
Warum Wiens einziger Glasbläser aus Feuer Kunst macht
Robert Comploj will als Glaskünstler nicht nur Wiens Glasbläser-Tradition wiederbeleben. Die freizeit besuchte den Designer in seiner Werkstätte und erlebte mit, wie flüssiges Glas zum Kunstwerk wurde.
Viele Menschen haben eine romantische Vorstellung von einem Glasbläser. Aber hinter dem Beruf steht vor allem ein enormes technisches Fachwissen“, räumt Robert Comploj gleich alle Vorurteile beiseite, die sich Besucher vielleicht beim Eintreten und Anblick von lodernden Flammen und bunten Glasobjekten in seinem Studio machen könnten. Oder beim Geruch nach Bienenwachs, der hin und wieder den Werkraum erfüllt. Wiens einziger Glasbläser ist viel beschäftigt, auch seine Workshops erfreuen sich großer Beliebtheit. Denn Glasblasen gilt als neuer Trend, für den sich immer mehr Menschen interessieren. Das Handwerk der traditionellen Glasbläserei wurde vor zehn Jahren zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Robert Comploj ist nicht nur Wiens einziger Glasbläser. Seine Arbeit vereint Handwerk, Kunst und Design. Besucher können beim Glasblasen zusehen
©kurier/Martin Stachl„Wir machen mundgeblasenes Glas. Das ist ein ganz anderer Zugang zum Werkstoff, den andere Glasbläser in Österreich haben. Diese stellen eher Glaswaren, etwa für Labore, her. Wir sind echte Glasmacher“, erklärt der international bekannte Glasbläser den Unterschied des Handwerks, „wir arbeiten, wie Riedel in Kufstein, mit flüssigem Glas, mundgeblasen und von Hand geformt.“
Die Tätigkeit des Tirolers ist jener des Glasproduzenten Riedel-Glas vergleichbar. Comploj stellt mit alten venezianischen Techniken, modernen skandinavischen Farben und seinem Contemporary-Design kleine Serien und Einzelstücke aus Glas her, die von der Vienna Design Week bis zu internationalen Kunstgalerien zwischen New York, Berlin und São Paulo ausgestellt wurden. Auch auf der Art&Antique schmückte seine meterhohe Skulptur aus schwarzen, glänzenden Glaselementen, „Die Säule“, das Entree in der Wiener Hofburg.

Robert Complojs Spiegel-Skulpturen und die „Glass-Cultivators“ aus der Coop mit Thomas Schönauer
©kurier/Martin StachlHier im 18. Bezirk wirkt der helle Werkraum in dem weitläufigen Innenhof eher wie eine aufgeräumte Fabrik und hat mit den romantischen, ursprünglichen Glasbläsereien, wie man sie aus Murano kennt, keine Ähnlichkeit mehr. Robert Comploj, eigentlich ein gelernter Tischler, hat vor zwei Jahren seine Werkstatt samt Shop vom siebenten Wiener Bezirk hierher verlegt, weil er vom Shop-Konzept wegwollte. Hier ist alles größer geworden, auch sein Wohnhaus steht jetzt neben Werkstatt, Atelier und Galerie, geplant von den Architekten Berger+Parkkinen. „Ich war viele Jahre in den USA, Skandinavien, Australien und London unterwegs und habe dort direkt bei den besten Glasbläsern gearbeitet, um diese alte Handwerkskunst von Grund auf zu erlernen.“

In der Glasbläserei herrscht ein perfektes Zusammenspiel zwischen dem Team. 30 Prozent des Glasabfalls werden recycelt
©kurier/Martin StachlKraftakt mit 20 Kilo
Aus zwei Öfen lodert den Besuchern gleich beim Eintreten Feuer in die helle, großräumige Werkstatthalle entgegen. Ein Ofen dient zum Brennen der Werkstücke, der andere enthält geschmolzenes Glas, in das Complojs Helfer immer wieder die Glaspfeife mit dem entstehenden Glasobjekt tauchen. Sechs bis acht Angestellte, einer davon kommt aus Tschechien, beschäftigt Comploj in seinem Team, die das ganze Jahr über auch den Brennofen nicht ausgehen lassen. Nur im Sommer erlischt die Glut kurz für drei Wochen. „Da es den Beruf bei uns nicht mehr so gibt, muss ich alle Mitarbeiter neu anlernen“, erzählt Comploj und streift dabei beiläufig mit einer Holzform die Oberfläche eines glühenden Werkstücks ab, was einen angenehmen Bienenwachsgeruch verströmt. „Der kommt vom Holz“, erklärt er und bläst in das Rohr, an dessen Ende eine rot glühende Glasmasse hängt.

