30 Jahre Kommissar Rex: Warum Christoph Waltz schockiert war

Rex ermittelte vor 30 Jahren zum ersten Mal im Fernsehen. Wie Regisseur Oliver Hirschbiegel und „Höllerer“ Wolf Bachofner die Anfangsjahre erlebten und welche Feinde der Hund in den eigenen Reihen hatte.

Die Straßen Wiens waren sein Spielplatz. Die Verbrecher waren seine Gegner genauso wie Stockinger mit den Wurstsemmeln. Kommissar Rex hatte einen Verstand, der so scharf war wie seine Zähne. Mit seiner Spürnase tauchte er ein in eine düstere Welt voller Geheimnisse und Kapitalverbrechen. 

Mit einem Knurren stellte er die Schurken, mit einem Bellen wies er den Weg zur Lösung und Richie Moser folgte ihm auf Schritt und Tritt. Sein Name Rex, sein Beruf Kommissar und König der Fernsehunterhaltung.

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Ein König ohne Allüren. „Mit Hund zu drehen war erstaunlich unschwierig. Ich wage fast zu sagen, dass es am einfachsten war, den Hund dorthin zu kriegen, wo ich ihn brauchte. Die Schauspieler benötigten mehr Zuwendung und Gespräche“, erinnert sich Oliver Hirschbiegel an die Dreharbeiten. 

Er gehörte zu den Regisseuren der ersten Staffeln des „Kommissar Rex“. Später feierte er Erfolge mit dem Psychothriller „Das Experiment“ oder „Der Untergang“ über die letzten Tage Adolf Hitlers.

Regisseur Oliver Hirschbiegel war einer der ersten Regisseure des Kommissar Rex.

©EPA/ETTORE FERRARI

Die Fernsehserie galt lange Zeit als erfolgreichste der Welt nach Baywatch. Heuer, am 10. November, jährt sich die Erstausstrahlung des Pilotfilms zum 30. Mal. 1,4 Millionen Zuschauer schalteten damals in Österreich ein, später stieg die Zahl auf fast zwei Millionen. Mehr hatte im ORF nur der Villacher Fasching.

In den ersten Staffeln spielte alles mit, was im deutschen Sprachraum Rang und Namen hatte: Senta Berger, Veronika Ferres, Karlheinz Hackl, Cornelia Froboess. Und Christoph Waltz.

Der Puppenmörder 

Der heutige Hollywood-Star Waltz spielte einen sonderbaren, aber nicht uncharmanten Puppendoktor mit Paraphilie, der Damen dazu drängt, sich wie Puppen zu kleiden. Nachdem er sie fotografiert hat, ermordet er sie.

Christoph Waltz als charmanter wie perverser Mörder, der Frauen wie Puppen anzieht

©Ali Schafler / First Look / picturedesk.com

 „Christoph hatte damals einen großen Erfolg im Fernsehen. Aber das lag schon eine Weile zurück“, sagt Hirschbiegel. „Er war ein fantastischer Schauspieler, aber kein großer Name.“

Den Puppendoktor mimte er wohl eher des Geldes wegen. Kurz drehen, dann weg. Doch er hatte die Rechnung ohne Hirschbiegel gemacht.

 „Er war überrascht und schockiert, wie ernst ich das Ganze genommen habe. Und dass ich so lange mit ihm an dieser Figur gearbeitet habe. Aber dann passierte es: Er rief mich an und meinte, das würde ja super funktionieren. Er hätte nicht damit gerechnet, dass das so qualitativ ist.“

Das Konzept des blitzgescheiten Polizeihundes, der in düsterer Atmosphäre mit einem feschen menschlichen Kommissar auf Mörderjagd geht, hatte es anfangs generell schwer. Erfinder und Drehbuchautor Peter Hajek sei lange darauf sitzen geblieben, wie sich Hirschbiegel erinnert. Er hatte damals einen Tatort gedreht. Der Krimi wurde – für damals ungewöhnlich – mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Hajek kontaktierte den Regisseur und erklärte ihm das Projekt. „Ich habe die Geschichte sofort verstanden. Ich bin mit Lassie und Flipper groß geworden und habe sie geliebt.“ Hirschbiegel war sofort Feuer und Flamme, obwohl er aus dem Arthouse-Bereich kam, und „nicht für die pralle Fernsehunterhaltung“ bekannt war. „Umso überraschter war ich, als ich erfuhr, wie schwierig es war, das Projekt zu verkaufen. Kein Sender ist eingestiegen.“ Das sollte sich erst mit dem Privatsender Sat.1 ändern. Der schnappte sich schließlich die Serie, der Hund wurde zum Star.

