Sensationelle Fotos: Auf Tuchfühlung mit den Beatles

Vor genau 60 Jahren machten sich die jugendlichen Beatles auf, die Grenzen ihrer britischen Heimat zu sprengen. Der Fotograf Harry Benson war in den Jahren 1964-1966 als einziger ganz nah dran.

Eigentlich war Harry Benson 1964 bereits unterwegs nach Westafrika. Ein toller Auftrag für eine große Bildreportage. Der schottische Fotograf war 35, ein seriöser Reporter, die Zeiten, in denen er als Neuling Stars und Sternchen für den Londoner Daily Sketch fotografiert hatte, waren vorbei.

Als der Anruf aus der Redaktion ihn gerade noch zuhause erreichte, um ihn nach Paris umzuleiten, wo er die Beatles fotografieren sollte, sagte er erst einmal entschieden ab. 

"Ich wusste natürlich, wer sie waren – aber ich hatte kein Interesse daran, hinter einer Rock'n'Roll-Band herzulaufen", erklärt er im Fotoband, der aufgrund dieses Anrufs zustande gekommen ist. 

Beatles

Ursprünglich wollte Harry Benson die Beatles nicht fotografieren. Dass er es doch tat, ermöglicht uns heute echte "Backstage"-Einblicke

©Harry Benson

Denn natürlich flog Harry Benson schließlich doch nach Paris, auch wenn es eines weiteren Anrufs von ganz oben, aus der Chefredaktion, bedurfte. Und so können wir heute, 60 Jahre nachdem John, Paul, George und Ringo zum ersten Mal  die Stadt der Liebe bereisten quasi live dabei sein. 

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Denn Benson verfolgte die Fab Four auf kaum zuvor da gewesene Weise Schritt für Schritt, ein unauffälliger, vor allem unaufdringlicher Begleiter, den sie in ihrem Kreis akzeptierten.

"Die Beatles mögen dich, weil du nicht hässlich bist, ließ mir ihr Management nach dem ersten Treffen ausrichten. Attraktivität war ihnen wichtig", berichtet Harry Benson von der Phase des ersten Beschnupperns.

Das Jahr der Entscheidung

1964 war ein richtungsweisendes Jahr für die Beatles, in gewisser Weise hieß es jetzt oder nie! 

In den zwei Jahren zuvor hatten sie sich, gestählt durch die harte Lehrzeit auf der Hamburger Reeperbahn, an die Spitze der hart umkämpften Liverpooler Szene gespielt und wurden schließlich zum heißesten Scheiß in der gesamten Grafschaft Merseyside.

Paul McCartney

Immer unterwegs - zu Beginn mehr mit dem Zug als mit dem Flieger. Akkurat im Anzug mit einer schönen Tasse Tee. Benson war dabei...

©Harry Benson

1963 eroberten sie mit ihrem ersten, in nur zwölf Stunden aufgenommenen Album "Please Please Me" schließlich ganz England. Als Harry Benson das Quartett in Paris traf, waren sie auf dem Sprung, die Welt zu erobern. Oder eben nicht.

"Sie waren überzeugt davon, dass alles ganz schnell wieder vorbei sein würde", erinnert sich der Fotograf. Vielleicht waren sie deshalb so cool in dieser für sie entscheidenden Phase, so locker. 

Den Augenblick zu genießen, schien ihnen in diesen Tagen zu reichen – die Bürde, sich immer wieder neu zu bestätigen, ganz oben zu bleiben, sollte erst in späteren Jahren auf ihnen lasten.

Harry Benson

Als junger Mann war Fotograf Harry Benson "attraktiv genug" für die Beatles. Auch mit 70 sah er noch richtig flott aus

©Ron Galella Collection via Getty/Ron Galella/getty images

Es war diese Atmosphäre der Leichtigkeit, die es Harry Benson ermöglichte, eine der berühmtesten Bildserien seiner Karriere zu schießen: die Polsterschlacht im Pariser Hotel George V, die auch auf dem Cover des Bildbands zu sehen ist. 

Benson hatte bemerkt, dass sie gerne mit den dicken Polstern der Luxusherberge aufeinander losgingen und auf den Betten herumsprangen. Als die Nachricht sie erreichte, dass "I want to hold your Hand" auf Nummer eins der amerikanischen Charts geklettert war, machte er also einen entsprechenden Vorschlag. Den John Lennon ursprünglich sofort und entschieden ablehnte, weil er Angst hatte, dass sie dadurch zu kindisch wirken würden. 

