Joseph Kosinski mit Brad Pitt

Hollywood gibt Vollgas: Wie Rennfahrerfilme ihr Comeback feiern

Brad Pitt und Co bringen neue Rennfahrerfilme ins Kino. In der Hollywood-Historie sind manche Streifen Klassiker, andere wären lieber in der Box geblieben.

Der Mann sieht nicht nur jünger aus denn je, er geht es auch rasant an wie nie zuvor. Die ersten Bilder vom Set sind vielversprechend: Äußerst schnittig kommt er daher, der Brad Pitt, im weißen Rennoverall Marke Mercedes, wie tiefer gelegt und hochfrisiert sozusagen. Auch das Gewinnerlächeln sitzt. Noch dieses Jahr soll sein Rennfahrer-Epos in den Kinos zu sehen sein. Pitt bringt die Formel 1 zurück auf die Leinwand und liegt damit in Poleposition des neuen Trends, der eigentlich ein Comeback ist: In Hollywood ist wieder das große Rennfieber am Start.

Tacho und Testosteron

Die Gründe dafür liegen auf der, äh, Straße. 

Ein Mann und sein Auto, allein gegen alle. Das Flair der Rennen, der Kampf um jede Zehntelsekunde, die emotionalen Dramen von Siegern und Besiegten, heißer Asphalt und dröhnende Motoren, ein Hochgeschwindigkeitsrausch in Todesgefahr: Kaum ein anderes Genre ist so dankbar, wenn es um die Ausstellung von Heldenmut geht. Nicht einmal ein Weltraumdrama.

Das liegt einerseits an der prickelnden Atmosphäre. Das Chaos der Boxengasse. Das Medienspektakel. Die legendären Rennstrecken. Dieser Stimmung können sich selbst Jahreskartenbesitzer nicht entziehen. Zum anderen lieben es Hollywoodstars, Helden darzustellen, und Racer-Movies erfüllen ihnen diesen Wunsch aufs Rasanteste. Es gilt aber auch ein wenig feministisches Credo: Wo die Tachonadel im roten Grenzbereich glüht, können Männer noch Männer sein.

Schnell und cool: Auf der Rennstrecke kann ein Mann noch ein Mann sein - hier: Steve McQueen

©Credit: imago-images.de

Jedwede Unsicherheiten im Geschlechterdiskurs sind im klassischen Rennfahrerfilm passé: Die Rollen sind klar definiert, hier der Mann der Tat, dort die Frau als Beiwagerl – Benzinbruder statt Barbie. Das mag dem Weltbild der Traumfabrik entgegenkommen, gleichzeitig wendet es sich an ein diesbezüglich ein Defizit wahrnehmendes Publikum testosterongesteuerter Teenager.

Tragödien und Teamchefs

Der Pitt-Film dürfte da keine Ausnahme darstellen. Mit Joseph Kosinski führt jener Mann Regie, der bereits die Düsenjäger in "Top Gun: Maverick" ans Speedlimit pushte. Verantwortlich zeichnet der legendäre Produzent Jerry Bruckheimer, der seine holzschnitthaften Blockbuster wie "Armageddon", "Con Air" oder "Pearl Harbor" gern mit jenem Pathos überfrachtet, das ein Millionenpublikum erfreut.

Und Bruckheimers Handschrift zeigt sich bereits jetzt deutlich. Denn das Story-Rezept klingt altbewährt. So wird selbstverständlich ein alter Haudegen (Pitt), der sich nach einem Unfall aus der Formel 1 zurückgezogen hat, aus dem Ruhestand reaktiviert. Der soll dann einem jungen Talent auf die Sprünge helfen und noch dazu in letzter Minute ein Rennteam retten, das weit abgeschlagen auf dem letzten Wertungsplatz liegt. Und damit alles authentisch wirkt, fungiert Siebenfachweltmeister Lewis Hamilton ebenfalls als Produzent. 

All das klingt mehr nach breitenwirksamer Massenware denn nuancierter Milieustudie. Aber wir sind hier ja auch nicht beim Boxerfilm. Platz für Dramatik bietet das Genre dennoch genug, wenn auch nicht in misslungenen Fahrerfilmen. 

Diese Filme waren ein Crash

"Driven" mit Sylvester Stallone und Til Schweiger (und Verena Feldbusch in einer Mini-Rolle) ist einer davon. Und strotzte vor Klischees und einem dummen Einfall wie einer Verfolgungsjagd in Formel-1-Boliden durch Chicago. Statt den Film anzusehen, stellte ein Redakteur der Boston Globe damals fest, hätte er die Zeit lieber im Stau verbracht. Aber auch andere Stars scheiterten an der Herausforderung Race-Movie: Zac Efron etwa in  "Um jeden Preis" als rebellischer Sohn, der nicht Farmer werden, sondern lieber Rennen fahren will. John Travolta mit "Trading Point", der als Fahrerlegende mit seinem Sohn konkurriert. Und auch die Anime-Realverfilmung "Speed Racer" oder "Need for Speed" mit Aaron Paul waren eher cineastische Auffahrunfälle.

