie Schurwolle und Seide. Außerdem darauf achten: Wie fein ist er gewebt? Er sollte jedenfalls 200.000 Knoten pro Quadratmeter haben, je höher, desto feiner. Es ist aber kein Muss beziehungsweise kein Kriterium für die Langlebigkeit.
Es gibt aber inzwischen auch Teppiche in grober Struktur, die sehr angesagt sind.
Ja, früher war die Feinheit ein sehr wichtiger Faktor, heute spielt auch das Design wieder eine Rolle. Wenn etwa eine Vivienne Westwood so eines gestaltet, oder ein Jan Kath, hat das einen ganz neuen und anderen Wert. Wie bei Handtaschen.
Stichwort Individualität: Ebenfalls ein Trend? Der bleibt?
Auf jeden Fall. Wir sehen generell einen extremen Zuwachs im Interior-Bereich durch die Coronazeit, in der viele es sich zu Hause gemütlich machen wollten – auch jene, die vorher nur herumgeflogen sind, Manager, Geschäftsleute. Durch das Homeoffice bleibt dieser Hang zum Schöner-Wohnen erhalten. Die Menschen investieren wieder mehr in Kunstwerke, auch am Boden.
Oder an der Wand, in Form von Wandteppichen.
Genau. Manchmal entwerfen auch Prominente die Teppiche, oder Künstler. Wir knüpfen sie dann.
Wie kann man die Farben für das Design eines Raums nutzen?
Wärme verbreiten zum Beispiel Gelb- oder Rottöne, Granatapfelrot zum Beispiel. Auch Rostbrauntöne sind geeignet, aber nicht zu intensive. Kühlend wirkt etwa Grau oder verschiedene Blautöne. Nicht umsonst hat Sigmund Freud Teppiche in seiner Ordination gehabt – weil es beruhigt. Wichtig ist, auf die harmonische Mischung in einem Raum kommt es an.
Manchmal aber braucht es Energie, neue Gedanken – in Ihrer Welt sowohl was die Designs als auch die Kooperationen betrifft. Woher kommt Ihre Inspiration?
Durchs Reisen. Leute, die reisen, sind erfolgreich, glaube ich. Durch Reisen wirst du neugierig und darfst Träume verwirklichen. Ohne das und ohne meine Kontakte, die ich dadurch geschlossen habe, wäre das alles nie möglich gewesen.
Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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