Kissenschlacht mit den Beatles

Wie die "Schlacht" weiter verlaufen ist, sieht man ausführlich im Fotoband von Harry Benson

©Taschen Verlag

Allerdings nur, um Augenblicke später Paul McCartney mit seinem Polster eins über den Hinterkopf zu ziehen. Die anderen beiden stürmten augenblicklich ebenfalls das Bett, der Fotograf war vergessen und die legendären Fotos im Kasten.

Wurde Benson im Lauf der zwei Jahre, die er die jungen Stars begleitete, zum Freund, machte er bei jedem Spaß mit? "Nein, und ich glaube, deshalb haben sie mich respektiert", sagt er. Denn: Sobald der Fotograf oder die Fotografierten glauben, man sei Buddies, beeinträchtigt das die Bilder.

The Beatles

Da stimmt doch etwas nicht ... Wo ist Ringo? Harry Benson war auch dabei, als der Schlagzeuger Jimmy Nicol zwei Wochen lang für den erkrankten Ringo Starr eingesprungen ist.

©Harry Benson

Er war auch so nahe genug dran an den heutigen Legenden, vielleicht ja gerade deshalb. Mit George Harrison hat sich der Schotte sogar öfter das Zimmer geteilt. "Er mochte die Ladys, das steht fest", erinnert er sich, ohne – ganz Gentleman – weiter ins Detail zu gehen.

Nächster Halt: USA! 

Nach dem erfolgreichen Ausflug nach Paris machte Harry Benson auch die Reise nach Amerika mit. Und landete mitten in der ersten ausgewachsenen Beatlemania

"Tausende warteten am Flughafen, es war unglaublich." An der allgemeinen Begeisterung änderte auch die Tatsache nichts, dass ihr Auftritt in der Ed Sullivan Show nur gemischte Kritiken einbrachte. 

Ausgezahlt hat er sich allemal, 73 Millionen Amerikaner sahen den Auftritt von Paul & Co., das waren damals satte 34 Prozent der Gesamtbevölkerung der USA. Die Begeisterung ließ auch nicht nach, als der Tross von New York nach Florida weiterzog. 

Hier verfolgte Benson einen speziellen Plan: Der Kampf zwischen Sonny Liston und – damals noch – Cassius Clay um die Krone im Schwergewichtsboxen stand an, und er wollte ein Foto mit dem Weltmeister und den Beatles arrangieren. Also mit Sonny Liston. Die Beatles waren begeistert – aber Liston nicht. 

Ohne, dass sie es wussten, fuhr Benson also ins Camp des Herausforderers Clay, dem kaum einer eine Chance gab, und den vor allem John Lennon für ein "Großmaul" hielt. Einmal vor Ort machten die Jungs, schon damals echte Profis, gute Miene zum bösen Spiel. 

"Aber Lennon war fuchsteufelswild als wir zurück zum Auto gingen. Er sagte: Clay hat uns wie Trotteln aussehen lassen, und das ist deine Schuld, Harry!", schreibt Benson.

Cassius Clay schlägt Beatles K.O.

Beatles & Muhammad Ali, der damals noch Cassius Clay hieß. Auch wenn es nicht den Anschein macht: Die Beatles waren "not amused"...

©Harry Benson

Danach trennten sich die Wege von Benson und den Beatles zwar nicht im besten Einvernehmen – aber dennoch nicht für lange. Als nur wenige Wochen nach ihrer Rückkehr der Drehbeginn für "A Hard Day’s Night" anstand, wollten die Fab Four wen wieder dabei haben? Genau, Harry Benson

Er begleitete sie danach auch zu den Europa-Stationen ihrer ersten Welt-Tournee. Danach sollte es aber tatsächlich eine Weile dauern, bis sie einander wiedersahen ...

m Jahr 1966 lebte Harry Benson in New York, die Beatles waren zu Weltstars geworden – und John Lennon hatte in einem Interview erklärt, sie seien "größer als Jesus". Vor allem im Bible-Belt Amerikas sorgte das für Aufruhr, Platten wurden verbrannt, T-Shirts in Fetzen gerissen. Benson traf seine "Freunde" in Chicago

"John weinte und wirkte hoffnungslos. Und von den anderen Dreien bekam er wenig Trost oder Sympathie", erinnert sich der Fotograf. Es sollte das letzte Mal sein, dass er die Beatles fotografierte. "Sie hatten sich verändert, waren zynisch geworden und hatten es satt, ständig zu touren. Ich hätte sie nach Indien begleiten sollen, aber das wollte ich nicht."

John Lennon

„Größer als Jesus“? 1966 wurde John Lennon zum einsamsten Beatle

©Harry Benson

Benson hatte seine perfekten Momente mit der Band gehabt und wusste: "Das passiert nicht noch einmal."

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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