Das fertige, glühende Werkstück wird in einem Kühlofen „entspannt“, sonst zerspringt es. Hier kommen Kunst und Design direkt aus dem Ofen
©kurier/Martin StachlMühelos übergibt er dann das Werkstück, das bis zu 20 Kilo wiegen kann, an seinen Mitarbeiter – man merkt, dass das Team bestens eingespielt ist. Dieser taucht es entweder in den Brennofen mit dem geschmolzenen Glas, um mehr Volumen zu erhalten, oder hält es in den Brennofen, um die entstandene Form zu brennen. Immer wieder wird das Werkstück auf einem blank geputzten Nirosta-Tisch abgerollt, bevor es Comploj wieder übernimmt, um es mit dem Holzstück in Form zu bringen. Faszinierend zu sehen, wie so ein flüssiger Glastropfen Form annimmt und sich zu einer fast ein Meter langen, festen Skulptur formt.

Robert Comploj macht auch Kunstprojekte, wie die bunten Hubert-Schmalix-Vasen für den Künstler
©Comploj
Kunst aus dem Brennofen
Der Tiroler setzt nicht nur seine eigenen Entwürfe in skulpturale Glaskunst um, wie etwa bei Collapse, mit der er international bekannt wurde. Gemeinsam mit Künstlern wie Thomas Schönauer (auch mit dem kürzlich verstorbenen Künstler Hubert Schmalix arbeitete er oft zusammen, wie für die bunten Vasen) entwirft er Objekte für internationale Kunstmessen und Galerien. Aktuell auch für São Paulo und die Art Miami. „Wir arbeiten an einer großen Glasskulptur, die im Nachhinein, in kaltem Zustand, von innen verspiegelt wird. Eine alte Technik, die bei uns auch unter ,Bauernsilber’ bekannt ist.“

Robert Comploj arbeitet auch für Kunstprojekte
©kurier/Martin StachlDie technische Ausbildung ist in diesem Beruf fast das Wichtigste. „Man muss verstehen, wie Glas funktioniert, die Lieferanten genau kennen. Unsere Rohstoffe kommen aus Schweden, das Werkzeug aus Murano, die Öfen aus Dänemark. Alles muss exakt zusammenpassen."

Im Atelier sind Spiegel-Skulpturen und die „Glass-Cultivators“ aus der Coop mit Thomas Schönauer zu sehen
©kurier/Martin Stachl
Bis zu vier große Glaselemente kann das Team pro Tag herstellen. Und Complojs Arbeit hat auch etwas von der eines Bildhauers. Etwa wenn er Glaselemente montiert, Gussformen, Sockeln aus Metall und Beton herstellt. „Das ist aber alles leichter als die Glasverarbeitung selbst.“ Was ihn bei seinen Entwürfen inspiriert? „Es ist das Leben selbst“, so Comploj. „Glas ist eine kraftvolle Materie, die sich auf spielerische Weise von flüssig zu fest verändert. Das Glas gibt mir die Form vor, ist lebendig und organisch. Meine Arbeit ist ein täglicher Dialog mit der Materie.“ Sein Wissen um die Technik gab er acht Jahre lang an der Hochschule für Glas und Chemie in Kramsach weiter. Heute gibt er Workshops in seinem Studio. „Früher haben wir mehr Produktdesign gemacht. Heute freuen wir uns über Kunden, die auch unsere künstlerische Arbeit, wie die Glass-Cultivators, schätzen.“
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