Eckart von Hirschhausen: "Keiner wird mit seiner Bambuszahnbürste diese Welt retten"

Kabarettist und Klimaschützer Eckart von Hirschhausen über das Autoland Österreich, Klimakleber und sein ganz persönliches Glück.

Er will nichts weniger, als die Welt retten. Blauäugiger Träumer ist er deshalb ganz und gar nicht. Eckart von Hirschhausen hat einen klaren Kopf, logische Ideen und viel Humor. Diese Eigenschaften haben ihn zu Deutschlands beliebtesten Arzt und auch in Österreich wohlbekannt gemacht. Als Kabarettist über gesundheitliche Themen. Und als Bestsellerautor (etwa von "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben").

Zudem hat von Hirschhausen die Gabe, komplexe Probleme verständlich und scharfsinnig auf den Punkt zu bringen. Das bringt er auch in seine neue Aufgabe ein: Seine Bühnenkarriere hat er aufgegeben und sich jetzt mit seiner Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ ganz dem Klimaschutz verschrieben. Sein aktuelles Buch hat er zusammen mit Autor Martin Häusler herausgegeben: „Als ich mich auf den Weg machte, die Erde zu retten – Eine Reise in die Nachhaltigkeit“.

Beginnen wir mit der schlechten Nachricht: Sie haben Ihre Bühnenkarriere beendet. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Die Bühne hat 35 Jahre lang mein Leben bestimmt. Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass die Dringlichkeit, mit der wir uns jetzt um unsere Lebensgrundlagen kümmern müssen, sich schlecht verträgt mit der Erwartung der Leute, dass jeder dritte Satz eine Pointe ist. In diesem Jahrzehnt wird entschieden, ob wir die Erde deutlich über die 1,5 Grad-Grenze weiter aufheizen oder ob wir die Kurve kriegen. Deshalb setze ich mich jetzt Vollzeit für eine gesunde Erde ein. Wenn die Welt bald gerettet ist, mache ich gerne wieder nur Quatsch. Ein Leben ohne Unsinn macht ja auch keinen Sinn.

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Wenn Sie vor Menschen sprechen, was geben Ihnen solche Abende?

Meistens denken wir, Lachen ist etwas Oberflächliches. Aber Lachen ist vielmehr ein Ja zur Paradoxie unseres Daseins. Wir kommen aus Staub, wir werden zu Staub. Lachen ist das Gegengift für die rasante Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch das Hamsterrad von immer schneller, immer mehr. Miteinander lachen, singen, Spaß haben: Wer sich an das hält, verballert auch nicht so viele Ressourcen. Und der CO2-Abdruck ist live dann kaum mehr als Ein- und Ausatmen.

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Was uns zur guten Nachricht führt: Sie wollen mithelfen, die Welt zu retten.

Wir müssen die Welt nicht retten, wir müssen uns retten. Der Erde ist es doch egal, ob es uns gibt oder gut geht. Aber uns sollte das nicht egal sein. Bei lauter Gletscher- und Eisbär-Metaphorik fehlte einfach der Link zur Gesundheit. Die ist uns allen wichtig. Gesundheit beginnt nicht mit einer Tablette, Operation oder einem überflüssigen Nahrungsergänzungszeug. Gesundheit beginnt mit der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, den Pflanzen, die wir essen können, erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander. Deshalb können Ärzte zu diesem Thema nicht schweigen. Auch ich nicht. Weil die Klimakrise eine krasse Gesundheitsgefahr ist und unser Gesundheitssystem droht zu überfordern.

Wie ist es dazu gekommen?

Der menschengemachte Klimawandel und das Artensterben haben als Ursache die Menge an fossiler Energie, die wir sekündlich aus der Erde holen und als Dreck und Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten. Den Tieren nehmen wir durch die Art der Landwirtschaft Lebensraum und Rückzugsgebiete. Der Gedanke vom dauerhaften Wachstum ist leicht ad absurdum zu führen. Die Erde ist begrenzt groß und wir können nichts wegschmeißen, das nicht in anderer Form wieder auftaucht. Oder an anderer Stelle. Etwa wenn wir unserem eigenen Plastikmüll am Strand in Asien wiederbegegnen, obwohl wir doch dahin geflogen sind, um uns selbst zu finden – nicht unsern Mist.

Was kann man tun?

Uns bewusst machen, dass wir Teil des Problems bleiben können oder Teil der Lösung werden. Es braucht ein Gemeinschaftsgefühl. Und viele tun ja schon was. Sie denken, im Alltag etwas zu ändern, hat die größte Hebelwirkung. Tatsächlich sind es aber die politischen Rahmenbedingungen. Das Ozonloch geht zu, weil man sich weltweit einigte, keine FCKWs mehr freizusetzen. Ordnungspolitik ist der eine Hebel. Und Anreize für alle, die das Richtige tun, über einen relevanten CO2-Preis etwa. Momentan subventionieren wir immer noch fossile Infrastruktur, eine Landwirtschaft, die Böden zerstört und Autos statt Zügen und Radwegen und wundern uns, dass wir uns von unseren Zielen immer mehr entfernen.

