Maria Köstlinger & Juergen Maurer: "Ein Traum wird wahr“

Privat ein Liebespaar geben sie auch auf der Bühne ein besonderes Debüt. Im Interview sprechen sie über den Reiz und die Schwierigkeiten zusammenzuarbeiten, Cancel Culture und Identität.

Sie sind zwei, die nicht genug voneinander kriegen. Privat, als Liebespaar, aber auch beruflich wollen sie nicht voneinander lassen. Vor der Kamera und bei Lesungen sah man sie schon als Duo, doch seit Jahren appellierten sie an den Direktor der Josefstadt. Der dringliche Wunsch von Maria Köstlinger und Juergen Maurer: Bitte, lass uns zusammen auf die Bühne! Jetzt wurde ihr Wunsch – endlich! – Wirklichkeit. 

Im Stück „James Brown trug Lockenwickler“ von Yasmina Reza, meistgespielte Dramatikerin der Gegenwart („Gott des Gemetzels“), agieren sie ab 15.2. als Eltern von Jacob, der sich seit er fünf Jahre alt ist als Céline Dion sieht und daher in einer Einrichtung weilt. Mit einer Psychiaterin versuchen sie, seine Selbstdefinition akzeptieren zu lernen. Ein ernstes wie pointiertes Stück über Identität.

Juergen, Sie feiern Ihr Debüt in den Kammerspielen der Josefstadt, noch dazu stehen Sie mit Ihrer Partnerin auf der Bühne. Nervös? 

JUERGEN MAURER: Nervös? Bin ich nicht. Es ist ein Traum, der wahr wird. Seit 20 Jahren haben wir nebeneinander her gespielt, ich an der Burg, Maria in der Josefstadt, dann wieder parallel bei Produktionen in Reichenau. Seit Ewigkeiten wollen wir zusammen auf der Bühne stehen. Jetzt klappt es, endlich.

MARIA KÖSTLINGER: Es hat uns interessiert, wie das sein wird. Vor der Kamera standen wir ja schon zusammen, aber auf der Bühne ist es doch anders ... besonders spannend!

Macht es die Zusammenarbeit leichter oder schwieriger, wenn man privat ein Paar ist?

Erstmals zusammen auf der Bühne: „Es hat uns interessiert, wie das sein wird“

©Kurier/Martina Berger

MAURER: Es gibt sicher Paare, die das vermeiden. Zu denen zählen wir nicht. Wir haben immer schon regen Anteil an der Arbeit des anderen genommen. Trotzdem weiß man im Vorhinein nicht, was einen erwartet. Den ganzen Tag proben, dann heimfahren, kochen, den Abend verbringen: immer sehr nah beieinander. Hält man das aus? Oder wird es einem doch irgendwann zu viel?

KÖSTLINGER: Man verbringt viel Zeit miteinander, das kann auch in die Hose gehen.

Zumal Sie vor Kurzem zugegeben haben, dass Sie während Probezeiten unausstehlich sind. 

KÖSTLINGER: Das stimmt. Ich bin dann voller Selbstzweifel, es geht bergauf, bergab. Das ist natürlich sehr anstrengend für den Partner. Wobei, anstrengend ist das falsche Wort. Intensiv, das ist besser. Ich bin generell ein sehr intensiver Mensch. (lacht) Durch die gemeinsame Probenzeit ist Juergen noch näher dran an mir. Ich finde das gut. Das gibt mir Stärke und er kann mir dadurch helfen, wenn es etwas zu helfen gibt.

Im Stück denkt ein Bub, er sei Céline Dion. Was will es uns sagen?

MAURER: Das Stück handelt von der Suche nach und dem Modellieren von Identität. Gleichzeitig spart es nicht mit semi-ironischen Vermerken hinsichtlich des gängigen LGBTQ+-Vokabulars. Der Text von Yasmina Reza ist auch deshalb so wunderbar, weil er mit einer guten Prise Perfidie gewürzt ist, etwa wenn der Bub, der sich als Frau identifiziert, in der Institution, in der er untergebracht wird, einen Freund findet, der sich als Schwarzer identifiziert, obwohl er weiß ist: mentales Blackfacing quasi.

Klingt kompliziert.

