Schlagerstar Beatrice Egli: "Ich hatte Angst, ich gehe zu weit“

Beatrice Egli über Ängste und Zweifel, ihren Aufstieg aller Neinsager zum Trotz und warum es nötig war, ihre Komfortzone zu verlassen.

Beatrice Egli strahlt übers ganze Gesicht. Kein Wunder: Mit ihrem neuen Album „Balance“ ist sie auf Platz eins der Hitparaden in Deutschland und der Schweiz. In Österreich rangiert sie auf der Zwei. Vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis sie Rapper-Badboy RAF Camora an der Spitze ablöst.

Die Schweizerin strahlt aber auch aus Selbstbestätigung und Erleichterung. Sie hat sich neu erfunden, ihr Team gewechselt, ihr Sound ist deutlich poppiger geworden. Über ihre Angst, ob das bei den Fans gut ankommt, spricht sie ganz offen. Sie trägt eine pinke Short, eine bunte Bluse, die blonden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, als wir sie zum Interview im Büro ihrer Plattenfirma in Wien treffen. Sie sitzt auf einer Ledercouch und lächelt.

Liebe Beatrice, schön, dass Sie noch am Leben sind. Ein Unfall beim Bergsteigen am Matterhorn hätte Sie beinahe das Leben gekostet. Was war da los?

Der Aufstieg aufs Matterhorn verlief noch sehr gut. Wir sind sehr früh aufgebrochen, um 3:30 Uhr am Morgen, im Dunkeln. Es war kalt, es lag noch Schnee. Beim Runtergehen vom Berg wurde es jedoch wärmer. Der Schnee wurde sehr glitschig. Ich bin heftig ausgerutscht. Zum Glück war das Seil so kurz gespannt, so konnte die Bergführerin mich gerade noch festhalten. Das war gefährlich, dafür bin ich ihr dankbar. Man muss wirklich aufpassen, Schritt für Schritt. Du bist müde, du denkst, du hast es geschafft. Gerade beim Abstieg passieren die meisten Fehler.

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Sie sind für gewöhnlich eine erfahrene Berggeherin?

Ich bin eine erfahrene Wanderin. Das Klettern, das mache ich erst seit zwei Jahren. Was ich daran so mag, ist, dass ich alles andere dabei vergesse. Du kennst nur einen Gedanken, an die Hand, den Griff, den Berg. Beim Wandern schweifen die Gedanken ab. Beim Klettern bist du voll im Moment. Das Leben ist im Flugmodus. Und körperlich tut es auch gut. Beim Aufstieg spürst du jede Sachertorte, jeden Kaiserschmarrn, die du je verspeist hast. Weil du sie mit hochträgst. (lacht)

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Ihr Musikerleben ist ziemlich durchgetaktet. Finden Sie am Berg den nötigen Ausgleich?

Es muss nicht immer Hochleistungssport sein. Mein Ausgleich ist die Natur. Das kann auch nur der Sonnenuntergang beim Schloss Schönbrunn sein, so wie gestern. Ich liebe die satten, grünen Farben der Natur, und im Winter liebe ich es, durch den Schnee zu stapfen. Für mich gibt es auch kein schlechtes Wetter. Nur falsche Kleidung.

Haben Sie einen speziellen Kraftplatz?

Ja, bei mir um die Ecke, den Etzel. Berg würde ich ihn nicht nennen, eher Hügel. Wenn ich da oben stehe, sehe ich über den ganzen Zürichsee, aber auch auf die Berge, bis zum Säntis. Ein anderes besonderes Plätzchen ist für mich die Alm meines Onkels. Wenn ich dort unter dem Baum sitze, denke ich: Mehr brauche ich nicht im Leben. Ein Kraftort. Heimat, das auch. Seit ich viel unterwegs bin, kenne ich das Gefühl von Heimat. Und Heimweh.

Sie sind viel unterwegs. Was hilft Ihnen am besten, wenn das Heimweh plagt?

Am besten hilft, das Gefühl nicht wegzudrücken, sondern es anzunehmen und auszusprechen. Ich weiß das Heimweh sogar zu schätzen, weil es einem zeigt, wo man hingehört. Auf diese Art gehe ich generell mit Emotionen um. Ob Ängste oder Traurigkeit, ich lasse sie zu, ich bewerte sie nicht als schlecht, all das muss im Leben Platz haben. Dann spreche ich im engen Kreis darüber.

Und telefonieren bei Heimweh nachhause.

Manchmal stoße ich sogar meine Pläne über den Haufen, buche um und komme nur für ein paar Stunden nach Hause. Für manche wirkt das total verrückt. Aber manchmal braucht es das einfach.

Dennoch lassen sich negative Gedanken nicht immer leicht zur Seite schieben.

