Die wilden Villen der Côte d’Azur: Wo die Stones feierten und die Bardot liebte

Die Cote d’Azur ist seit jeher Anziehungspunkt für Künstler und Stars. Auf den Spuren der legendärsten Villen und ihren Geheimnissen und Geschichten.

Die Bilder aus Südfrankreich wirken verdächtig idyllisch. Lachend, ein Glas in der Hand, posiert Keith Richards vor Palmen und führt seine Liebsten vor, ganz so, als würde ein Zirkusdirektor stolz das Finale einer besonders gelungenen Artistennummer präsentieren. 

Im weichen Gras sitzt seine Frau, Anita Pallenberg, am Schoß den glückselig lachenden Sohn Marlon. Man spürt dieses ganz spezielle zartblaue, sommerluftige Côte d’Azur -Feeling, selbst wenn die Fotos nur Schwarzweiß sind. Auf einem anderen Bild spielt die Rolling-Stones-Legende seinem besten Freund Gram Parsons auf der Gitarre etwas vor. Die Villa: eingebettet in einen Wald aus Pinien, das Meer einen Steinwurf entfernt. 

Rock ’n’ Roll an der Riviera: Keith Richards von den Rolling Stones präsentiert seine Frau Anita Pallenberg und Sohn Marlon

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Doch der Schein trügt, und vielleicht kann man den Patronengürtel, den Richards mitunter um die Hüfte trägt, ja als Hinweis darauf interpretieren: Das Leben der Stones 1971 in Villefranche-sur-Mer war ein Idyll im Exil. Und die Villa Nellcôte acht Monate lang das Pandämonium des Rock ’n’ Roll – mit Drogenpartys, Bandspannungen, Kugeln und Polizei.

Aus Steuergründen waren die Stones nach Südfrankreich geflohen, nachdem gedroht wurde, ihr Vermögen zu beschlagnahmen. Richards mietete eine Prachtvilla nahe Nizza: 16 Zimmer, Stuck, Marmorsäulen, prachtvolle Luster – ein Palast. Den Strom zapfte man illegal ab. Glaubt man Richards war das Anwesen einst ein Gestapo-Hauptquartier (was bezweifelt wird) und sogar eine Kiste mit Morphiumspritzen mit Hakenkreuzen soll gefunden worden sein.

Songwriting in der Sonne: Keith Richards bringt Gram Parsons ein Ständchen dar 

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Streit und Schießereien

Eine schräge Zeit: Richards hatte einen Entzug hinter sich. Mick Jagger war meist in Saint-Tropez unterwegs und Bill Wyman auch. Pallenberg dürfte sich wie eine herrische Hauskönigin aufgeführt haben: Angeblich unterhielt sie nebenbei eine Affäre mit Jagger, und als dieser heiratete, setzte sie das Gerücht in die Welt, seine Zukünftige Bianca wäre ein Mann, der sich zur Frau umoperieren ließ. Eine chaotische und dauerhaft zugedröhnte Entourage aus Taugenichtsen bevölkerte das Haus, und die Arbeit am Album „Exile on Main Street“ stagnierte. 

Als Richards begann, wieder Heroin zu nehmen, ging es mit der Stimmung endgültig bergab. Schließlich wurde am helllichten Tag eingebrochen, Instrumente gestohlen, weil Richards Schulden bei Dealern aus Marseille hatte, sogar ein Schusswechsel passierte und die Polizei war im Haus. Wieder mussten die Stones flüchten: In Los Angeles stellten sie doch noch ihre Platte fertig, sie gilt heute als eine ihrer besten. Aber in Frankreich durften sie, wegen einer Strafe für Drogenhandel, zwei Jahre nicht mehr einreisen.

Lichtblick im Pinienwald: Villa Nellcôte, acht Monate Hauptquartier der Stones und ihrer Partys (u.)

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Die barfüßige Königin

Brigitte Bardot setzte weniger auf Exzesse, dafür auf die Liebe. In den Fünfzigerjahren waren Flair und Anziehungskraft des Sexsymbols unerreicht. Ihr ist es zu verdanken, dass sich das unbedeutende Fischerdorf Saint-Tropez in den Hotspot des Jetset verwandelte, ja mehr noch: in einen Mythos.

Der Millionär Gunter Sachs, den sie später heiratete (und der mit der Villa Capilla selbst ein legendäres Zuhause besaß), ließ hier über ihr Anwesen La Madrague eine Lawine aus Rosen vom Hubschrauber auf sie herabregnen.

