Österreich im Glas: Warum der Weiße G’spritzte immer Saison hat
Wenn es ein inoffizielles Nationalgetränk in Österreich gibt, dann dieses. Ode an den Weißen G’spritzn. Plus: wie man ihn am besten trinkt und andere Fragen der Philosophie.
Was in mir sitzt, ist weiß gespritzt. Wer das gesagt hat? Ein Wiener natürlich, ein ganz berühmter noch dazu. Falco war es, Gott hab ihn selig, und er war so, wie die Wiener sich mitunter gerne sehen: ein süffisantes Lächeln auf den Lippen, während man beim Heurigen sitzt und der Welt beim Untergehen zusieht. Gemütlich, eigentlich.
Der Song, aus dem die Zeile stammt, mag zwar "America“ heißen, tatsächlich ist er eine Ode an Österreich. Obwohl er in Amerika jetzt groß und berühmt sei, rappt der Falke, und Whisky tschechern würde, bleibe er eben doch auf ewig ein Wiener: Amoi hoch und amoi tiaf, amoi g’spritzt, dann wieder kloar.
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Eine Selbsterkenntnis. Und natürlich ein typischer Fall von: Du kriegst den Buben zwar raus aus Wien, aber nicht umgekehrt. Dass Falco seine Einsicht an der Metapher vom Weißen Spritzers festmacht, wundert nicht.
Das schreibt das Gesetz vor
Denn wenn es ein österreichisches Nationalgetränk gibt, dann ist es dieses: 50 Prozent Wein, 50 Prozent Wasser (Soda oder Mineral), so muss es ins Glas, und nicht anders. Darf es auch nicht: Der Paragraph drei der nationalen Weinbezeichnungsverordnung ist da unnachgiebig.
Das Ergebnis: ein Alkoholgehalt von 4,5 Prozent.
Als Sorte, die sich für die Mischung bestens eignet, gilt zuvorderst der Grüne Veltliner. Er besitzt jenes frische Naturell, das unseren Gaumen jubilieren lässt. Aber auch Weißburgunder oder Welschriesling werden empfohlen. Diese Weine korrelieren ebenfalls mit der Spritzigkeit des Mineralwassers sehr gut.
Andere Tipps, die man für die richtige Zubereitung noch beachten sollte:
- Erst das Wasser ins Glas, danach erst den Wein.
Das Ziel ist klar: Der Geschmack des Rebensafts tritt dadurch stärker zutage.
- Soda- oder Mineralwasser verwenden?
Die Wahl beeinflusst den Geschmack. Soda schmeckt neutraler, beeinträchtigt den Wein weniger, kann das Ergebnis allerdings ein wenig fad schmecken lassen. Außerdem raucht es schneller aus. Mineralwasser hingegen kann, sofern es mit einem hohen Magnesiumanteil einhergeht, für einen metallischen Gesamteindruck sorgen.
- Dickes Glas macht kühles Getränk.
Sechs Grad Celsius soll die Temperatur des Spritzers idealerweise betragen. Was hilft, um sie zu halten: eine dicke Glaswand. Das Glas mit Henkel kühlt also besser als das Glas mit Stiehl.
- Beiwerk oder nicht?
Eine Frage des Geschmacks! Und zwar des ganz persönlichen. Während die einen auf eine Zitronenscheibe im Glas schwören, um ihrem Spritzer noch eine extra Dosis Sommer zu genehmigen, verbitten andere sich das strikt und können darob gar böse werden. Dasselbe gilt für Eiswürfel.
Doch wie auch immer man den Trinkgenuss handhaben mag und wie oft man noch vom Aperol reden mag, am Ende landen wir ja doch bei ihm: Der weiße G’spritzte hat immer Saison, um einen alten Werbeslogan zu zitieren.
Aperol & Co
Er ist das bodenständige Äquivalent zum bittersüß-bunten Italofeeling des Aperol, zum filigran-fruchtigen Hugo mit seinen Minznoten, oder zum Lillet mit seinem Holunderblütengeschmack, den Parisienne rauchende Philosophiestudentinnen bei Dämmerung gern im Schanigarten trinken.
Modegetränke, selbst wenn sie sich durchaus schon länger halten. Postkartenfeeling. Und vielleicht Instagram-tauglicher als das bodenständige Wein-Wasser-Gemisch. Der Wille zu glänzen, er fehlt dem Spritzer ein wenig. Er bietet weniger gestellte, heile Welt, dafür mehr echtes Leben.
Wie viele Spritzer trinken die Österreicher pro Jahr?
Und das ist auch gefragt: 237 Millionen Liter wurden 2022 durchschnittlich in Österreich konsumiert, weiß die Österreich Wein Marketing. Umgerechnet auf den Pro-Kopf-Verbrauch wird es anschaulicher: 26,4 Liter Wein pro Person ergibt das. Ein erhobener Wert aus dem Jahr 2018 machte den Durst der Österreicher sogar direkt am guten G’spritztn fest: 250.000 verkaufte Gläser Weißer Spritzer pro Jahr werden da ausgewiesen.
Es wird sich wohl der eine oder andere Kaiserspritzer (mit Holundersirup) oder sanfte Sommerspritzer darunter befunden haben. Denn auch das gibt es und erhält hierzulande seinen Sanktus: die Light-Version trumpft auf mit dem Verhältnis von einem Teil Wein und drei Teilen Wasser.
Mit Stiehl - oder ohne
Das Mischungsverhältnis ist allerdings auch ein regionales Spezifikum. Ein Spritzer auf ländlichem Terrain wie dem Sportplatz in Neufeld an der Leitha, den gerne auch Wiens ehemaliger Bürgermeister Michael Häupl (legendär mit seinem Ausspruch "Man bringe den Spritzwein“) frequentiert, schmeckt ungleich anders als in einem Wiener Innenstadt-Lokal. Mit dem Wein geht man da, milde gesagt, großzügiger um.
Auch die Wahl des Glases mag ortsabhängig sein. Gehobeneres Feeling verspricht das Glas mit Stiehl. Bodenständiger kommt dagegen das Henkelglas daher. Mit einer dicken Glaswand, die auch einem Aschenbecher gereichen würde, bleibt das Getränk wie erwähnt auch länger kühl.
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Österreich im Glas
Fest steht: Der G’spritzte ist der gemeinsame Nenner des Homo Austriacus. Etwas, auf das sich alle einigen können. Und bei dem sich (also, beim einen oder anderen Glas) die meisten irgendwann einig werden. Eine Einladung zur Geselligkeit, ein Genuss. Eine Erfrischung im Sommer. Ein Lebensgefühl.
So wohlig prickelnd, dass sie mehr ist als bloß Erfrischung: eine Instandsetzung der Seele. Denn irgendwas ist ja immer – ob Hitze oder Inflation oder Baustellen in der Stadt, die jede Anreise zu einem Tagesausflug verwandeln. Gluckert dann der erste Schluck die Kehle runter, atmet man auf. Ist erfrischt. Beim zweiten kann man sich ausgiebig beschweren, ausreden, anklagen. Beim dritten ist man vielleicht bereits im Reinen mit sich und der Welt.
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