Matthias Schweighöfer: "Zuhause klatscht keiner“

Matthias Schweighöfer über Schulterklopfer und Cappuccino-Dates mit "Wonderwoman“ Gal Gadot. Und seinen Film "Girl You Know It’s True“ über den Pop-Skandal um Milli Vanilli.

Alle lieben ihn. Und er arbeitet verdammt hart dafür. Würde er zur Wahl zum Präsidenten stehen, Matthias Schweighöfers Chancen zu gewinnen stünden ziemlich gut. „Keinohrhasen“ mit Til Schweiger, „What a Man“ oder „Der geilste Tag“ mit Florian David Fitz – ein „Schweighöfer-Film“, das ist unter Kinogehern mittlerweile eine eigene Kategorie. Und auch in Hollywood punktet er, wie mit dem Netflix-Hit „Army of the Dead“ und der Fortsetzung „Army of Thieves“. Jetzt läuft mit „Girl You Know It’s True“ einer der größten Pop-Skandale aller Zeiten im Kino.

Der Deutsche gibt darin Produzent Frank Farian, der die unbekannten Tänzer Rob Pilatus und Fab Morvan Ende der Achtziger zum Musikduo Milli Vanilli macht. Und zu internationalen Stars – mit Megahits wie „Baby Don’t Forget My Number“ oder „Blame It On The Rain“, drei Nummer-1-Hits in den USA und einem Grammy. Das Problem: Sie sangen gar nicht, wie behauptet, sondern bewegten lediglich zum Playback die Lippen. Eine Geschichte über Aufstieg und Fall zweier Freunde, über das Leben mit einer Lüge, die Schattenseiten des Ruhms und ein tragisches Ende.

Matthias, als Milli Vanilli den großen Hit „Girl You Know It’s True“ landeten, waren Sie sechs Jahre alt. Mussten Sie sich das Phänomen der Band im Nachhinein erklären lassen?

Als Milli Vanilli am Höhepunkt ihrer Karriere standen, war ich tatsächlich noch ein Kind. So richtig habe ich mich mit dem Duo und dem Skandal erst später beschäftigt, das kam mit dem Tanzengehen. Ich habe mich gefragt: Wer hat diese Musik eigentlich gemacht? So kam ich auf Frank Farian, Boney M. und Milli Vanilli und darauf, dass beide Bands nur die Interpreten seiner Musik waren, und nicht alle gesungen haben.

Was denken Sie, war das Besondere an dem Duo?

Zum einen waren da diese Hits, die sich so überaus perfekt zum Mitsingen geeignet haben. Zum anderen waren sie diese unfassbar krassen Identifikationsfiguren. Wie sie sich da vorne auf der Bühne präsentierten: Bam! Du hast sie gesehen und wusstest sofort, was du kriegst. Diese Strahlkraft in Kombination mit den Choreografien, den ausgefallenen Looks, der Musik und dem Wiedererkennungswert, das war schon extrem. Etwas Vergleichbares gab es damals nicht.

Milli Vanilli waren einer der größten Pop-Skandale aller Zeiten. Hätten sie früher aussteigen sollen aus diesem Konstrukt?

Fakt ist, sie sind nicht ausgestiegen. Aber natürlich habe ich solche Gedankenexperimente ebenfalls angestellt. Was wäre, wenn man dem Publikum von vorneherein ehrlich gesagt hätte, Leute, was wir hier verkaufen, ist eine totale Illusion? Würdet ihr trotzdem mit einsteigen? Ich habe darauf auch keine Antwort. Aber nach wie vor finde ich es einfach irre, dass diese Geschichte wirklich so passiert ist und wir jetzt die Chance hatten, sie fürs Kino zu erzählen.

Ich habe viel an mir selbst gearbeitet. Und ich hatte sehr viele Neinsager um mich und keine Jasager. Ich war stets mit viel Kritik konfrontiert, das hat geholfen.

Wie sehen Sie die Figur Frank Farian? 

Hat er das Duo ausgenutzt?Wir kennen die ganzen Hintergründe natürlich nicht und ich will das auch gar nicht beurteilen. Die haben die Dinge gemacht, die sie gemacht haben und irgendwo dann ihren Weg so ein bisschen verloren. Der Rest ist Geschichte. Das Traurige ist, sie müssen leider damit leben. Der Tod von Rob ist eine Tragödie. Umso bedeutender ist es, dass wir auch andere zu der Geschichte befragen, ihnen eine Stimme geben können.

Konnten Sie Frank Farian im Vorfeld der Dreharbeiten sprechen?

