Polly Adler: Interview mit den Schauspielerinnen des neuen Stücks
Ein Gespräch der besonderen Art: Bevor Petra Morze & Co. das freizeit.live-Fest und das Rabenhof Theater rocken, hielten sie eine exklusive Audienz. Und zeigten sich ebenso charmant wie scharfsinnig,
"Knietief im Glamour“ ist die zweite Kooperation der Schauspielerinnen Petra Morzé, Sona MacDonald und Sigrid Hauser mit der so scharfzüngigen wie respektlosen Queen of "freizeit"-Kolumne Polly Adler, hinter der natürlich Autorin Angelika Hager steckt. Bei Prosecco und Plätzchen plauderte das Quartett über Lifestyle, Wokeness und Rollentausch, Bodyshaming, Männerfantasien – und natürlich ihr aktuelles Programm, das auch beim freizeit.live-Event im Palais Liechtenstein zu sehen sein wird.
Was hat Angelika Hager gegen drei Ausnahmeschauspielerinnen und -Sängerinnen in der Hand, dass die für sie auf Müllhalden posieren und sich im Rabenhof-Theater gegenseitig auf die Schaufel nehmen, während sie knietief durch etwas brüchigen Glamour waten?
Sona MacDonald: Es macht tatsächlich Menschen glücklich ...
Petra Morzé: Sie freuen sich, dass jemand ausspricht, was sie denken oder sich manchmal gar nicht zu denken trauen.
Sona MacDonald: Wobei wir uns ja meistens selbst auf die Schaufel nehmen.
Sigrid Hauser: Aber natürlich darf man andere auch noch auf die Schippe nehmen. Das stimmt ja nicht, was überall behauptet wird, „dass man nichts mehr sagen darf“. Man muss ja nicht verletzend sein dabei! Und es ist auch okay, wenn Menschen sich dann wehren. Eine Dame hat sich etwa über einen Gag mit einem Kleinwüchsigen aufgeregt und uns darauf angesprochen. Das fand ich gut. Und sie hatte auch vollkommen Recht. Es gibt auch andere Möglichkeiten, Witze zu machen – vielleicht erneuert sich durch diese Interaktionen ja auch der Humor. Ich betrachte Feedback eigentlich immer eher als Bereicherung.
Sigrid Hauser: Ja, man wird schon sehr genau beobachtet ...
Sona MacDonald: Dabei ist es in der Opernwelt ganz selbstverständlich, Octavian im Rosenkavalier!
Sona MacDonald: Auch wenn man sich die Filme bis in die 60er- und 70er-Jahre anschaut. Die meisten Autoren waren Männer. Und die Regisseure, die Produzenten. Das hat sich erst in den 90ern zu verändern begonnen.
Sigrid Hauser: Wir Frauen haben diese Fantasien und angeblichen Ideale auch selbst immer wieder reproduziert. Davon müssen wir uns befreien, das sehe ich als große Aufgabe für uns. Aber was ist ein befreiter weiblicher Blick? Ich bin da noch am suchen.
Petra Morzé: Eine Frau ist immer „zu“. Zu dick, zu dünn, zu groß, zu alt – bei einer Frau passt's nie oder zumindest wird ihr dieses Gefühl gegeben. Und sie muss alles dafür tun, diesen Makel auszugleichen. So lange sie jung ist, schafft sie das irgendwie, da wird sie ausgequetscht, und dann kann man sie nicht mehr brauchen. In den USA ist ja ein Faktor bei der Besetzung auch, ob du als Frau „fuckable material“ bist, wie Franka Potente nach ihrem Hollywood-Ausflug berichtet hat. Das muss man sich einmal vor Augen führen!
Gelten diese Mechanismen auch abseits von Bühne und Leinwand, also im richtigen Leben?
Angelika Hager: Da muss man doch nur einmal auf Instagram schauen. Junge Frauen inszenieren sich wie Pornostars, andere gefallen sich als Trad-Wife-Influencerinnen und präsentieren einen Lifestyle als 50er-Jahre Hausfrau, nach dem Motto: Mein Mann verdient genug, ich muss nicht arbeiten. Und Frauen unseres Alters trauen sich nicht, zu ihrem Gesicht und ihren Falten zu stehen, sie benutzen 70 verschiedene Digitalfilter um sich glattzubügeln, jünger und schlanker auszusehen.
Ein Phänomen, mit dem Sie sich auch in ihrem aktuellen Programm beschäftigen?
Angelika Hager: Natürlich, wir scheuen vor KEINEM Krisengebiet zurück.
Sigrid Hauser, Sona MacDonald, Petra MorzÉ: Um Gottes Willen, nein!
Angelika Hager: Wir stülpen natürlich unser Innerstes nach außen – und ich plündere schamlos die Biografien meiner wunderbaren Kolleginnen. Das hat dann schon ETWAS Persönliches, das wir weiterspinnen und das zu Improvisationen führt. Aber natürlich hat sich keine, wie in einer unserer Nummern, auf Parship in einen maximal Kleinwüchsigen verliebt. Der Terminus Zwerg ist ja inzwischen ein No-Go.
Womit wir wieder beim Thema Bodyshaming wären ...
Angelika Hager: Ich mach ständig Bodyshaming auf der Bühne – vor allem an mir selbst. Wir alle tun das. Das ist vielleicht Teil des Erfolges, weil unsere Zuschauerinnen denken: Schau, die ham die gleichen Probleme wie wir – und die reden auch noch drüber!
Sona MacDonald: Selbstironie ist ein wesentlicher Teil des Konzepts.
Angelika Hager: Und dass wir mit Kraft der Selbstironie all diese Dinge beackern, erleichtert die Menschen irgendwie, von denen manche mehrere Male in „Knietief im Glamour“ kommen. Denn wir liegen mit all unseren Schwächen, Versagensängsten und Defiziten auf dem Wühltisch.
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