Und es wird noch komplizierter. Yasmina Reza drückt bestimmte Knöpfe bei uns, schon beim Lesen antizipiert man die Diskussionen, die ihr Text auslösen kann, besonders bei Menschen, die sich als woke bezeichnen und für Cancel Culture begeistern. Die dürften einen Kopfstand machen vor lauter Aufregung. Man fürchtet sich davor, gleichzeitig freut man sich auf diese Diskussionen.

„Woke“ bedeutet aufmerksam und wachsam gegenüber Diskriminierungen zu sein. Es ist aber zum Kampfbegriff geworden. Wie woke seid ihr?

MAURER: Nicht besonders. Ich bin besonders der Cancel Culture gegenüber mehr als skeptisch eingestellt. Künstler aus dem Programm zu eliminieren, weil sie in einem historisch-kulturellen Kontext nicht genehm sind, ist nicht in Ordnung. Man kann alles diskutieren und kommentieren. Davon abgesehen halte ich die LGBTQ+ und Wokeness betreffenden Themen für sehr zeitgemäß und wichtig. Wenn’s nicht allzu humorlos wird zumindest.

KÖSTLINGER: Wir sind sehr offene und tolerante Menschen. Wenn jetzt über Rassismus und Sexismus diskutiert wird, war davon schon viel bereits in meiner Kindheit Thema. Oft denke ich mir: Warum haben Leute mit Vielfalt in vielen Bereichen immer noch so ein Problem? Wichtig finde ich, dass stets eine offene Diskussion gewahrt bleibt. Auch bei uns zuhause, mit den Kindern oder Freunden. Selbst wenn unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen: Man bleibt einander zugewandt, darauf sollte es ankommen.

Nervt der Begriff Sie?

MAURER: Ich empfinde besonders den Positionierungsdruck, den solche Bewegungen ausüben, als unangenehm. Ein liberaler, empathischer, aufgeklärter und anständiger Mensch will man ja ohnehin sein. Ob politisch im Nahostkonflikt oder in Sachen Sexualität, warum werde ich gezwungen, sofort Stellung zu beziehen und mich auf eine Seite zu schlagen? Ich brauche wirklich keinen Lederhosen-Patriarchat-Patriotismus, will mich aber auch von nix anderem vereinnahmen lassen. Mich stört, dass wir unentwegt auseinanderdividiert werden.

KÖSTLINGER: Wir haben es in unserem Umfeld, in Familie und Freundeskreis, mit den unterschiedlichsten Ausrichtungen zu tun, es gibt nichts, das es nicht gibt, und das ist auch gut so. Das Wichtigste ist: Dass alle Menschen so leben können, wie es sie glücklich macht.

Maria Köstlinger

Maria Köstlinger

Maria Köstlinger wurde 1972 in Stockholm geboren. Ihr Vater ist der Opernsänger Josef Köstlinger. Seit 1996 spielt sie an der Josefstadt, etwa in „Blackbird“ oder „Madame Bovary“. Im TV sah man sie etwa in der Serie „Vorstadtweiber“. Mit dem verstorbenen Karlheinz Hackl hat sie eine Tochter.

Der Autorin Yasmina Reza sind die Tugendwächter, die sich als Sittenpolizei aufspielen, ein Gräuel. Ihnen auch?

MAURER: Ja. Ich finde es manchmal sinnstiftender, sich der Meinung zu enthalten. Ich bilde mir eine – aber ich muss sie nicht ständig über den Zaun plärren und andere wissen lassen, dass sie meiner Ansicht nach vollkommen falsch liegen. Viele Diskussionen ließen sich mit etwas weniger Vehemenz viel besser führen.

Ist unsere Zeit besessen von der Frage nach Identität?

MAURER: Wovon wir besessen sind, ist das Image, also das Bild, das wir von uns selbst haben oder unentwegt machen. Diese Besessenheit ist extrem und treibt seltsame Blüten. Uns ist das oft zu viel. Wir meiden deshalb auch die sozialen Medien, weil wir sie beide nicht sonderlich mögen. Ich habe zwar einen Facebook-Account, aber mein letzter Eintrag liegt Jahre zurück. Mir sind Begegnungen live lieber, face to face, ohne Book dazwischen. Da sind wir wohl schon ein wenig aus der Zeit gefallen ...