Ein Bild trauter Zweisamkeit: Der Fernseh-Rex mit Tobias Moretti  

©Karl Schöndorfer / picturedesk.com

Kein Wunder: Mit seinem treuherzigen Blick, seinem weichen Fell und seinem Talent, den schrulligen Stockinger zur Verzweiflung zu bringen, konnte er alle anderen nur zu Nebenfiguren degradieren. Doch es gab noch eine zweite Hauptrolle: Wien, „neben Rex das wichtigste Element der Serie“. Das sagte Hajek kurz vor der Erstausstrahlung. Er verwies auf die „schöne Kulisse“, den „berühmten Charme der Wiener“ und die Lage als Schnittpunkt zwischen Ost und West“.

Doch Wien ist hier nicht nur eine mit Zuckerguss überzogene Walzerstadt. Unter der süßen Garnitur lauert das Verdorbene. Kleinbürger töten Obdachlose, weil sie nicht in ihr Weltbild passen. Enttäuschte Angestellte vergiften Energydrinks und nehmen hin, dass werdende Väter oder Kinder daran sterben. Aber nicht nur Täter sind bizarr. Die Menschen in Wien wirken wie aus einer anderen Zeit. Der Hubertusmantel, ein Relikt der muffig-provinziellen Nachkriegszeit, gehört für viele immer noch dazu. Statuen beobachten das alles. Vor lauter Schrecken scheint es, als würden sich ihre steinernen Gesichter zu Fratzen verwandeln.

Frisch und unheimlich

„Die Zeiten, in denen alle Fassaden grau waren, waren vorbei. Die frühen Neunziger waren für Wien frische Jahre. Aber die Geschichten sind natürlich sehr dunkel und unheimlich. Und in gewisser Weise sehr wienerisch. Deshalb hat mich das so fasziniert“, sagt Hirschbiegel. „Wien ist einzigartig auf der Welt. Es war die einzig denkbare Möglichkeit, die Geschichte hier anzusiedeln.“ Die Folgen führen in alle Bezirke und quer durch alle sozialen Schichten. „Die Wiener wissen das gar nicht. Aber es ist schon sehr speziell in Wien.“

Seine Lieblingsfolge ist „Bring mir den Kopf von Beethoven“. Grabräuber stehlen das Haupt des Komponisten. Hehler sterben. Eine junge Frau, von der man nichts weiß, taucht als Deus ex Machina auf, ebenso ein italienischer Beethoven-Forscher. Und am Ende bleiben einige Fragen offen. Bewusst, kein Regie- oder Drehbuchfehler, wie Hirschbiegel sagt. „Das war ein bisschen halluzinativ, sehr verdreht, sehr wienerisch. Da war diese Obsession um den Tod drin. Und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, auf dem Zentralfriedhof zu drehen.“

Hirschbiegel spricht gerne darüber. Anders als Tobias Moretti, dem damals als Rex-Herrchen Richard Moser die Herzen nur so zuflogen. „Man kann mich auf alles anreden. Nur muss ich jetzt wirklich weg ...“, sagte er einmal der auf die Frage, warum er das Thema meide.

„Tobias kommt im Gegensatz zu mir vom Theater. Er versteht sich als Mann der Kultur und des seriösen Dramas. Für ihn war so etwas wie Rex nicht auf Linie. Andererseits hatte er einen großen Spaß, das zu drehen“, sagt Hirschbiegel. „Aber als Schauspieler ist das schwierig. Wenn eine Rolle so fulminant und weltweit erfolgreich ist, kämpft man ein Leben lang gegen ein Image an. Das kann ich schon nachvollziehen.“ Ähnlich erging es Bruno Ganz. Der vielfach ausgezeichnete Schauspieler war in Hirschbiegels „Untergang“ Adolf Hitler und wurde danach auf diese Rolle reduziert.

