Filmstar Nilam Farooq: "Ich bin eher ein Angsthase“

Wovor fürchtet sich Nilam Farooq? Die Schauspielerin über ihre persönlichen Ängste, soziale Medien und ihren Aufstieg zum Filmstar.

Es hätte so schön sein können. Doch was als Traum beginnt, endet als Horror. In ihrem neuen Film muss Nilam Farooq einiges durchmachen. Aus der Idylle im abgelegenen Landhaus, in das sie sich in "Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ hochschwanger mit ihrem Verlobten zurückzieht, wird nämlich nichts. Stattdessen erwarten sie: ein verfluchtes Haus, Mord und eine dramatische Nacht, in der sie panisch ums Überleben kämpft. 

Das Besondere am neu im Kino angelaufenen Horrorfilm ist, dass er in einer einzigen langen Einstellung, als sogenannter One-Shot, gedreht wurde. Eine Herausforderung, ganz wie Nilam Farooq es mag. In den vergangenen Jahren ist die Schauspielerin zu einem der gefragtesten Gesichter des deutschen Films aufgestiegen. 

Begonnen hat ihre Karriere aber nicht auf der großen Leinwand, sondern auf YouTube: Als Bloggerin über Beauty- und Lifestyle-Themen. Seit „Soko Leipzig“ und Filmen wie „Contra“ mit Christoph Maria Herbst und „791 km“ mit Iris Berben ist sie nun aus dem Kino nicht mehr wegzudenken. Im Interview erzählt sie, wovor sie sich fürchtet – und wovon sie träumt.

Liebe Nilam, ich sehe Sie zwar gern auf der Leinwand, allerdings sind Horrorfilme eine Qual für mich. Wie geht es Ihnen damit, dass Leute sich fürchten, Sie im Kino zu sehen? 

Ich sehe es als Kompliment. Als Schauspielerin ist es das Schönste, Emotionen zu wecken. Es ist zwar wahrscheinlich eher die Situation im Film, die Angst beim Zuschauer weckt. Aber was Horrorfilme betrifft, geht es mir wie Ihnen. Ich bin eher ein Angsthase.

Eine Anekdote besagt, dass Steven Spielberg sich nach dem Erfolg von „Der Weiße Hai“ über leer gefegte Strände freute. Keiner traute sich mehr ins Wasser zu gehen.

Ja, das können Horrorfilme tatsächlich bewirken. Umso mehr war mir immer der Horrortourismus ein Rätsel, der eine Zeitlang in Berlin so gefragt war. Da reisen Filmfans zu den Orten, an denen ihr liebster Horrorfilm gedreht wurde. Unser Film ist in dieser Hinsicht jedenfalls eher ungefährlich. Das Einzige, was man vielleicht unterlässt, ist als Frau alleine aufs Land zu ziehen.

Bei einem Fernsehabend zuhause bei Nilam Farooq läuft also lieber kein Horrorfilm.

Wenn schon Horror, dann im Kino. Dieses Genre ist wie gemacht für die große Leinwand. Das Erlebnis ist größer, dann lohnt sich der Grusel auch richtig. Ansonsten kriegt man mich mit Thrillern, auch Dramen finde ich toll. Romantische Komödien sehe ich dagegen wenige.

Sie spielen eine Frau, die 90 Minuten im Ausnahmezustand ist, vor allem müssen Sie unentwegt außer Atem vor Schreck keuchen, keuchen, keuchen. Wie emotional war der Dreh? 

Wir haben den Film in einer einzigen Einstellung und ohne Schnitt dazwischen gedreht. Diese Herausforderung war der Hauptgrund für mich, das Projekt anzunehmen. Als Filmschauspielerin bietet sich einem so eine Gelegenheit so gut wie nie. Den Dreh muss man sich vorstellen wie eine einzige, riesengroße Choreografie. Die mussten wir im Vorfeld auch eingehend üben. Für mich war es toll, in der Rolle aufzugehen. Ich erinnere mich auch gar nicht so sehr ans Filmen einzelner Szenen. Nach zehn Minuten bist du wie im Tunnel. Alles passiert automatisch, was man durchlebt ist beeindruckend.

Was lehrt Sie persönlich das Fürchten? 

Es gibt Menschen, die haben Angst vor Clowns. Doch mit Clowns habe ich kein Problem. Puppen finde ich in Horrorfilmen allerdings zum Fürchten. Oder gruselige kleine Kinder. Im Alltag bin ich ein emotionaler Mensch, deswegen ändert sich meine Gefühlslage, sobald es dunkel wird. Ich bin schon eine Schisserin alleine im Dunkeln.