Wer reflektiert sein Leben lebt, hat auch mal Zweifel oder in meinem Fall Ängste. Es gibt Momente, in denen ich hinterfrage: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Auf meinem Weg? Das sind Gefühle, nach denen ich mich richte und auch Entscheidungen treffe. Ich verdränge die Angst nicht, sondern lasse sie zu und versuche, den tieferen Grund dafür zu finden.

Wovor haben Sie Angst?

Angst vor Verlust. Wir sind soziale Geschöpfe, das macht das Leben ja aus. Die Welt für sich ist schön, lebenswert machen sie aber unsere Kontakte. Das miteinander Teilen, vom Schönen, aber von belastenden Dingen. Ich bin mit der Platte ein Risiko eingegangen, meine Musik hat sich verändert. Ich hatte Angst, ich gehe zu weit. Dass es den Leuten nicht gefällt. Das hat mir den Schlaf geraubt. Aber hat sich für mich auch richtig angefühlt. Die Veränderung ist die einzige Beständigkeit im Leben.

Jetzt ist Ihr neues Album in Deutschland und der Schweiz auf Platz eins, doch das war im Vorhinein nicht selbstverständlich.

Es gab eigentlich keinen Grund, etwas zu ändern, es lief super. Doch alles hat seine Zeit. Und nichts ist für immer. Es kann schnell alles wieder vorbei sein. Die Frage ist: Entscheide ich das oder jemand anderer? Hätte ich mich nicht verändert, wäre ich unglücklich geworden. Für mich war nach der Pandemie klar: Ich werde nicht weitermachen wie bisher. So viel Ehrlichkeit zu mir selbst habe ich mir zugestanden.

Neue Plattenfirma, neue Produzenten, neues Management. Wollten Sie Tabula rasa machen?

Ich hatte zehn Jahre lang ein tolles Team, dem ich ganz viel zu verdanken habe. Diese Leute waren meine Familie, haben mich erwachsen werden lassen. Doch jetzt habe ich gespürt, es ist Zeit auszuziehen. Auch nach der Trennung empfinde ich natürlich immer noch etwas für diese Menschen. Aber es ist nicht mehr das, was es einmal war. Das war definitiv ein sehr emotionaler Prozess. Loslassen, das sagt sich so leicht. Es hat viele Gespräche gebraucht, hat mir viel abverlangt. Ich habe gesagt, bis zum Ende des Jahres behalten alle ihre Jobs. Doch dann wird es einen Neuanfang geben.

Wie war das Gefühl, neu anzufangen?

Eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit hat sich eingestellt. Zugleich habe ich viel neue Verantwortung übernommen. Früher hat mich diese Verantwortung bisweilen erdrückt. Ich war noch nicht bereit dafür, musste wachsen. Jetzt kann ich das. Das hat mich unglaublich selbstsicher gemacht. Nicht immer ist jede meiner Entscheidungen richtig. Aber ich stehe auch gerade dafür.

In Österreich toppt noch Rapper RAF Camora die Charts, aber Sie rangieren gleich auf Platz zwei. Sie stehen für Schlager. Haben Sie mit Deutschrap dennoch was am Hut – oder sagen Sie, da bin ich raus?

Nein, ich bin generell sehr offen gegenüber anderer Musik. An den Texten meines neuen Albums haben auch sehr viele Rapper mitgeschrieben. Die haben eine große Begabung für Wortakrobatik und reimen sehr spezifisch. Ich bin sehr textaffin. Und höre alle Genres. Für mich ist nur wichtig: Ich höre gern Musik, die mich positiv stimmt. Ich mag es nicht, wenn gefightet wird.

Beatrice Egli

Beatrice Egli

Beatrice Egli ist 35 Jahre alt und wurde in Lachen in der Schweiz geboren. Sie ist gelernte Friseurin und übte den Beruf ein Jahr lang aus. Nach Anfängen mit Lys Assia als Gesangsduo, gewann Egli 2013  „Deutschland sucht den Superstar“. Sie hat fünf  Top-3-Alben in Österreich. Sie moderiert die „Beatrice Egli Show“ im MDR.

Was steht gerade ganz oben auf Ihrer privaten Playlist? Was hören Sie im Auto?

Ich höre meine eigenen Lieder sehr gerne. Wäre das nicht der Fall, würde ich etwas falsch machen. Meinen Song „Dankbar“ habe ich gefühlt tausend Mal gehört. Weil ich eben so dankbar bin gerade für alles.

Und abgesehen von eigenen Songs?

Klassische Musik. Ich liebe Klassik, weil sie so komplex ist und mich völlig ablenkt. Das ist für mich Musik. Ich mag Johann Strauss, weil er so leicht und positiv ist.

Was braucht ein guter Schlagertext?

Er soll von etwas handeln, das mir wichtig ist. Ich muss das Lied fühlen und leben. Die neuen Songs von mir, wie „Neuanfang“, oder „Volles Risiko“, bei allen geht es um Themen, die mich gerade beschäftigt haben. Bei „Unvergleichlich“ geht es darum, dass ich oft mit anderen verglichen werde. Etwas, worauf ich gar keine Lust habe. Oft entspringen die Ideen auch meinem Tagebuch, in das ich jeden Abend notiere, wofür ich dankbar bin. Andere Lieder wiederum entspringen komplett meiner Fantasie oder sind einfach nur zum Partymachen da.

