Star-Autor Sebastian Fitzek: "Ich bin ein ängstlicher Mensch"
Er ist der Superstar des Psychothrillers. Und sein neues Buch eine Komödie. Im Interview spricht er über seine Schulzeit als Außenseiter, Mobbing und seine Ängste.
Was er schreibt, wird ein Bestseller. Nervenzerfetzende Psychothriller mit Hochspannungsgarantie. Von "Die Therapie" bis "Das Paket": düstere Schocker zum Gruseln, allesamt, von deren Plot-Twists und Cliffhangern Sebastian Fitzeks Leser nicht genug bekommen. Zwölf Millionen Mal wurden seine Bücher verkauft, in 36 Ländern. Jetzt erscheint ein neues, und siehe da: Es ist eine Komödie. In "Elternabend", versehen mit der Anmerkung "Kein Thriller (Auch wenn der Titel nach Horror klingt!)", stiehlt ein Kleinkrimineller gerade ein Auto, als er gemeinsam mit einer Klima-Aktivistin die Flucht vor der Polizei antreten muss. Sie platzen in einen Elternabend. Und geben sich als Elternpaar eines ihnen völlig unbekannten Satansbratens aus. Einmal ein völlig anderes Thema für den erfolgsverwöhnten Bestseller-Autor.
Einige kaufen meine Bücher, ohne den Inhalt zu lesen. Doch wenn ich festen Glaubens in ein Marmeladenbrötchen beiße, soll es nicht plötzlich Leberwurst sein. Das kann nicht schmecken, egal, wie gut es ist. Der Hinweis lässt einen nicht die Katze im Sack kaufen.
Weiters spricht Sebastian Fitzek in diesem Interview über:
- Seine kuriosen Erfahrungen mit Elternabenden
- Mobbing durch soziale Medien
- Was ihm selbst die größte Angst einjagt
Abwechslung ist gut. Für den Leser, aber auch den Autor. Mein Anspruch ist immer, mich nicht zu wiederholen. Komödie und Thriller liegen weniger weit auseinander, als man denkt. Bei beiden kommt es aufs richtige Timing an. Man benötigt einen Helden, der einen auf eine Reise mitnimmt. Und was beim Thriller der Twist und die Auflösung am Ende, ist bei der Komödie die Pointe. Dennoch gibt es diffizile Situationen, die einen als Autor ins Schwitzen bringen. Und ich mich frage: Wie geht es weiter?
Qual ist ein viel strapaziertes Wort. Menschen, die einen Marathon laufen, müssen sich quälen. Und auch ein Buch ist ähnlich einem Marathon. Irgendwann kommt eine Strecke, bei der man Wadenkrämpfe bekommt und sich fragt, warum man sich das antut. Und sich selber hasst, weil man überhaupt auf die Idee gekommen ist, loszurennen. Aber das Gefühl, wenn man es geschafft hat und ins Ziel gekommen ist, ist so bombastisch, dass man es immer wieder wagt.
Im Gegenteil. Ich liebe Elternabende. Denn ich bin immer an skurrilen Persönlichkeiten und verhaltensauffälligen Persönlichkeiten interessiert. Das ist eine Berufskrankheit. Wenn es um die Kinder geht, zeigt sich immer die wahre Psyche der Menschen.
Da wären die Zombies, die sich wegducken, Hauptsache, sie müssen nicht das Protokoll schreiben. Die Extrovertierten, die zu jeder Diskussion was einbringen. Oder Eltern, die ausschließlich Fragen stellen, die nur für ihr Kind relevant sind und damit alles unnötig in die Länge ziehen. Das alles beobachte ich still und bin dankbar. Denn während andere mit den Augen rollen, klatsche ich in die Hände. Und denke: Super, das kann ich irgendwann einmal brauchen.
Als meine Tochter in die erste Klasse ging, hat ein Elternpaar bei der Wahl zum Elternsprecher Jesus Christus vorgeschlagen. Das habe ich mich kaum getraut, ins Buch aufzunehmen. Weil mir das keiner glaubt. Es war aber so. Die Klassenlehrerin meinte nur lakonisch, der steht heute nicht zur Wahl.