Der Einzelne ist machtlos?

Dass es einen Bewusstseinswandel braucht und jeder bei sich selbst anfangen muss, etwas für die Umwelt zu tun – diese Rede kann ich schon nicht mehr hören. Dazu muss man wissen: Den Begriff des „persönlichen ökologischen Fußabdrucks“ hat eine Ölfirma erfunden, nämlich BP (British Patrol). Das war eine gezielte Idee, damit sie von ihrer eigenen Verantwortung ablenken konnten auf die bösen Verbraucher. Auch der Ölkonzern Exxon beschäftigte in den Neunzigern die besten Klimawissenschaftler der Zeit. Und als sie wussten, was uns allen droht, investierte Exxon nachweislich Millionen in die Verbreitung von Falschinformationen. Das war kriminell.

Eckart von Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen wurde 1967 in Frankfurt am Main geboren. Der 1,93-Meter-Mann studierte in Heidelberg, Berlin und London Medizin, danach Wissenschaftsjournalismus. Er ist Moderator, Kabarettist zu medizinischen Themen und Buchautor diverser Bestseller. Er ist verheiratet.

Die Fülle an schlechten Nachrichten frustriert viele.

Was gerade passiert, macht vielen Menschen Angst. Man überlegt, wo soll man den Urlaub verbringen, und dann schlägt man die Zeitung auf und liest: Hitzewelle, Trockenheit und tennisgroße Hagelkörner in Italien, in Griechenland brennt es, in Kanada auch, sodass man zeitweilig in New York nicht mehr auf die Straße konnte. Die Freiheitsstatue hätte gerne allen was gehustet, die Klimaschutz als Freiheitsberaubung deklarieren. Wir dachten ja immer, die Klimakrise, die passiert irgendwann und in weiter Ferne. Doch jetzt kommt sie mit einer offensichtlichen Gewalt immer näher. Angesichts dessen hat man zwei Möglichkeiten: Entweder stellt man sich dem Thema oder man weicht ihm aus. Das Fatalste wäre aber, zu sagen: Es ist eh schon alles zu spät.

Was lässt Sie nicht den Humor verlieren, angesichts beständiger Bedrohungen?

Ich bin ein großer Fan des österreichischen Psychoanalytikers Viktor Frankl. Er stellt stets die Frage nach der Lebensaufgabe. Meine ist jetzt: mich der planetaren Gesundheit wie auch jener der Menschen zu widmen. Es würde mich frustrieren, nicht zu versuchen, etwas zu ändern. Wenn man es nicht versucht, ist man schon gescheitert.

Der wichtigste Grund, warum ich von Deutschland gerne hierhergekommen bin, waren nicht die Autos.

Nicht von allen wird die Klimakrise ausreichend ernst genommen. Fühlen Sie sich manchmal wie ein Hofnarr in einem Theater des Schreckens?

Es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, solange andere sie hauptberuflich zerstören. Deshalb müssen wir offenlegen, wer daran interessiert ist, dass alles so weiterläuft wie bisher. Keiner wird mit seiner Bambuszahnbürste und seinem Jutebeutel diese Welt retten können. Was wir brauchen, ist gute Politik. Und einen hohen CO2-Preis. Das Verdrecken der Welt muss teurer sein als das Bewahren. Eigentlich ein konservativer Gedanke im wahrsten Sinne.

Hierzulande hat der Bundeskanzler verlautbart, Österreich sei ein Autoland und er sei gegen ein Aus des Verbrennermotors. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Es gibt natürlich Situationen, in denen man ein Auto benötigt, gerade wenn man am Land wohnt. Aber in der Stadt stehen die Dinger über 95 Prozent der Zeit herum. Eigentlich sollten sie nicht Fahrzeuge heißen, sondern „Stehzeuge“. Ich liebe Österreich, seit ich ein Kind bin. Meine Sommerferien habe ich stets bei meiner Tante im Salzkammergut verbracht, bin im Hallstätter See geschwommen, auf die Berge gekraxelt. Der wichtigste Grund, warum ich von Deutschland gerne hierhergekommen bin, waren nicht die Autos. (lacht) Es gibt aber noch etwas, das man sich vergegenwärtigen sollte.

Und das wäre?

Wenn man ein Auto fünfmal betankt hat, ist die Masse an Treibhausgasen, die man produziert hat, schwerer als das Auto selbst. Die schweben dann tonnenschwer in der Luft über uns, wir sehen’s nur nicht. Wäre das Zeug grün und stinkig, hätten wir das Problem längst gelöst.

Würden Sie sagen, Sie sind heute kein Kabarettist mehr, sondern Aktivist?

