Annette Bening als Virginia Hill

Virginia Hill: Die "Salzburger" Königin der Gangster-Bräute

Virginia Hill war eine der schillerndsten Figuren der Mafia-Szene, verdrehte Lucky Luciano und sogar dem unberechenbaren Bugsy Siegel den Kopf. Und dann verliebte sie sich in einen Salzburger Skilehrer.

Sun Valley, die Piste der Reichen und Schönen. Wo heute Ashton Kutcher, Timothee Chalamet und Matt Damon ihre Vierthäuschen haben, tummelten sich vor 75 Jahren Giganten wie Ernest Hemingway, Henry Ford und Errol Flynn. Ein Salzburger war mittendrin statt nur dabei – Hans Hauser war der Skilehrer der Promis: fesch, braungebrannt, ein echter Hahnenkamm-Sieger und WM-Medaillist.

Und dann kam „sie“, wie aus einem Noir-Thriller von Roman Polanski – seidenblass, mondän, geheimnisvoll: Virginia Hill wurde Hausers Schülerin. Ein Paar, das, hätte es ein Drehbuchschreiber erfunden, jeder Kritiker als „völlig unrealistisch“ in der Luft zerreißen würde.  Hill war damals zwar erst 32, hatte aber ein Leben geführt, das für gleich mehrere Filme gereicht hätte – und schließlich auch hat. In der US-Presse wurde sie als „Königin der Gangster-Bräute“ bezeichnet

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Virginia Hills glasklarer "Karriereplan"
  • Aufstieg mit den Waffen einer Frau?
  • Mafia-Braut und Skilehrer am Gaisberg

Und doch, wie ist das nochmal mit den Skilehrern und den Skihasen? Böses Klischee, natürlich, aber es war ganz einfach so: Zwischen dem Naturburschen und der verruchten Halbwelt-Lady funkte es, die beiden heirateten, 1950 kam ihr Sohn Peter zur Welt.

Ein Happy End, das für den schneidigen Skilehrer durchaus ungemütlich hätte werden können, denn Virginia war zuletzt die Braut an der Seite des als höchst cholerisch bekannten Mafia-Bosses Bugsy Siegel gewesen. Hans war allerdings im Glück, so man das im Zusammenhang mit einem kaltblütigen Mord sagen darf: Bugsy war kurz zuvor einem Bandenzwist zum Opfer gefallen. 

Benjamin „Bugsy“ Siegel

Benjamin „Bugsy“ Siegel galt als Frauenschwarm. Er wollte Virginia heiraten, die Ringe hatte er schon 

©imago images/Mary Evans/Mary Evans/imago images

Detail am Rande: Bevor er zum Casino-Tycoon aufstieg, war Siegel Chef der von ihm und Meyer Lansky gegründeten „Firma“: Murder, Incorporated. Die hieß tatsächlich so, und war, wie der Name sagt, spezialisiert aufs Grobe, darunter Auftragsmorde für Lucky Luciano. Kein Mann, mit dem man Ärger wollte jedenfalls.

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Warum Virginia nur drei Tage, bevor Siegel in ihrem Haus in Beverly Hills erschossen wurde, nach Paris flog, ist bis heute nicht geklärt. Angeblich war Siegels Tod bei der großen, sogenannten „Havanna Konferenz“ beschlossen worden, bei der die Super-Chefs der Cosa Nostra ihre Unternehmensstrategien besprachen. Mit Lucky Luciano und Joe Adonis waren auch zwei ihrer Ex-Lover anwesend. Vielleicht ja ein freundschaftlicher Tipp für die alte Flamme, wer weiß.

Starke Frauen-Rolle

Denn Virginia Hill hatte sich ein außergewöhnliches Standing unter den „Molls“, wie die hübschen Freundinnen der bösen Buben genannt wurden, erarbeitet. Als sie aus dem tiefen Süden von Alabama und Georgia nach Chicago kam, war sie gerade einmal 17 Jahre alt. Mit 15 hatte sie einen zwei Jahre älteren Nachbarjungen geheiratet, um dem Leben mit ihrer Mutter zu entkommen, in Chicago ließ sie sich umgehend scheiden.

Denn die junge Frau hatte ein konkretes Ziel: Kontakte zu den Reichen und Mächtigen zu knüpfen. Und das waren Mitte der 1930er-Jahre erstens einmal ausschließlich Männer. 

Ein Mädchen aus einem so bettelarmen wie bildungsfernen Haushalt konnte dabei nicht auf den jungen Harvard-Absolventen, der die Edel-Kanzlei seines Vaters übernimmt hoffen, weshalb sie sich zweitens in eine ganz bestimmte Richtung orientierte: Männer, die während der Prohibition jede Menge Dollars gemacht haben. Genau, die ehrenwerten Herren der Mafia.

Virginia bewarb sich ganz gezielt in einer einschlägigen Mafia-Bar als Kellnerin, wo sie schnell die wichtigeren Jungs des sogenannten „Chicago Outfits“ kennenlernte. Mafia-Zeitzeugen attestierten ihr, „nicht nur ein neues Set von Kurven zu sein“, sondern Ausstrahlung, Witz und diplomatisches Geschick zu besitzen. 