Der Kopf kann gar nicht so viel wissen, wie die Seele spürt.

Was ist Ihnen jetzt gerade wichtig?

Dass ich mich kenne, dass ich weiß, was ich in einem bestimmten Moment brauche. Manchmal Ruhe, dann Energie beim Sport rauszulassen. Egal, wie der vorgeschriebene Tagesplan lautet, ich habe gelernt, auf mich zu hören. Ich suche die Balance, deswegen trägt mein Album auch diesen Titel.

Sind Sie jetzt gerade in „Balance“?

Wie gesagt, ich suche sie. Und verliere sie auch immer wieder. Das Leben ist nichts, das beständig ist. Gerade wenn man so ein intensives Leben führt wie ich und gern auch etwas riskiert. Es tut mir gut, ab und zu die Komfortzone zu verlassen. Das ist im ersten Moment aufregend und unruhig. Danach suche ich den Weg in die Beständigkeit, zu meinen Wurzeln, zu Familie und Heimat.

Im Moment gibt es Liebesgerüchte um Sie und Florian Silbereisen. Ist es das, was Sie meinen mit „aufregend“?

Das wissen nur wir! (lacht) Wer mich kennt, weiß: Alles, was privat ist, bleibt auch privat. Das werde ich auch weiterhin so halten. Mein privates Umfeld schütze ich mit allem, was ich habe. Es geht ja oft auch um Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen. Und, das ist mir ebenfalls sehr wichtig: Ich möchte als Frau Geschichte schreiben, die Sängerin, Moderatorin, Entertainerin ist. Und nicht mit anderen Schlagzeilen.

Dennoch gehen Sie herzgesteuert durchs Leben, wie Sie es nennen. Ist der Verstand ein schlechter Ratgeber?

Herz kommt bei mir vor Kopf, immer. Definitiv alles, das ich tue, kommt aus Bauch und Herz. Der Verstand hilft mir nur, es in die Tat umzusetzen. Der Kopf kann gar nicht so viel wissen, wie die Seele spürt.

Beatrice Egli: "Nicht immer haben alle an mich geglaubt"

©Sony Music/Michael de Boer
Sie haben jetzt zehn Jahre Musik-Karriere hinter sich. Wie fühlt sich diese Zeitspanne im Rückblick an?

Ich frage mich: Wo ist nur die Zeit geblieben? Ich bin da reingewachsen, durfte sehr viel lernen. Über mich, über Musik. Mein Publikum ist treu und doch kommen stets viele neue Fans dazu. Davor habe ich große Demut. Ich habe großen Spaß daran und hoffe, ihn mir auch weiter zu bewahren.

Es gab aber auch Gegenwind.

Ich habe ganz viel Gegenwind bekommen. Wien, das ist auch die Stadt, in der ich schon alles verloren habe: 2007 bin ich hier beim „Grand Prix der Volksmusik“ auf dem letzten Platz gelandet. Ich war traurig, aber auch ein letzter Platz wie dieser war ein wichtiger Moment für mich. Das hat mich geprägt.

Inwiefern hat Sie das geprägt?

Ich habe gelernt, dass es von ganz oben schnell nach unten gehen kann. Und nicht immer haben alle an mich geglaubt. Seit ich denken kann, wurde mir gesagt: Schlager, das ist nix. Sängerin wirst du eh nie. Als ich anfing, war Schlager alles andere als beliebt. Angesagt waren Britney Spears und die Backstreet Boys. In meinem Leben ging es alles andere als nur aufwärts. Doch der Gegenwind hat mein Windrad erst so richtig angetrieben. Du musst nur die Segel danach stellen. Das hat mich zu der gemacht, die ich heute bin. Auch heute läuft nicht immer alles so, wie ich es mir wünsche. Doch ich arbeite stetig dafür.

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2013 gewannen Sie „Deutschland sucht den Superstar“. Eine gute Erfahrung?

Es war für mich ein wichtiges Sprungbrett und eine gute Schule. Jeden Samstag dachte ich, heute musst du deine Koffer packen. Auch backstage war ich nie die, der die ganze Aufmerksamkeit gehörte. Mir wurde gesagt, ich solle abnehmen, mir wurde geraten, ich solle Englisch singen – doch letztendlich bin ich mir treu geblieben. Schon damals habe ich gesagt: Erfolg ist für mich nicht, wie viele goldene Schallplatten an der Wand hängen. Erfolg ist für mich zu tun, was ich liebe. Und ich liebe den Schlager. Ich wurde damals extrem darauf trainiert, meinen Weg zu gehen und für mich einzustehen. Und das habe ich auch getan.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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