Nilam Farooq: „Von einem Hai gefressen zu werden, das ist meine größte Angst“

©jules fysta

Haben Sie bestimmte Phobien, wie die meisten von uns?

Spinnen sind mir egal. Schwindel kenne ich nicht, große Höhen machen mir nichts aus. Am ehesten macht mir noch das Meer Probleme. Eigentlich bin ich ja eine Wasserratte, aber den Gedanken, dass Haie im Wasser sein könnten, den kann ich nicht abstellen. Von einem Hai gefressen zu werden, das ist meine größte Angst.

Ängste sind ein großes Thema bei der Generation Z. Ist sie ängstlicher als die Generationen davor?

Eine Welt, die so viele Möglichkeiten bietet, bedeutet auch, dass mehr Dinge schiefgehen können. Das füttert die Angst. Aber es ist schwierig, so allgemeingültige Aussagen zu treffen.

Immer wieder hört man, die Gen Z hat Angst zu telefonieren oder Schwierigkeiten Kontakte außerhalb sozialer Medien zu finden. Jüngst wurde über ihre Angst vor der Essensbestellung im Restaurant berichtet.

Lustig. Wobei ich manches auch nachvollziehen kann. Wenn ich mit jemanden telefonieren soll, den ich nicht kenne, habe ich ebenfalls meine Probleme. Ich bin auch kein Fan davon, fremde Menschen zu treffen. Wenn ein Treffen mit einer Regisseurin oder einem Regisseur ansteht, die ich nicht kenne, bereitet mir das im Vorfeld Bauchschmerzen. Ich glaube allerdings, dass die gesellschaftliche Verteilung dieser Ängste nicht zugenommen hat, sondern heute einfach mehr darüber gesprochen wird. Die Kommunikationskanäle, auf denen man davon erfährt, haben sich vervielfacht. Früher kamen die Leute sich blöd vor, ihre Marotten zuzugeben und hielten sie geheim.

Apropos Kommunikationskanäle. Viele kleben geradezu am Handy. Sie als ehemalige Videobloggerin auch? 

Ich möchte mich jetzt nicht in besonders gutem Licht darstellen, aber ich beobachte dieses Verhalten mehr bei Freundinnen, Freunden und Bekannten. (lacht) Klar, wenn ich mit der Bahn fahre, scrolle auch ich mich durchs Internet. Wenn ich jedoch essen gehe, lege ich mein Handy automatisch weg. Und zwar komplett.

Wie nehmen Sie die aktuelle Entwicklung bei den sozialen Medien wahr?

Meiner Meinung sollten wir mehr dafür tun, soziale Medien und Digitalisierung in der Bildung zu verankern. Das würde helfen, den besseren Umgang damit zu lernen. Es würde vielen helfen, was man dort sieht einzuordnen. Und auch verstehen helfen, was Anonymität bedeutet und anrichten kann. Das möglichst früh zu lehren, wäre wichtig, weil es auch mit Moral und Werten zu tun hat, wie man sich im Internet verhält.

Facebook, Instagram & Co spiegeln die Welt wider. Oder doch nicht?

Mir dienen die sozialen Medien nicht nur zur Unterhaltung, sie sind auch eine große Nachrichtenquelle für mich. Wenn etwas Wichtiges in der Welt passiert, erfahre ich das als Erstes durch Social Media. Ob das dafür eine tolle Quelle ist, lassen wir mal dahingestellt. Aber wenn ich sehe, wie in Köln 30.000 Menschen auf die Straße gehen und gegen Nazis und die AfD demonstrieren, geht mir das Herz auf und ich bin froh über die sozialen Medien.

Künstliche Intelligenz ist auch in den sozialen Medien ein großes Thema. Kürzlich lockte die KI-generierte Traumfrau Emily Pellegrini berühmte Stars und Follower an und hielt sie zum Narren. Ist in Zukunft gar nichts mehr echt im Netz?

Ich finde die Situation jetzt schon gruselig, weil auch ich teilweise auf KI-generierte Bilder hereinfalle, etwa beim Bild, auf dem der Papst einen riesigen, stylischen Daunenmantel trägt. Es hatte eine Weile gedauert, bis ich gerafft hatte, dass das nicht echt ist. Natürlich macht mir das Angst und macht unser Problem mit Fake News nicht kleiner. Andererseits bin ich auch der Meinung, dass Künstliche Intelligenz nicht zu verhindern ist und wir lernen müssen damit umzugehen. Es braucht eine Reglementierung. Aber ich verteufle KI nicht grundsätzlich. Wir sehen gerade das Schlechte, aber es kann auch viele gute Dingen mit sich bringen.

Es ist kein grotesker Gedanke mehr, dass wir Filme mit KI-generierten Schauspielern im Kino sehen? Die amerikanische Schauspielergewerkschaft hat deshalb vergangenes Jahr lange gestreikt. 