Ja, ich hatte mit Frank kurz vor Beginn der Dreharbeiten über Zoom ein Videotelefonat. Wir haben kurz geredet und uns sozusagen unser gegenseitiges Einverständnis gegeben – ich, dass ich es sein werde, der ihn darstellt, er, damit er zufrieden damit ist, wer ihn spielt. Er hat sich gefreut und anschließend haben wir angefangen zu drehen.

Mastermind: Matthias Schweighöfer im Film „Girl You Know It’s True“ als Musikproduzent Frank Farian

©2023 LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Gordon Timpen

Wie ist das Gespräch verlaufen?

Frank war sehr herzlich und freundlich. Ihm war es einfach wichtig, dass wir keine Karikatur aus ihm machen oder eine Persiflage filmen. Sondern dass wir die Geschehnisse sehr ernst nehmen und der Wahrheit gemäß darstellen. Er war ganz liebenswert. Im Hintergrund hat sein Enkelkind gespielt. Er wirkte irgendwie sehr selig.

Es ist immer eine besondere Herausforderung, jemanden zu verkörpern, den es tatsächlich gibt und der sich das Ergebnis auch ansehen wird. 

Auf jeden Fall. Damit muss man respektvoll umgehen und dennoch gleichzeitig einen gesunden Abstand halten. Das ist auch wichtig.

Als er den Schwindel zugibt, sagt Farian, die Fans waren glücklich, also wo ist das Problem? Hat er Recht? Ist es egal, dass etwas eine Lüge ist, solange das Ergebnis stimmt? 

Hätte man die Fans eingeweiht, wäre es etwas anderes gewesen. TikTok funktioniert aktuell ja genauso: Man weiß, die Leute machen da mit den Stimmen von anderen ihre kleinen Videos und werden dadurch berühmt. Die Überraschung im Falle von Milli Vanilli war deshalb so riesig, weil das ganze Projekt im Vorfeld anders verkauft wurde. Aber es stimmt letztendlich, was Frank Farian sagt. Die Musik war toll. Das Duo war toll, und die Unterhaltung riesig. Ein irres Produkt. Und alle hatten Spaß daran.

Elan Ben Ali undTijan Njie als Milli Vanilli 

©2023 LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Gordon Timpen

Was ist eigentlich Ihr Lieblingssong von Milli Vanilli?

„Girl You Know It’s True“.

Der Film handelt auch von der Liebe der Fans. Und dass man dieses Gut nicht mehr hergeben möchte, hat man einmal davon gekostet.

Die Frage ist, freut man sich über die Liebe der Fans und kommt trotzdem immer noch gern nachhause? Denn zuhause klatscht keiner. Es ist wichtig, das zu begreifen: Die Liebe der Fans kann kommen und gehen. Diese Einsicht ist ganz wichtig, weil sie einem hilft loszulassen.

Wie schützen Sie sich vor den ungesunden Versuchungen des Ruhms?

Ich hatte auch meine Phasen, aber dennoch lag der Fall bei mir anders. Ich war kein One-Hit-Wonder und ging direkt auf Platz eins, sondern durfte in der Öffentlichkeit erst ein bisschen großwerden und mir alles anschauen, meine Meinung bilden und immer wieder lernen, lernen, lernen. Dadurch war ich imstande mir zum Glück ein gutes Fundament zu bilden, auf dem ich aufbauen konnte. Gleichzeitig besaß ich einen Rückzugsort. Ich bin relativ schnell Vater geworden und habe mich viel auf meine Kinder konzentriert. Und das hat natürlich viel geholfen, vor allen Dingen dabei, einen gesunden Abstand zu den Verrücktheiten zu haben, die das Berühmtsein so anbietet. Ich habe mir immer wieder bewusst gemacht, wie viel Zeit und Arbeit ich in meine Projekte gesteckt habe und wie viel mir das bedeutet. Ich habe viel an mir selbst gearbeitet. Und ich hatte sehr viele Neinsager um mich und keine Jasager. Ich war stets mit viel Kritik konfrontiert, das hat geholfen.

Schweighöfer, der Ehrgeizige: „Ich bin immer nur nach vorne gelaufen“

©alex waltl

Genau das, was man eigentlich nicht hören möchte, in der Stunde des Erfolgs. 

Dadurch, dass ich oft der verantwortliche Macher dieses Erfolgs war, habe ich mich meist gar nicht hingesetzt und den Erfolg in Ruhe genossen. Ich bin immer nur nach vorne gelaufen. Dadurch war gar keine Zeit, sich den Erfolg genau anzuschauen, weil ich mit meiner ganzen Aufmerksamkeit längst schon mittendrin im nächsten Projekt war. Gleichzeitig war das aber auch gesund, dadurch habe ich das Ausmaß nie so richtig registriert. Ich habe mich gefreut, aber die Anerkennung hat mich nicht überrollt.

