Karl Markovics: Kommissar Rex war wichtiger als der Oscar
Lange hat Karl Markovics die Theaterbühne gemieden. Für My Fair Lady (Volksoper) kommt er zurück. Ein Gespräch über Musicals, Rex und Kate Winslet.
Ab 27. Dezember spielt Karl Markovics in My Fair Lady an der Volksoper in Wien den trinkfreudigen und vergnügungssüchtigen Vater der Protagonistin Eliza Doolittle. Ruth Brauer-Kvam übernimmt die Neueinstudierung, Paula Nocker und Markus Meyer sind in den Hauptrollen zu sehen.
Nach einer Probe kommt Markovics entspannt und bestens gelaunt zum Interview auf die Probebühne. Er scherzt, schnappt sich fürs Foto einen Kelch aus der Kulisse und hat einen Titelvorschlag für dieses Interview parat: "Wannst a Mazel host im Leb’n". So heißt das Lied "With a Little Bit of Luck" seiner Figur auf Wienerisch. Aus einem guten Grund, wie er betont. "Das trifft auch auf mich zu."
Mit der KURIER freizeit spricht Markovics über sein schwieriges Verhältnis zur Theaterwelt. Er verrät, ob ihn Fragen zu seiner Rolle als Stockinger in Kommissar Rex nerven und erklärt, warum er Hollywood-Star Kate Winslet auf Augenhöhe begegnet.
Sie waren jetzt eine Weile weg von der Bühne. Warum sind Sie gerade für My Fair Lady wieder zurückgekommen?
Karl Markovics: Ich habe das große Glück, nur das tun zu können, was ich wirklich will. Theater habe ich seit fast zwölf Jahren nicht mehr gespielt, weil ich das Gefühl hatte, wir hätten uns nichts mehr zu sagen. Ich gehe zwar regelmäßig ins Theater, doch dieses Gefühl des Fremdseins hat mich nicht losgelassen. Meine Portion Live-Erlebnis hole ich mir inzwischen über Lesungen. Als die Anfrage zu My Fair Lady kam, habe ich jedoch keine Sekunde gezögert.
Warum?
Zwischen meinem zehnten und vierzehnten Lebensjahr war ich regelmäßig mit meiner Großmutter im Raimund Theater oder in der Volksoper. Von Lehárs Zarewitsch bis Zellers Vogelhändler habe ich alles gesehen. Diese Operetten und klassischen Musicals haben meine Kindheit geprägt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Figur des Alfred P. Doolittle, den ich nun spiele – ein Mann mit einer beängstigend radikalen Freiheitsliebe. Auch die Rahmenbedingungen des Stücks waren ausschlaggebend.
Es ist mit Paula Nocker, Markus Meyer, Manuel Rubey ein Klassentreffen österreichischer Schauspielprominenz.
Gespielt oder gedreht habe ich erstaunlicherweise mit niemandem von ihnen. Manuel Rubey kenne ich zwar, aber auch nur vom Sehen.
Was spricht Sie am Stück so an?
Es ist grenzenlos lebensbejahend. Es ist auf unsentimentale Weise kitschig oder auf unkitschige Weise sentimental. My Fair Lady ist eines der bestgebauten Musicals überhaupt, dem man sich kaum entziehen kann, selbst wenn einem die Musik nicht zusagt. Ich finde es großartig, sich auf so etwas einzulassen. Und jetzt kommt der viel bemühte Satz: gerade in Zeiten wie diesen. Doch das hat nichts mit Eskapismus zu tun. Ich bin überzeugt, die Menschen haben das Recht, im Theater auch alternative Weltentwürfe zu erleben – selbst wenn allen klar ist, dass die Welt nie so funktionieren wird. Genau deswegen besucht man das Theater. Hier wird aus einem Blumenmädchen, das keinen geraden Satz herausbringt, eine Prinzessin. Dabei werden große Themen verhandelt: Es geht nicht um Kleider machen Leute, sondern um Sprache macht Menschen.
Es hieß im Vorhinein, dass das Stück weniger sexistisch werden soll. Wie notwendig ist es, My Fair Lady zu entstauben?
Es lohnt sich auf jeden Fall, vor allem, wenn man eine jüngere Generation ansprechen will. Diese Adaptionen sind jedoch so vorsichtig, dass sie die klassischen Musicalbesucher nicht verstören. Es läuft niemand in moderner Kostümierung herum, und nicht alle Frauen werden von Männern gespielt und umgekehrt. Und es ist vor allem wegen der Vorlage, Pygmalion von Bernard Shaw, gerechtfertigt. Bei dieser großartigen Aschenputtel-Geschichte darf nicht zu kurz kommen, dass sich eine Frau selbst findet. Sie behauptet ihr Selbstbewusstsein selbst gegen ihren vermeintlichen Erfinder. Hier wird der männliche Schöpferwahn auf die Schaufel genommen.
Weil Sie gesagt haben, Sie sind ein Fan von Old-School-Musicals. Könnten Sie sich vorstellen, einmal auch in Stücken wie dem Phantom der Oper mitzuspielen?
Auf jeden Fall. Ich habe für die Bregenzer Festspiele Das Jagdgewehr inszeniert und wurde damit zu einem Opernfestival in Suffolk eingeladen. Aber ich bin einen Tag extra früher nach England geflogen, um in London die womöglich 597. Vorstellung von Les Misérables anzusehen. Diese Werke haben eine unglaubliche Energie und Kraft.
Warum haben Sie mit dem Theater gefremdelt, wie vorhin erwähnt?