Doch es geht auch anders. Etwa dank Regie-Legende Michael Mann ("Heat") und "Ferrari" über das Mille-Miglia-Straßenrennen von 1957. Die Italiener wollten den Sieg damals unbedingt, um den Autoverkauf anzukurbeln und das marode Unternehmen zu retten. Doch die Hatz endete in einer Katastrophe, elf Menschen starben. In den Hauptrollen: Adam Driver und Penélope Cruz.

"Gran Turismo" mit Orlando Bloom basierte hingegen nicht nur auf der Videospielreihe (80 Millionen Mal verkauft). Sondern auf einer wahren Story: Die besten Spieler der Rennsimulationen konnten durch die GT Academy in den echten Motorsport einsteigen – der Streifen ist die Verfilmung des Lebens von Jann Mardenborough, dem das von 90.000 Teilnehmern gelang.

Rallye und Rivalität

Adrenalingetriebene Rennszenen werden auch von "Race for Glory: Audi vs. Lancia" erwartet. Schauplatz hier ist allerdings die wilde Rallye-Welt. Beim Duell um die Weltmeisterschaft 1983 hielten Fans vor Spannung den Atem an. Eine legendäre Rivalität zwischen dem italienischen Underdog und dem deutschen Platzhirschen, zugleich der Zweikampf zweier charismatischer Teamchefs. Jenen von Audi (mit Walter Röhrl hinterm Lenkrad) spielt Daniel Brühl. Für ihn ist der Tempothriller, der diesen Sommer ins Kino soll, eine Rückkehr.

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Schon in "Rush – Alles für den Sieg" war er im Motorsport unterwegs. Brühl spielte Niki Lauda, es ging um dessen Rivalität mit James Hunt und wie beide dennoch Freunde wurden. Der kühle wie kühne Analytiker im einen Cockpit, der wilde Draufgänger und Lebemann im anderen. Die Szenen, in denen Lauda sich nach seinem Feuerunfall am Nürburgring trotz schrecklicher Schmerzen den Rennhelm über den verbrannten Kopf zieht, um noch die Weltmeisterschaft zu retten, prägten sich ein.

Verbiesterte Rivalität, testosterongesteuerte Loyalität und widersprüchliche Freundschaft sind im Rennfahrerfilm wiederkehrende Themen. "Le Mans 66" ist so ein Beispiel. Beim 24-Stunden-Rennen heißt das Duell Ford gegen Ferrari, und Christian Bale und Matt Damon feiern eine feine Männerfreundschaft. 90 Tage Zeit haben sie, um einen Siegerwagen zu konstruieren in diesem Duell, und es gelingt ihnen. 

Auch "Days of Thunder" ist, aber ohne historische Komponente, ein Buddy Movie. Eines, wie man es, Marke Tony Scott, in den Neunzigern noch bringen konnte. Tom Cruise am Höhepunkt seiner Heldenrollen. Eine Story, in der erbitterte Feinde beste Freunde werden. Und Heißsporn Cruise, wie er Nicole Kidman im Bett erklärt, wie man aus dem Windschatten kommend am besten überholt – demonstriert auf ihrer nackten Haut. Gib Gummi eben, auch unter der Tuchent.

Cool im Cockpit: James Garner in „Grand Prix“ von John Frankenheimer, im Klassiker aus 1966 spielen auch Yves Montand, Eva Marie Saint und Toshirō Mifune

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Cooles altes Hollywood

Cool im Cockpit zu sein, das konnten davor aber schon andere. Allen voran Steve McQueen in "Le Mans", der aber mehr mit seiner Optik denn mit seinem Drehbuch besticht. Mit dem "King of Cool" im Rennoverall wird heute noch Uhren-Werbung (für TAG Heuer) gemacht. Ein Klassiker ist aber besonders "Grand Prix" mit James Garner zwischen Monaco und Monza: atemberaubend gefilmt in Cinerama-Breitwandoptik und immer hart am Asphalt. Der stilsichere Streifen über vier Racer aus England, Frankreich, Italien und den USA beschwört überlebensgroß das spektakuläre Rennfeeling und auch Melodramatik und Liebe kommen nicht zu kurz – das nennt man wohl einen glatten Start-Ziel-Sieg.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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