Ich hatte ein strenges Elternhaus, das sehr auf Noten geachtet hat. Mein Vater war Oberstudiendirektor und Schulleiter des Lilienthal-Gymnasiums in Berlin. Meine Mutter war ebenfalls Lehrerin, später mit einer skurrilen Nebentätigkeit: Sie arbeitete als Knastlehrerin und brachte Wirtschaftsstraftätern im Zuge der Erwachsenenfortbildung Wirtschaft bei. Von ihr habe ich die kreative Ader.
Ich war nie der allerbeste Schüler. Aber auch nicht so schlecht, dass ich mir hätte Sorgen machen müssen. In Musik hatte ich einen Einser, dafür stand ich in Bildender Kunst immer knapp am Fünfer: Ich habe zwei linke Hände. Mein Bruder musste nie lernen, ihm flog alles zu. Ich musste büffeln, büffeln, büffeln. Dafür waren meine Matura-Noten letztlich sehr gut.
Mein Jüngster kam kürzlich mit einer Eins plus als Klassenbester von der Grundschule nach Hause. Sie sind alle sehr gut in Mathe. Das können sie nicht von mir haben.
Als Außenseiter flüchtet man in Schein- und Fantasiewelten, die einem Bücher offerieren. Ich habe immer davon geträumt, einer der Fünf Freunde zu sein. Nur nicht der Hund.
Ich halte viel davon, Menschen das Rüstzeug beizubringen, um sich Dinge selbst zu erschließen. Es wundert mich nicht, wenn ein 15-Jähriger keinen Sinn darin erkennt, warum er lernen muss, wie man eine Steuererklärung schreibt. Das Schulsystem bedarf einer behutsamen Veränderung.
So, wie es jetzt praktiziert wird, ist es ein Verwaltungssystem. Es betreut die Kinder in der Zeit, in der die Eltern arbeiten. Die Arbeitswelt hat sich jedoch so sehr verändert, dass man das dennoch nur mit Hilfe des Horts bewältigen kann. Vor allem aber glaube ich, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem es keine Klassengemeinschaft mehr braucht, in der Lehrer durch Frontalunterricht Wissen vermitteln. Stattdessen braucht es diese Gemeinschaft, um das Wissen zu vertiefen. Das heißt: Der Unterricht kann individuell stattfinden, den Lehrstoff kann man sich auch zu Hause aneignen. In der Klasse wird dieser dann gemeinsam vertieft – und überprüft, ob er auch wirklich verstanden wurde. Ich will die Schule nicht abschaffen. Aber ich glaube, sie muss – zumindest in Deutschland – moderner werden.
Als ein ganz schlimmes Problem. Ich war in den ersten Schuljahren selbst ein Außenseiter. Ich wurde zwar nicht geschlagen oder psychisch fertiggemacht. Nur der Klassiker eben, dass mich beim Völkerball keiner in der Mannschaft haben wollte, zudem war ich in den Pausen oft allein. Aber auch das, weiß ich, kann etwas mit der Psyche anstellen – dieses Gefühl, nicht dazuzugehören. Meine Situation verbesserte sich erst, als ich mich mit Ender anfreundete, der zu den Coolen in der Schule zählte. Durch die Freundschaft mit ihm wuchs auch mein Standing. Er ist bis heute mein bester Freund. Heute wird Mobbing durch die sozialen Medien noch verstärkt. Aus Gesprächen mit Opfern weiß ich, wie sehr das schadet und das bereitet mir große Sorgen. Wir können unsere Kinder vor den möglichen Gefahren des Internets kaum schützen.
Die schönsten Dinge im Leben passieren zufällig. Das ist wie mit dem Sich-Verlieben. Das kann man zwar beflügeln oder die Chancen erhöhen – aber planen kann man es in der Regel nicht. Ich wollte nie hauptberuflich Autor werden. Geplant hatte ich tatsächlich, Musiker zu werden. Aber ich war einfach nicht gut genug. Und ich hatte nicht das nötige Glück. Viele Leute überschätzen sich, wenn sie erfolgreich sind und denken, klar, das liegt daran, weil ich so toll bin.