Eine junge Frau, auf die die Bosse bald ein Auge warfen. Und tatsächlich gelang es ihr, nicht nur der  hübsche Aufputz der hässlichen Ganoven  zu sein, sondern Missionen zu übernehmen. 

Nicht mit der Waffe in der Hand, das wäre eine zeitgenössische Regie-Idee auf der Suche nach „starken Frauenrollen“. Nein, Virginia Hill agierte auf diplomatischem Parkett, wobei sie ihre erotische Ausstrahlung gezielt einzusetzen wusste. Wie ging nochmal dieser ewiggestrige Spruch von den "Waffen einer Frau"? 

Der hat heute natürlich keine Gültigkeit mehr, aber in den 1940ern erkämpfte sich Hill damit schließlich einen Platz in der Mafia-Hierarchie.  Statt wie andere hübsche Mädchen als Drogen- oder Nachrichten-Kurier zu fungieren, konnte sie Deals abschließen, hatte einen eigenen Verhandlungsspielraum. Höher konnte eine Frau zu dieser Zeit in dieser Welt nicht aufsteigen.

Auf der Alm

Und welch ein Unterschied das zu ihrer neuen Welt war! Denn 1954 zog sie mit Hans Hauser nach Salzburg, lebte einige Jahre glücklich auf seinem Gasthof auf der Zistelalm am Gaisberg. Nicht ganz freiwillig, sie wurde davor in einem großen Mafia-Prozess vorgeladen, hielt zwar still, aber die Bosse waren nervös. Und Virginia Hill wusste nur zu gut, was das bedutete. Legendär ihre Antwort auf die Frage des Richters, woher ihr Vermögen stammte: „I am the goddam best lay in the country!“ 
 

Virginia Hill: Film, Bühne & Buch

Film:
„Bugsy“ (1991), mit Warren Beatty (Bugsy Siegel) und Annette Bening (Virginia Hill) 
„Im Solde des Satans“ (1950), mit Joan Crawford als Lorna Forbes, die auf Hills Charakter beruht
„Mistress to the Mob“ (1974), Harvey Keitel (Bugsy Siegel), Dyan Cannon (Hill)
„Das ungelöste Rätsel der Salzburger Mafiabraut“ (2020, Doku), Verena Altenberger (Hill)

Bühne:
„Virginia Hill“, Musical von Peter Blaikner und Konstantin Wecker

Buch:
„Virginia Hill: Memoiren einer Gangsterbraut“, Howard Peterson
„Bugsy's Baby: The Secret Life of Mob Queen Virginia Hill“, Andy Edmonds
„Virginia Hill. Das mondäne Leben einer Gangster-Braut“, Peter Blaikner

Ob die friedliche Salzburger Berg-Idylle sie bald langweilte? Fest steht, dass sie es gewohnt war, viel Geld auszugeben. Mehr als Hans Hauser verdiente. 

Virginia zieht immere wieder um, lebt einige Zeit mit ihrem Hans in der Schweiz, reist immer wieder nach Italien, bittet einen befreundeten Anwalt in Chicago immer wieder um Geld. Schließlich landete sie in Unken, im Salzburger Pinzgau. Nicht, weil das in den 1960ern ein prickelnder Hot-Spot gewesen wäre, sondern um ihr Tagebuch – das nie gefunden wurde – zu Memoiren auszuarbeiten. Es könnte ihr größter Fehler gewesen sein ...

1966 ist sie fertig, nimmt Kontakt zu Lucky Luciano auf, der inzwischen im italienischen "Exil" lebt. Sie hofft wohl auf eine große Summe, wenn sie die Memoiren NICHT veröffentlicht und vertraut dabei auf ihre gute Beziehung zu ihrem Ex-Lover. Immerhin hat der ihr wohl schon einmal das Leben gerettet.

Diesmal allerdings nicht, nur wenige Tage nach ihrem Italien-Trip ist Virginia Hill tot. Gestorben an einer Überdosis Schlaftabletten. Selbstmord, aber das Gerücht hält sich hartnäckig, dass sie nach einem versuchten Erpressungsversuch dazu gezwungen wurde, die Tabletten zu nehmen – da sonst ihr Mann und ihr Sohn ins Visier der Mafia geraten wären. Zwei „dubiose Herren“ aus Chicago hatten kurz vor ihrem Tod im Hotel Österreichischer Hof in Salzburg eingecheckt. Hat gar Lucky Luciano selbst die beiden "Hit-Men" nach Salzburg geschickt? 

Hans Hauser starb acht Jahre nach Virginia – angeblich ebenfalls Selbstmord. Ihr Sohn Peter hatte 1994 in Frankreich einen tödlichen Autounfall. Das sind doch sehr viele tragische Zufälle in einer Familie. 

Virginia Hill 

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Pictorial Press/Alamy Stock Photos / Pictorial Press/mauritius images
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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