
Hildegard Knefs Tochter: „Am meisten vermisse ich ihren Humor“
Knefs Tochter Christina Palastanga im Interview über den Weltstar. Sie wäre heuer 100 geworden, im Kino läuft eine neue Doku.
Im Dezember wäre sie 100 Jahre alt geworden, jetzt porträtiert die Doku „Ich will alles. Hildegard Knef“ (aktuell im Kino) sie behutsam wie eindringlich. Der erste deutsche Nachkriegsfilmstar war sie, ein Skandalon mit Nacktauftritt in „Die Sünderin“, gefeiert mit Cole Porter am Broadway, später eine Göttin des Chansons. Ein Leben, geprägt von großem Ruhm wie großen Niederlagen, eine Revoluzzerin, die sich in Interviews offenherzig preisgab.
Ihre Tochter Christina Palastanga (aus Knefs zweiter Ehe mit dem Schauspieler David Cameron) steuerte der neuen Doku selbst Aussagen bei. Mit der KURIER freizeit sprach die 57-Jährige von Santa Fe, New Mexico aus über ihre Mutter, den Weltstar.
Wie gefällt Ihnen der Film über Ihre Mutter, wird er ihr gerecht?
Ich finde den Film großartig. Vor allem freue ich mich, dass meine Mutter so einem jüngeren Publikum zugänglich gemacht wird. Das ist das Wichtigste für mich.
Hatten Sie Bedenken mitzumachen?
Ja, anfangs habe ich gezögert. Regisseurin Luzia Schmid hat mich aber überzeugt.
Wie ist es, einen großen Star wie Hildegard Knef als Mutter zu haben?
Von außen betrachtet sieht man das natürlich anders. Aber für mich war es der normale Alltag und im Grunde gar nichts Besonderes. Das war eben der Beruf, den Mama macht. Viel davon hat auch zuhause stattgefunden. Wenn sie Lieder geschrieben hat, oder an einem Buch. Damals war das ungewöhnlich, die Leute kannten so etwas wie Homeoffice ja noch nicht. Wenn sie da so in ihrer Arbeit aufgegangen ist, hatte sie auch nicht immer Zeit, um mit mir zu spielen, aber das war halt so. Auch für sie war das schwierig, weil ich wusste, dass sie auch mehr Zeit mit mir verbringen wollte.

Knef-Tochter Christina Palastanga: "Wenn im Tonstudio das rote Licht anging, wusste ich, ich muss mich ruhig verhalten"
©Frédéric BatierKönnen Sie sich an Filmpremieren oder ähnlich aufregende Ereignisse erinnern?
Ich kann mich erinnern, aber ich war kein Teil davon. Aber ich habe meine Mutter ins Tonstudio oder zu Dreharbeiten begleitet – das hat Spaß gemacht! Gleichzeitig hatte ich immer verstanden, dass das Arbeit war, was hier stattfand, das war kein Spielplatz. Die Regel, an die ich mich halten musste, war klar: Wenn du dich gut benimmst, dann kannst du mitkommen. Wenn im Tonstudio also das rote Licht anging, wusste ich, ich muss mich ruhig verhalten.
Sie war in Film wie Musik präsent, hat Bücher geschrieben. Wo war sie Ihrer Meinung nach am meisten sie selbst?
In der Musik, die hat sie am meisten geliebt und da konnte sie sich am besten ausdrücken – abgesehen vom Malen, aber dafür ist sie ja weniger bekannt. Und sie hat die Bühne geliebt. Vor Publikum zu singen hat ihr mehr gegeben, als in einem Film mitzuwirken. Auf der Bühne mit ihrem Applaus bekommt man die Energie der Leute sofort zurück. Eine besondere Erfahrung für sie.
Was war ihr Erfolgsgeheimnis?
Sie war ungeheuer talentiert. Und sie hatte die Fähigkeit und den Willen, immer noch viel mehr zu tun. Stets war da etwas Neues, das sie interessierte und sie ausprobieren wollte. Sie hat gesprüht vor Ideen – zuhause waren überall Zettel verstreut, auf denen sie Einfälle notiert hatte. Das hat nie aufgehört.
Wissen Sie, was der Ursprung und Impuls für diesen Schaffensdrang war?