Fakt ist: Es reicht nicht aus, gut zu sein. Es reicht nicht einmal aus, sehr gut oder hervorragend zu sein, man muss auch noch zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort sein. Und das Glück haben, wie in meinem Fall, von den richtigen Leuten gelesen zu werden, die einen weiterempfehlen. Ich hatte einfach großes Glück.
Übers Lesen. Gerade als Außenseiter flüchtet man in Schein- und Fantasiewelten, die einem Bücher offerieren. Ich habe immer davon geträumt, einer der Fünf Freunde zu sein, nur nicht der Hund. Ich dachte, es wäre toll, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die auch gemeinschaftlich etwas bewirkt.
Bücher kurbeln die Fantasie an. Irgendwann erreicht man unweigerlich den Punkt, an dem man sich fragt, ob einem selbst einmal etwas einfällt, das ähnliche Emotionen hervorruft. Und hat dann einen zündenden Einfall, wie ich im Jahre 2000 und ist wahnsinnig genug, in seiner Freizeit etwas aufzuschreiben, ohne zu wissen, ob es irgendjemanden interessiert. Also abgesehen von jenen, die man zwingt, das zu lesen. Die Anfänge waren total hart. Aber auch hier hilft einem der Zufall weiter – und die Naivität.
Ich rate jedem, behalte so lange es geht deine Naivität. Mache es einfach, schau nicht zu sehr nach rechts und links, und vor allem frage nicht andere, ob das, was du machst, Erfolg haben kann oder nicht. Diese Naivität grenzt bei mir schon an Größenwahn. Aber die teile ich wohl mit jedem Debütanten. Meinen ersten Roman hielt ich für so gut, dass ich ihn an die 15 besten Verlage schickte. Das ist, als besäße man ein bisschen Fußballtalent und klingelt am nächsten Tag bei Bayern München und will aufgestellt werden.
Bis mein Manuskript veröffentlicht wurde, habe ich es siebenmal überarbeitet. Hemingway hat gesagt, der erste Entwurf ist immer Mist, und das stimmt. Noch heute schreibe ich mindestens vier Entwürfe. Der Unterschied zwischen einem guten und sehr guten Buch liegt immer in der Überarbeitung. Deswegen hat es bei mir vom ersten Wort bis zum ersten fertigen Roman sechs Jahre gedauert. In jeder freien Minute habe ich mich intensiv damit beschäftigt.
Ich bin grundsätzlich ein sehr ängstlicher Mensch. So wie die meisten Thriller-Autoren, die ich kenne. Nur deswegen sind wir in der Lage, diese Bücher zu schreiben – weil wir Angst spüren und sie für andere erlebbar machen können. Psychopathen haben keine Empathie, können sich in keine Figuren hineinversetzen. Die könnten nicht über Ängste schreiben, weil sie gar keine haben.
Meine Ur-Angst ist es, entführt zu werden.
Meine Ur-Angst ist es, entführt zu werden. Das kommt daher, weil ich als Kind zu früh „Aktenzeichen XY“ gesehen habe. Deswegen kommen relativ viele Entführungen in meinen Büchern vor. Und ich habe vor dieser Schicksalssekunde Angst, ebenfalls oft ein zentrales Momentum bei mir, also jenem Moment, in dem sich das Leben von einer Sekunde auf die nächste verändert und jemand in ein kaltes Wasser geschmissen wird, eine Situation, die ihn an seine Grenzen führt. Ich habe auch große Angst, dass ich persönlich Schuld an so einer Schicksalssekunde bei anderen bin. Indem ich jemanden durch ein unachtsames Verhalten irreparabel schädige. Und damit dessen Leben von heute auf morgen ändere.
Vor kurzem bin ich schwarz gefahren. Auf diesem Niveau bewegt sich das.
Höchstens heftige Wortwechsel. Wenn man in Berlin Auto fährt, ist es gang und gäbe, sich zu beleidigen. Ich werde dann, aber nur im Auto, oft sehr zornig. Wenn sich vor mir eine Frau mit Rollator über den Zebrastreifen kämpft und hinter mir hupt einer, steige ich aus und frage, was sein Problem ist. Sehr zum Leidwesen meiner Frau.
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