In der Showbranche ist das vielleicht weniger ein Problem, weil wir uns da in einer konstruierten Welt wiederfinden und den Leuten das auch bewusst ist. Schwieriger wird es, wenn täuschend echte Fake-Clips uns in der Realität etwas vormachen. Aber vielleicht gewöhnen wir uns ja auch an das. Vor 20 Jahren hätte auch keiner an selbstfahrende Autos geglaubt.

Ach, du Schreck!  In „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ stößt Nilam Farooq auf die brutale Vergangenheit der Familie ihres frisch angetrauten Ehemanns (David Kross) 

©2023 Constantin Film Verleih GmbH/ Gordon Muehle

Im Film gründet ein Paar eine Familie, baut ein Haus, richtet sich ein Leben ein. Löst das Wohlwollen bei Ihnen aus und ist das etwas, das Sie auch einmal vorhaben? 

Ich habe viele Jahre gesagt, ich bin eher der Wohnungs- und nicht der Haustyp. Je älter ich allerdings werde, umso mehr reizt mich der Gedanke. Ich bin noch nicht ganz soweit, ich bin noch happy in meiner Wohnung in Berlin. Aber eines Tages, in netter Nachbarschaft, würde ich zu einem Haus im Grünen nicht Nein sagen.

Es gibt ja seit längerer Zeit eine gewisse Stadtflucht und die Sehnsucht nach Idylle am Land. 

Noch mehr reizen würde mich allerdings ein Sechs-Monate-Modell: ein halbes Jahr in Deutschland leben und das andere an einem warmen Plätzchen.

Wo denn? 

Mallorca wahrscheinlich, machen ja alle und scheint zu funktionieren! Dort auf einer kleinen Finca zu leben wäre ein Traum. Wenn ich andererseits irgendwo in Italien ein kleines Dorf finde, das es mir angetan hat, gerne auch dort. Ich muss da auf mein Herz hören, nachspüren wo ich mich wohlfühle. Konkret habe ich diesen Ort noch nicht gefunden.

Zur Person

Zur Person

Nilam Farooq wurde 1989 in Berlin als Tochter einer polnischen Mutter und eines pakistanischen Vaters geboren. Erst erfolgreiche YouTuberin über  Lifestylethemen, dann erfolgreich im TV ("Soko Leipzig“) und Film, etwa in "Contra“ (Bayerischer Filmpreis), "Du Sie Er & Wir“, "Eingeschlossene Gesellschaft“.

Und im Süden dann vielleicht eine kleine Frühstückspension eröffnen, wie im Film?

Nein, das ist kein Traum, der in mir schlummert. Höchstens ein kleines Café. Aber das ist eher so ein typischer Nilam-Gedanke, der genau zwei Monate lang Spaß macht und dann möchte ich es wieder loswerden.

Man weiß sehr wenig über Ihr persönliches Leben, Sie geben kaum etwas preis. War das eine bewusste Entscheidung, um nicht zu sehr in der Öffentlichkeit zu stehen?

Es ist witzig, wie sich diese Wahrnehmung gedreht hat. Früher, als YouTuberin, argwöhnten viele, man würde alles über mich wissen, was aber gar nicht stimmte. Mittlerweile öffne ich mich nicht mehr so sehr und bin eine privatere Person geworden. Aber eigentlich war ich das schon immer. Es gibt bestimmte Dinge, auf die niemand ein Anrecht hat, sie zu wissen. Ich finde aber auch selbst jene Personen spannender, über die man eben nicht alles weiß.

Sie haben sich im deutschen Film in den vergangenen Jahren nach oben gespielt. Wie haben Sie das wahrgenommen?

 Ich bin für die vergangenen vier Jahre sehr dankbar. „Contra“ mit Christoph Maria Herbst war ein wichtiger Film für meine Karriere. Allerdings bin ich schon seit mehr als 15 Jahren in diesem Beruf und zehn Jahre davon waren wenig ertragreich. Das sehen andere vielleicht nicht, ich aber schon. Jetzt darf ich ein bisschen davon ernten, was ich zuvor gesät habe. Der Erfolg ist nicht vom Himmel gefallen. Und es ist auch nicht gesagt, dass er anhält.

Und wovon träumen Sie?

Dass, wenn wir in fünf Jahren noch einmal miteinander sprechen, ich sagen kann, es lief genauso weiter wie bisher: Dass ich beständig Arbeit habe und mir keine Sorgen wegen eines Engagements machen muss. Ich hätte gerne, dass es so aufregend bleibt, wie es jetzt gerade ist. Das wäre mein größter Wunsch.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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