Sie war sehr ehrgeizig, wollte immer vorwärtskommen. Dieser Ehrgeiz hat ihr geholfen, alles in ihrem Leben durchzustehen. Erst den Krieg – der hat sie ungeheuer geprägt als junge Frau und diese Erfahrung war stets präsent. Wenn man so etwas überlebt, sind danach die schwierigen Dinge nicht mehr so schwierig. Sei es ihre Zeit in Hollywood, als sie zwar einen Studiovertrag unterschrieb, der aber auf Eis gelegt wurde – und keine Jobs bekam. Oder alles, was das Leben danach noch für sie parat hatte.
Man konnte meiner Mutter nicht den Mund verbieten.
Wie sehr wollte sie den Erfolg?
Als deutsche Kriegsüberlebende die Chance zu bekommen, nach Hollywood zu gehen, muss ungeheuer groß gewesen sein. Dass man sie dort nicht arbeiten ließ, war sicher eine riesige Enttäuschung für sie. Ihr späterer Erfolg am Broadway hat sie aufgrund dieser negativen Erfahrung umso mehr bewegt. Das war wahrscheinlich ausschlaggebend dafür, wie sich ihre Liebe zu Musik und Bühne entwickelt hat.
Im Film fällt ein spannender Satz von ihr: „Ich muss es schaffen – was, weiß ich nicht genau. Außer, berühmt zu werden“.
Sie wollte wirklich anerkannt sein, aber nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Mensch.
„Die Sünderin“ war in den Fünfzigern ein riesiger Skandal. Die Knef zeigte sich nackt, es gab Demos, die katholische Kirche boykottierte das Werk. Mit welchem Blick sehen Sie heute diesen Publikumserfolg?
Der Film war ein großer Skandal, aber eigentlich war daran gar nicht die Nacktszene meiner Mutter schuld. Das waren vielmehr die Themen Selbstmord, Sterbehilfe und Prostitution. Deswegen hat die Kirche sich so aufgeregt. Aus heutiger Sicht für mich unverständlich und völliger Blödsinn. Auch meine Mutter hat die Aufregung, die der Film verursachte, total überrascht. Der Film ist aber nur ein kleiner Teil ihrer Karriere.
Die Knef galt als Tabubrecherin. Steckte da mitunter Kalkül dahinter?
Bei „Die Sünderin“ fand sie einfach das Drehbuch interessant, und sie mochte den Regisseur Willi Forst. Kalkül war das nicht. So wie sie auch in ihrer ganzen Karriere keine große Strategie verfolgte. Es mag sein, dass sie Tabus gebrochen und Klischees widersprochen hat, aber das tat sie einfach nach Gefühl. Sie hat sich da nicht groß darum gekümmert, das war ihr total egal.
War sie eine Feministin?
Ich weiß nicht, ob ich sie als Feministin beschreiben würde. Sie hat einfach nicht darüber nachgedacht, ob sie als Frau etwas nicht machen dürfe, das sonst nur Männer vorbehalten ist. Was heißt, ich kann das nicht machen – warum nicht? Solche Gedanken waren ihr einfach fremd. Das war schon ziemlich ungewöhnlich, wenn man bedenkt, wie konservativ ihre Generation war.
War sie immer so eine starke Frau?
Nein. Das Publikum sah immer eine sehr starke Frau – und sie war das auch. Gleichzeitig war sie auch sehr sensibel, verletzbar, zerbrechbar. Das war ihre andere Seite.
Sie war gegenüber Medien bemerkenswert offen. Denken Sie sich beim Sichten von Archivmaterial manchmal, ach, hätte sie das doch lieber nicht gesagt?
Nein, denn man konnte meiner Mutter nicht den Mund verbieten. Heute geben nicht mehr viele Stars so viel von sich preis.
Wie ist Ihr Gefühlszustand, wenn Sie im Radio Knefs berühmtestes Lied „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ hören?
Es ist nicht unbedingt mein Lieblingslied, aber ich freue mich dennoch immer es zu hören, weil es so ein riesiger Erfolg für sie war. Mein Favorit ist aber der Song „Leg doch nur einmal den Arm um mich rum“.
Was würden Sie sagen, welche Eigenschaften haben Sie von Ihrer Mutter?
Was ich von ihr gelernt habe, ist: Nur weil eine Sache scheitert, heißt das nicht, dass es nicht weitergeht. Man soll immer in die Zukunft schauen und nicht total mit der Vergangenheit beschäftigt sein. Das bedeutet nicht, sie zu ignorieren. Aber man kann immer etwas Neues lernen. Ich liebe Lernen.
Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Mutter?
Am meisten vermisse ich ihren Humor. Und ihre Berliner Schnauze.
Kommentare