Die Einfachheit des Hauses mag jene, die heute nach Saint-Tropez fahren, um sich beim Austern-Dinner mit Dior-Einkaufstaschen und feuerwerksprühenden Magnumflaschen Champagner möglichst instagrammable fotografieren zu lassen, verwundern. Aber mehr Sehnsucht ging damals nicht: die BB, im Bikini am Bootssteg, auf Zigarettenpause. Mit Freunden im Strandsand, an der Gitarre. Im Motorboot. Und beim Sonnenbaden, beim Flirt mit Playboy Gigi Rizzi und Freunden. Die Königin von Saint-Tropez hielt barfüßig Hof und mit nasser Lockenpracht.

Picassos Haus der Träume

Schon immer zog die Côte d’Azur spannende Menschen an. Matisse und Renoir, Guy de Maupassant, Jean Cocteau, Errol Flynn, Louis de Funès – und natürlich Picasso. Er bahnte sich seinen Weg durch die Riviera, es gibt für Touristen eine „Route Picasso“ von Avignon bis Antibes, so wohnte er etwa in der Villa Galloise in Vallauris und im Schloss Vauvenargues in Aix-en-Provence.

1955 kaufte der Maler die Villa La Californie in Cannes und lebte dort bis 1961. Als ihm ein neues Haus die Aussicht versaute, wechselte er in eine neue Bleibe, die Villa Notre-Dame de Vie bei Mougins. Eine, nun ja, wahrlich malerische Residenz. „Das Haus meiner Träume“ nannte Picasso es, mit 24 Zimmern, Kapelle, Atelier, riesigem Garten und vor sich die Bucht von Cannes. Und seit der Renovierung auch mit Pool und Tennisplatz. Nach dem Tod des Künstlers wohnte seine Frau Jacquelina Roque alleine im Haus. 1986 wählte sie hier den Freitod.

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Kunstschätze und Hollywood 

Untrennbar verbunden mit der Côte d’Azur ist auch William Somerset Maugham. Nach seiner Scheidung lebte der berühmte wie reiche Schriftsteller und Ex-Geheimdienstler mit seinem Sekretär und Liebhaber in Cap Ferrat in der Villa La Mauresque, die einst König Leopold II. von Belgien gehörte. Für den Autor von „Auf Messers Schneide“ war die Riviera erst ein „sonniges Plätzchen für schattige Menschen“, dann genoss er das Leben wie Gott in Frankreich und empfing in seiner mit Kunstschätzen von Picasso, Gauguin und Monet gut gefüllten Villa alles, was Rang und Namen hatte, von Winston Churchill bis zum Herzog von Windsor: ein nobler Treffpunkt der Haute Volee und einem noch nobleren Nachbarn: Aga Khan.

Hollywood macht es sich in dieser Umgebung selbstverständlich auch gerne bequem. Sean Connery machte Le Roc Fleuri in Nizza zur James-Bond-Villa: ein traumhaftes Belle-Epoque-Luxusanwesen mit 5.000 Quadratmetern Garten. David Niven gehörte La Fleur Du Cap in Cap Ferrat, eine Villa, in der teils die Clouseau-Komödie „Der rosarote Panther wird gejagt“ gefilmt wurde. Und Bono, Sänger von U2, residiert im Bergdorf Eze-sur-Mer in der Art-déco-Villa Les Rose, das ein Studio beherbergt und als Drehort für das Video zum Song „Electrical Storm“ diente.

Futuristischer Blasenpalast

Nichts aber kann es aufnehmen mit der Extravaganz des Palais Bulles, an einem Felshang in Théoule-sur-Mer, bekannt als „Blasenpalast“. Die Idee dazu hatten der Industrielle Pierre Bernard und der ungarische Architekt Antti Lovag. Als Bernard starb, übernahm der mittlerweile ebenfalls verblichene Modedesigner Pierre Cardin. Entstanden ist eine ikonische Kugelkonstruktion wie aus einem Fantasyfilm, die heute als Schauplatz für Partys von Rolls-Royce bis MTV dient oder Fashionshows von Dior. Für den Architekten musste alles rund und glatt sein, gerade Linien sah er als widernatürlich und unharmonisch an. Deswegen sucht man auch eines in diesem 1.200 Quadratmeter-Haus mit 10 Schlafzimmern, Amphitheater, Gärten, Pools und Wasserfällen vergeblich: rechte Winkel. Ein rebellischer Ansatz, der vermutlich auch den Rock ’n’ Rollern der Rolling Stones gut gefallen hätte.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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