Der Begriff Aktivist ist schwierig, da denkt man gleich ans Steinewerfen und Auf-die-Straße kleben. Das ist nicht mein Stil. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass das ein sinnvoller Weg ist, um Mehrheiten für dieses Thema zu gewinnen. Wenngleich ich die Verzweiflung vieler junger Menschen verstehen kann. Die sagen zu Recht, außer Lippenbekenntnissen und kleinen Veränderungen ist bislang nicht wirklich Substanzielles passiert. Jeder, der nix macht, ist in meinen Augen ein Aktivist für das Weiter-So. Und es muss doch mehr Möglichkeiten geben, sich einzubringen als auf dem Sofa zu kleben oder auf der Straße. Jeder kann sich überlegen, wen er bewegen kann, der mehr bewegen kann als man selbst. Wir schaffen das gemeinsam oder gar nicht.

Gibt es eigentlich Menschen, die sich jetzt von Ihnen abwenden, nach dem Motto: Früher fand ich ihn witzig, heute ist er mir zu ernst geworden?

Komischerweise erlebe ich viel öfter das Gegenteil. Wenn Leute mich im Zug, auf der Straße oder nach einem Vortrag ansprechen, bedanken sie sich oft bei mir, was mich total freut. Wenn man dagegen in den sozialen Medien nachsieht, bekommt man schnell das Gefühl, die ganze Welt würde nur aus Rechtspopulisten bestehen. Dem ist aber nicht so. Die Mehrheit weiß oft nicht, dass sie die Mehrheit ist. Weil die anderen Leute so viel Lärm machen.

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Was bedeutet für Sie persönliches Glück?

Auf dem Rücken schwimmen und in den Himmel schauen. Und wenn das Wasser dabei nicht zu kalt und gleichzeitig nicht zu warm ist und der Himmel blau, dann bin ich doppelt glücklich. Und noch etwas beschert mir großes Glück: auf der Bühne zu stehen, Menschen zu inspirieren und gemeinsam zu spüren, dass das Leben auch Spaß macht. Und wir dankbar sein können für jeden Tag, den wir haben.

Was macht ein gutes Leben aus?

Das Spannende ist ja, dass es dazu letztlich gar nicht so viel braucht. Erstmal hat es mit der Grundsicherung der Bedürfnisse zu tun, mit genug zu Essen und Kleidung und einem Dach über dem Kopf. Aber dann ist ein gutes Leben vor allem eines, bei dem ich mich verbunden fühle mit anderen, etwas tun kann, was für andere und mich Sinn ergibt. Und ich dort bleiben kann, wo ich gerne bin.

Weltretter Hirschhausen: „Der Begriff Aktivist ist schwierig, da denkt man gleich ans Steinewerfen und Auf-die-Straße-Kleben. Das ist nicht mein Stil“

©Dominik Butzmann / laif / picturedesk.com
Was die Gestaltung der Arbeitswelt betrifft, bestehen zwischen den Generationen schwere Auffassungsunterschiede.

Viele der jüngeren Generation fragen sich, warum sie sich so kaputt arbeiten sollten wie die Generation vor ihnen. Nur, um im Ruhestand endlich genug Zeit zu haben, um einen Herzinfarkt zu bekommen? Sie wollen sich Zeit nehmen für sich, und die Arbeit soll Sinn machen. Aber das stellt natürlich erstmal eine Provokation dar für alle, die sich abgeschuftet haben, damit die nächste Generation es besser haben soll. Die wird es nicht einfacher haben, im Gegenteil.

Die ältere Generation ist der Meinung, die Jüngeren sollten erstmal etwas leisten, bevor sie Ansprüche stellen dürfen.

Ich bin Jahrgang 1967 und selbst einer aus der Boomer-Generation. Und ich muss sagen: Wir hatten es verdammt gut, so gut wie keine Generation vor uns. Man nehme nur meine Eltern: den Krieg erlebt, geflüchtet, alles neu aufgebaut. Ich hingegen durfte fünf Jahrzehnte lang in Wohlstand und Frieden aufwachsen – bis zum Ukraine-Krieg – in der Illusion, dass die Welt eigentlich immer besser wird. Das ging nicht ganz auf.

Was wird uns retten?

Als Elon Musk twitterte „100 Millionen für eine Innovation, die CO2 binden kann“, schrieb jemand zurück: „Dürfen sich auch Bäume bewerben?“ Das ist mein Humor. Intakte Natur ist unser wirksamster Verbündeter, von den Mooren bis hin zu einer artenreichen Pflanzen- und Tierwelt. Diese „nature based solutions“ können wir ergänzen durch technische Lösungen. Dummerweise sind Dinge im Erdsystem irreversibel: Eine Art, die weg ist, bleibt weg. Gletscher, die getaut sind, kommen nicht zurück. Und wenn unsere Körperkerntemperatur länger über 42 Grad liegt, kommen wir auch nicht wieder. Deshalb geht es jetzt um was: um jedes zehntel Grad, das wir global nicht überhitzen, um jede Tonne, die wir vermeiden, um jeden, der mitmacht. In meinem Lieblingscartoon der Peanuts sagt Charlie Brown: „Eines Tages werden wir alle sterben“. Und Snoopy antwortet: „Stimmt – aber an allen anderen Tagen nicht!“

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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