Wie sind Sie mit Schulterklopfern umgegangen?

Ich hab mich sehr gefreut, wenn ein Schulterklopfen kam, aber gleich danach kam auch ein Anruf meiner Kinder. Dann das nächste Schulterklopfen, dann wieder Kinder, Schulterklopfen, dann ein Anruf wegen eines Problems, das ich lösen musste. Das hielt sich stets gut die Waage.

Sie haben sich auch in Hollywood längst einen Namen gemacht. Haben Sie Gal Gadot jetzt auf Kurzwahl im Handy abgespeichert und treffen Christopher Nolan wöchentlich auf einen Cappuccino? 

Also ganz so ist es nicht. Aber wenn ich in Los Angeles bin, versuchen Gal und ich uns immer mal zum Essen zu sehen. Und Christopher Nolan habe ich jetzt erst vor zwei Wochen das letzte Mal wieder gesehen. Ich versuche schon, mit den Leuten drüben Kontakt zu halten, mich zu treffen, miteinander zu reden. So gut es eben geht, Kontakt zu halten mit diesen wahnsinnig berühmten und viel arbeitenden Leuten.

Viele aus deutschen Landen haben es probiert, überm großen Teich zu reüssieren. 

Ich war sehr fokussiert, aber natürlich war auch viel Glück dabei. Das Franchise mit „Army of the Dead“ zu bekommen, war von Vorteil. Auch dass ich mich in Amerika zuerst als Regisseur etabliert habe, hat geholfen. Die Studioleute wissen, wir müssen den nicht unbedingt besetzen, aber er könnte ein anderes Projekt für uns verwirklichen. Das nimmt den Druck, sich als Schauspieler durchsetzen zu müssen. Ich habe in Hollywood im Moment mehr Meetings, in denen es darum geht, als Regisseur engagiert zu werden denn als Schauspieler. Es geht öfter darum, Drehbücher zu prüfen oder sie selbst zu schreiben oder etwas zu produzieren. Ob ich in dem Film dann auch mitspiele, ist nicht so wichtig. Und für manches bin ich ehrlich gesagt auch zu „german“.

Matthias Schweighöfer

Matthias Schweighöfer

Matthias Schweighöfer wurde 1981 als Sohn zweier Schauspieler geboren. Erster TV-Film mit 16, im Kino erfolgreich u. a. mit „Das wilde Leben“,  „Keinohrhasen“ mit Til Schweiger, „Schlussmacher“, „Der geilste Tag“ und im Hollywoodfilm „Army of the Dead“ von Zack Snyder. Zwei Kinder.

Frank Farian hat gesagt, Musik ist wie eine Droge. Sie haben selbst zwei Alben als Sänger herausgebracht, was bedeutet Musik für Sie?

Musik war früher ein Hobby von mir. Heute mache ich aber keine Musik mehr. Ich habe gemerkt: Musikmachen braucht solch hundertprozentige Liebe und Hingabe, und die investiere ich lieber in den Film.

Machen Sie gar keine Musik mehr? 

Ich finde schon noch Zeit dafür, aber nicht mehr im großen Stil und für die Öffentlichkeit. Ich habe auch deshalb früher gern Musik gemacht, weil es ein Ersatz fürs Theater war. Man konnte live spielen und hatte Kontakt zu den Leuten. Beim Filmemachen lebt man in einer Bubble, ohne Anbindung ans Außen, beinahe anonym. Ich habe es genossen, live zu spielen, aber es kostet auch enorm viel Vorbereitung. Mein Anspruch war immer, dass ein Auftritt genauso sitzen muss wie ein großer Kinofilm. Großes Entertainment. Aber das kann man gar nicht an jeder Stelle gewährleisten. Meine Musikkarriere ist jetzt erst einmal ad acta gelegt.

Glauben Sie, haben die Musikindustrie und ihre Manager in Zeichen von Spotify noch solche Macht wie früher?

Ich glaube nicht. Es gibt natürlich noch die Big Player. Andererseits ist jetzt vieles möglich: Man kann einen Song auf Spotify stellen, der kann durch die Decke gehen – und auf einmal ist es nicht mehr wichtig, ein gutes Major Label dabei zu haben.

Wie sehen Sie Phänomene wie TikTok und wie diese sich auswirken, auf Musik und Film, aber auch Sie als öffentliche Person?

Ich versuche mich mit sozialen Medien gar nicht allzu sehr beschäftigen. TikTok etwa habe ich gar nicht am Handy. Ich bin eher nicht so der TikToker, das überlasse ich gerne meinen Kindern.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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