Höllerer, der Antiheld

Wolf Bachofner wird wohl immer mit dem gemütlichen Höller in Verbindung gebracht werden. Was ihn nicht stört. „Ich habe nichts Schlechtes über Kommissar Rex zu sagen.“ Höllerer saß meist mit seinen Hosenträgern im Büro und telefonierte sich durch die Stadt, während Rex und Richie sich in Abenteuer stürzten. Das Abenteuer im Büro bestand meist darin, dass Rex dem Stockinger die Wurstsemmel wegschnappte.

Wolf Bachofner als Höllerer mit dem Fernsehhund und der unvermeidbaren Wurstsemmel. Rex konnte davon nie genug bekommen. Und traktierte deswegen vor allem den Stockinger  

©Ali Schafler / First Look / picturedesk.com

„Ich kam von der freien Szene und habe dort mit Karl Markovics Theater gespielt“, erzählt Bachofner, der auch als Harald Franitschek in „Schnell ermittelt“ Bösewichte zur Strecke bringt. „Wir haben gemeinsam in einem Film gespielt, den die Macher gesehen haben. Die haben uns als Pächen engagiert – als Gegengewicht zum Hero, als humoristisches Element neben der Action. Das ist zumindest meine Erklärung.“

Und die Rolle sollte gehörig einschlagen. „Der Erfolg hat mich überrollt. Es gab einen Punkt, da ging ich durch Wien und merkte: Ich schaue immer nur nach unten. Ich hatte das Gefühl, jeder Dritte sieht mich an. Damit konnte ich nicht gut umgehen.“

Es gab aber auch Momente, in denen er sich nicht wegducken konnte – zum Beispiel beim Bestellen im Geschäft. Aber auch da wurde es schwierig. „Wenn man zum Fleischhacker ging: kam man natürlich nur wegen der Wurstsemmeln.“ Und die Schmähs über Rex herzhaftes Lieblingsessen wurden mit der Zeit auch richtig lau.

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Heute noch wird er auf der Straße auf Höllerer angesprochen. Auch von Menschen, die vor 30 Jahren noch sehr jung waren, höchstens sechs, sieben Jahre alt. „Ich frage dann: Wie kann das sein? Die Standardantwort ist immer: Wir durften nix schauen, den Rex aber schon. Wegen des Hundes. Dabei war das eine Mordserie, da ging es auch um Kindermord.“

Aber wenn er so lieb war, der Hund. Im Oktober 1995 erzählte Moretti, der schon darauf achtete nicht zu sehr zum Rex-Gespielen zu werden, dem KURIER: „Der ORF hat schon angefragt, ob ich nicht auch im ‚Confetti‘ (Kinderprogramm, Anm.) auftrete. „Kommissar Rex ist keine Kindersendung.“

Tobias Moretti mit Hund und KURIER-Romy. Ein Bild aus den Neunzigern.

©Kurier/Wilhelm Schraml

Die Schauspieler selbst kamen mit dem flauschigen Fell des Hauptdarstellers nicht wirklich in Berührung. B.J., so der Name des ersten Haupthundes, war zu sehr Profi. Zwischen Dreharbeiten ging es in einen Ruheraum. Bachofner: „Wenn er etwas mit uns gemacht hat, war das Teil des Spiels. Aber es war nicht so, dass wir sagen konnten B.J., komm her krauli und streicheln. Das wäre nicht im Sinne des professionellen Trainings gewesen. Er musste fokussiert sein.“

In den Drehpausen war er bei seiner Trainerin Teresa Ann Miller und ihrer Kollegin. Miller stammt aus einer Familie, die in Hollywood mit Tieren gearbeitet hat. „Die Tiertrainer haben unsere Vorstellungen auf den Hund übertragen, und der hat das umgesetzt. Das war faszinierend“, sagt Hirschbiegel.