Theater backstage: KURIER Freizeit-Redakteur Alexander Kern im Gespräch mit Maria Köstlinger und Juergen Maurer

©Kurier/Martina Berger

Yasmina Reza vertritt den Standpunkt, dass wir nicht als jemand auf die Welt kommen, sondern unsere Identität von unserem Umfeld mitmodelliert wird. Wie sehen sie das?

KÖSTLINGER: Darüber lässt sich diskutieren. Meiner Meinung nach kommen wir bereits mit vielen Charaktereigenschaften auf die Welt.

MAURER: Ich bemerke das etwa an unseren beiden Töchtern. Da spiegeln sich eindeutig Wesensmerkmale der Eltern wider. Man kommt mit einer gewissen Prädisposition auf die Welt.

KÖSTLINGER: Als meine Tochter zur Welt kam, hatte ich gleich das Gefühl: Die hat ihren eigenen Charakter. Ich habe ihr so viel Liebe und Urvertrauen geschenkt, wie mir möglich war. Natürlich versucht man, etwas vorzuleben. Aber letztlich setzt sich durch, was einem von vorneherein mitgegeben war. Ob man ein positiver oder skeptischer Mensch ist, zum Beispiel.

Wer hat eure Identität mitgeformt?

KÖSTLINGER: Ich bin ja durch meinen Vater (der Tenor Josef Köstlinger, Anm.) quasi am Theater aufgewachsen und das hat mich schon sehr geprägt. Beruflich habe ich besonders Helmuth Lohner und Otto Schenk viel zu verdanken. Auch Helmut Föttinger nimmt eine wichtige Rolle ein, der mich in meiner Laufbahn vielgestaltig begleitet hat, ob als Darsteller, Regisseur oder jetzt als Direktor des Theater in der Josefstadt.

MAURER: Eltern, Freunde, Lehrer, sie alle waren wichtig. Meinem ersten Mentor Erhard Pauer kommt eine besondere Rolle zu. Ich ging ja nie auf eine Schauspielschule. Ohne seine Unterstützung damals wäre ich heute nicht, wo ich bin.

Juergen Maurer

Juergen Maurer

Juergen Maurer wurde 1967 in Klagenfurt geboren. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste, von 1997 bis 2012 war er Ensemblemitglied am Burgtheater. Im TV spielte er u. a. in „Tatort“, „Spuren des Bösen“, „Vorstadtweiber“ und der Krimiserie „Vienna Blood“. Eine Tochter. Seit 2016 mit Maria Köstlinger ein Paar.

Gibt es peinliche Versprecher oder Patzer, die Ihnen auf der Bühne passiert sind und an die Sie sich besonders erinnern?

KÖSTLINGER: Bei einem Geburtstagsfest für Otto Schenk habe ich ein Lied mit Herbert Föttinger gesungen. Bei einer Liedzeile endete ich auf das falsche Wort, sodass er keinen Reim darauf singen konnte, was leider ihn statt mich ziemlich blöd dastehen ließ. Aber ich war fein raus. (lacht)

MAURER: Ich habe bei meiner allerersten Vorstellung am Burgtheater im „Diener zweier Herren“ einen Auftritt verpasst, weil ich so erleichtert war, dass die Szene davor zum ersten Mal fehlerfrei geklappt hat. Ist mir vorher und nachher nie mehr passiert. (klopft auf Holz)

Worin sich das Paar unterscheidet? "In der Streitkultur", verrät Maria Köstlinger

©Kurier/Martina Berger

Abgesehen vom Schauspielberuf, was verbindet sie beide, als Paar?

KÖSTLINGER: Der Humor.

MAURER: Die Liebe.

KÖSTLINGER: Wir kochen unheimlich gerne miteinander. Und wir haben gerne viele Leute bei uns zuhause zu Gast. Wir nennen es „den Tisch füllen“.

MAURER: Und wir lieben beide Kinder.

Und worin unterscheidet ihr euch?

KÖSTLINGER: In der Streitkultur.

MAURER: Stimmt, unsere Konflikte tragen wir auf sehr unterschiedliche Art und Weise aus. Ich bin ein klassisch männlicher Ausweicher und Abhauer, Maria konfrontiert typisch weiblich viel lieber und drängt auf sofortige Klärung. Ist jetzt auch schon wieder ein Geschlechterstereotyp, auweia!

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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