Es hat mehrere Gründe. Zum einen bin ich ein extrem ungeduldiger Mensch. Nach der achten Vorstellung werde ich schon nervös. Ich konnte dann drehen, wo ich zwar auch wiederhole, aber nur kurz am Stück. Am nächsten Tag ist es wieder etwas anderes. Der Drang, neue Dinge zu machen, wurde beim Film viel mehr befriedigt. Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass das Theater der Zeit hinterherläuft und versucht, modern zu sein, ohne es zu schaffen. Glücklicherweise kehrt es inzwischen davon ab, den Film zu imitieren, etwa mit überflüssigen Videoprojektionen oder Kameraleuten auf der Bühne.
Und beim Film ist Ihnen das nie passiert?
Nein, der Film war von Anfang an mein Medium. Vor der Kamera habe ich nie gefremdelt. Dieses unter Anführungszeichen Unpersönliche hat mich nie gestört. Es gibt kein Feedback vom Publikum, es ist alles purer. Es entspricht meinem Ideal der Schauspielerei: wie ein Kind, das vor einem Pappkarton steht und sagt, das ist ein Raumschiff.
Zuletzt hat Ihnen Kate Winslet nach den Dreharbeiten zur Mini-Serie The Regime Rosen gestreut. Was macht das mit einem?
Mit mir nichts, außer, dass ich mich freue. Das lässt mich nicht abheben. Ich bin jetzt 61 Jahre alt und gestehe mir inzwischen ein, dass ich etwas kann – und den Mut habe, Neues auszuprobieren. Kate Winslet ist eine großartige Schauspielerin. Das klingt jetzt sicher ganz fürchterlich: Ich bin auch kein ungroßartiger Schauspieler. Man kann sich dadurch auf Augenhöhe begegnen.
Winslet hat auch gemeint, Sie wären so etwas wie ein Elf, ein Kobold. Sind Sie einer, der Regisseure zur Verzweiflung bringt?
Nein, im Gegenteil. Seit ich selbst Regie führe, bin ich ein angenehmerer Schauspieler geworden. Ich verstehe, dass Regisseurinnen eine eigene Vision haben, und mein erster Reflex ist nicht mehr, dagegenzuhalten. Jetzt bin ich ein Schauspieler, der viel mit sich ausprobieren lässt und den verletzlichen Punkt der Figur sucht. Diesen verteidige ich dann auch gegenüber der Regie. Aber der liegt inzwischen so tief, dass kaum jemand ihn erreicht. Ich bin also sehr angenehm.
Sind Sie ein strenger Regisseur?
Ich bin vor allem deswegen streng, weil ich die Sachen, die ich inszeniere, auch selbst schreibe. Meine Texte sind keine Durchschnittstexte, die sind mundgerecht. Und die müsste jemand viel mehr mundgerechter anbieten, dass mich das überzeugt.
Was macht Ihre Texte so besonders?
Ich weiß, wie Menschen sprechen und schaue ihnen aufs Maul. Bei meinen vielen Fahrten in Straßenbahnen und U-Bahnen habe ich unzählige Gespräche mitbekommen. Deshalb bin ich auch immer noch ein eifriger Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln. Aus Gesprächen oder Telefonaten möchte ich eine Geschichte herausfinden.
Haben Sie auch schon Blut geleckt und wollen nach Drehbüchern einen Roman schreiben?
Ich habe schon daran gedacht, dass ich einen Erzählband schreibe. Ideen und Skizzen gäbe es schon. Ob es gleich ein Roman werden könnte, weiß ich nicht. Blut geleckt ist für mich nicht der richtige Ausdruck. Es hat sehr lang gedauert, bis ich das erste Drehbuch geschrieben habe. Es braucht auch Mut dazu, möglicherweise zu erkennen, dass etwas gar nicht so gut ist, wie gedacht. Und das Schreiben braucht natürlich auch Zeit, die mir fehlt. Ich bereite mich hier auf die Premiere vor, die einen auch beschäftigt, obwohl es keine so große Rolle ist. Parallel drehe ich die 5. Staffel Babylon Berlin. Und ab Jänner drehe ich einen Kinofilm.
Im Herbst war dreißig Jahre Kommissar Rex. Nervt es Sie, heute noch auf den Stockinger angesprochen zu werden?
Es hat mich nie genervt, darauf angesprochen zu werden. Es hat mich eher genervt, darauf festgenagelt zu werden, als sei man Allgemeingut. Mittlerweile hat sich das geändert. Viele Menschen sind damit aufgewachsen. Und manche sagen: Mit Ihnen habe ich meine Jugend verbracht. Da fühle ich mich dann älter.
Hätte sich Ihre Karriere ohne Rex anders entwickelt?
Das lässt sich schwer sagen, aber Rex war sicher eines der drei prägenden Erlebnisse in meinem Leben. Interessanterweise zählt der Oscar für Die Fälscher nicht dazu.
Warum nicht?
Da war schon alles passiert gewesen. Der Oscar war großartig für Österreich, für den Film, für mich als Person. Aber ich hatte nie das Gefühl, etwas geschaffen zu haben. Ich dachte keinen Moment daran, in den USA Klinken zu putzen und eine Hollywood-Karriere zu beginnen. Mir war klar, dass ich mich auf Regie und eigene Drehbücher konzentrieren wollte – das ist in den USA kaum möglich. Selbst Regisseure aus den USA können das bis auf wenige Ausnahmen nicht.
Zum Abschluss wird es nochmals musikalisch: Singen Sie zu Weihnachten unterm Christbaum?
Nein. Ich bin in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Da hat das Singen zu Weihnachten keine Tradition. Wir haben nie Weihnachtslieder gesungen. Und die meisten finde ich auch gar nicht schön.
Wird dafür gelesen?
Weihnachten ist sehr unkünstlerisch, sehr unkreativ. Da wird weder gesungen noch vorgetragen. Einfach entspannt.
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