Eifersüchtig

Wobei, eigentlich war es nicht der Hund. Es waren mehrere: „Wir hatten B.J., und dann gab es noch zwei andere Hunde, die spezielle Fähigkeiten hatten.“ Der eine konnte springen, der andere gut Aggression zeigen. „Das Lustige war, dass die zwei, die nur selten drehen durften, eifersüchtig auf B.J. wurden. Das hat dazu geführt, dass sie auf ihn losgegangen sind.“

Doch was auch immer B. J. oder seine beiden verbissenen Mitstreiter taten, sie konnten es einigen im großen Kreis des Fernsehpublikums nicht recht machen.

Es war nicht so, dass wir sagen konnten B.J., komm her krauli und streicheln.

Wolf Bachofner Höllerer

„Wir haben Post und Anrufe bekommen, in denen Hundebesitzer behauptet haben, ihre Hunde seien viel besser als Kommissar Rex“, erzählte Hajek einmal in der Zeitschrift „Öffentliche Sicherheit“. Eine Zeitung startete gar einen Fotowettbewerb. „Ich erinnere mich an ein Bild mit einem Hund in einem Sessellift. Der Besitzer hat dazu behauptet, der Hund steige täglich in den Sessellift ein und fahre selbstständig auf die Alm.“

Die Interventionen blieben erfolglos. B.J. ermittelte bis zum Jahr 2000, ebenso wie „Höllerer“ Bachofner. „Ich war so lange dabei wie der erste Haupthund.“ Beide erlebten Richie Mosers Tod in der 4. Staffel mit – erschossen von einem Psychopathen, gespielt von Ulrich Tukur. „Jedem anderen hätte das die Karriere zerstört. Jemand, der den Moser erschießt, dieser Schauspieler hätte ein Leben lang einen Makel gehabt. Das war bei ihm zum Glück nicht so.“

Ab der fünften Staffel zog auch Bachofner einen Schlussstrich. „Ich war der letzte Überlebende der Ursprungsmannschaft.“ Höllerer wollte Wirt werden. B.J. kam ins Altersausgedinge nach Kalifornien. „Ich habe aufgehört, weil ich nicht mehr wollte. Eines Tages hatte ich das Gefühl: Was mache ich da eigentlich?“

Ganz so traumatisiert vom Krimi wirkt Bachofner nicht. In einem Ludwigshafener Tatort ist er bald als schräger Verdächtiger zu sehen. In der ZDF-Reihe Ostseekrimi gibt er den neuen Kripo-Chef. Darin ist er heute, Samstag, um 20.15 Uhr zu sehen. „Einmal Krimineser, immer Krimineser.“

Zahlen, Daten, Fakten

  • 120: In so vielen Ländern lief die Serie, es gab rund 180 Folgen aus Österreich und Italien
  • 6 Hauptermittler schnappten  in Österreich und Italien mit Rex die  Verbrecher.
  • Mozart & Meisel: So hieß die Serie mit Andreas Vitasek und Götz Kauffmann, die Peter Hajek und Peter Moser vor Rex erfunden hatten.
  • 1,9 Millionen Zuseher hatten einige der Rex-Folgen der ersten Staffel in Österreich.  
  • Thunfischpaste: Damit lockte Jürgen Maurer den Rex bei Dreharbeiten für den Fernsehfilm „Eiszeit“ aus Meran, der 2013  ausgestrahlt wurde. 
  • 6 Deutsche Schäferhunde spielten den Rex von 1994 bis 2014.
  • Hudson & Rex heißt die kanadische Serie, die auf Kommissar Rex basiert.  Statt Wurstsemmeln gibt es Hotdogs. 
  • 1 Staffel gab es vom Rex-Ableger „Stockinger“. Der schrullige Bezirksinspektor ermittelte rund um Salzburg und im Salzkammergut.   
  • Bürgerlicher Name: B.J., der erste Rex, hieß eigentlich Santo vom Haus Ziegelmeyer.
  • EM 2008: Der italienische Rex kehrte zur Fußball-EM für eine Folge nach Wien zurück. In „Ein tödliches Match“ unterstützte er ehemalige österreichische Kollegen.
  • Animal Action hieß die Hollywood-Firma, die nicht nur Rex, sondern  auch den „Hund namens Beethoven“ und das Schweinchen Babe trainierte. 
     
Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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