Simply Red-Sänger Mick Hucknall: „Ich war so etwas wie ein Playboy“

Simply Red sind zurück. Sänger Mick Hucknall über das neue Album, seinen Ruf als Frauenheld und Partylöwe und was er von den Zukunftsplänen seiner 15-jährigen Tochter hält.

Die roten Haare sind grau geworden. Aber man sieht es ihm nicht an. Mick Hucknall bleibt der berühmteste Rotschopf des Pop, auch viele Jahre nach seinen größten Erfolgen. Simply Red, das sind Hits wie „Holding Back The Years“. Die Zeit verdrängen, das gelingt dem englischen Sänger ganz leicht. Live (am 30. Juli übrigens auf der Burg Clam) reißt er das Publikum mit seinen zeitlosen Hits immer noch von den Sitzen. Hucknall hat den Groove.

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Und ein neues Album: Am 26. Mai erscheint „Time“. Eine Platte, der man die Lust am Leben anmerkt. Und die unkompliziert Soul, Funk und R&B verbindet, mit tanzbaren Basslines wie sich gefällig in die Gehörgänge einschmeichelnden Balladen. Die Single „Better With You“ schrieb Hucknall über seine Frau Gabriella.

Es ist eine Lovestory mit Happy End: Angebandelt hatten sie erstmals 1995. Doch zu jener Zeit lebte der Sänger noch ein unstetes Leben, war oft auf Tour. 2003 trafen sie in Mailand erneut aufeinander und wieder funkte es. Ihr (und der gemeinsamen Tochter) zuliebe spielt die Musik heute in Hucknalls Leben die zweite Geige. Auch seiner Zeit als Partylöwe hat der Engländer abgeschworen. Was zählt, ist die Familie.

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Mick, das neue Simply Red-Album heißt „Time“ – was hat es mit dem Titel auf sich?

Es geht hauptsächlich um die Zeit, in der wir diese Songs geschrieben haben. Nämlich während des Lockdowns. Ich hatte das Gefühl, für die ganze Zivilisation stand für einen Moment die Zeit still.

In den neuen Liedern beschäftigen Sie sich weniger mit der Welt, als mit sich selbst.

„Blue Eyed Soul“, mein Album davor, war funky, mit vielen Uptempo-Songs. Wir waren bereit, damit auf Tour zu gehen und Spaß zu haben. Dann passierte Covid. Wir sagten die Tournee ab. Dann eine weitere. Und wahrscheinlich hätten wir die dritte auch noch gecancelt. Diese Umstände haben den Geist des ganzen Albums zerstört. Ich saß zuhause fest wie jeder andere auf der Welt.

Was passierte dann?

Ich begann nachzudenken: Wer bin ich eigentlich? Wie passe ich in diese Welt hinein? Und warum schreibe ich nicht ein paar Songs, die all das widerspiegeln? Das letzte Album war ein Tribut an die amerikanische Kultur und ihre großartige Musik. Dieses Mal wollte ich niemandem Tribut zollen, sondern meine Rolle in der Welt ausloten.

Wie sehen Sie sich im Vergleich zum Mick Hucknall vor 20 Jahren?

(seufzt) Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Denn jeder Tag ist ein neuer Tag, jeder Tag spiegelt eine kleine Veränderung in deinen Gedanken, in deinen Meinungen, in den Dingen, die um dich herum passieren. Das Leben geht weiter, bis zu dem Tag, an dem man stirbt. Wie war ich früher, wer bin ich jetzt? Das war einfach eine Entwicklung.

So wie auch die Gesellschaft nicht stehen geblieben ist, sich entwickelt hat.

Die Pandemie hat die Gesellschaft verändert. Früher arbeiteten die Menschen fünf Tage die Woche. In den vergangenen zwei Jahren begannen sie zu sagen: Ich will nicht mehr jeden Tag ins Büro, ich will mehr Zeit mit meiner Frau oder meinem Mann, mit den Kindern verbringen. Das ist neu. Das passiert aufgrund von Erfahrungen, die wir machen, und aus denen wir versuchen, positive Lehren zu ziehen.

Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll? Ich hatte all das. Aber ich konnte nicht ewig so weitermachen.

Das hört sich so an, als hätte die Zeit der Lockdowns Sie stark geprägt.

Diese Zeit war eine echte Revolution. Sicherlich werden Wissenschaftler bald bewerten, wie die Gesellschaft sich in den vergangenen Jahren verändert hat. Wie die Pandemie sich etwa auf die Psyche unserer Kinder ausgewirkt hat. Die waren zuhause, gingen nicht in die Schule. Covid war eine dramatische und für viele Menschen auch traurige Erfahrung. Viele haben geliebte Familienmitglieder verloren.

„Better With You“ ist ein Liebesgeständnis an Ihre Frau – aber nicht nur.

Es ist eine Erkenntnis, die mich betrifft, aber eigentlich alle von uns: Dass es besser ist, mit jemandem zusammen zu sein als allein. Es ist besser, seine Erfahrungen zu teilen und seine Liebe. Ich habe mit dem Lied versucht, eine Botschaft zu senden, Einsamkeit zu überwinden.

Heute sind Sie mit ihr verheiratet, aber bis dahin dauerte es. Sie mussten Ihre Frau erst erobern.

Wenn wir jemanden treffen, den wir mögen, ganz egal, ob das nun in der Schule ist oder im Urlaub oder in einem Klub, gibt es jedes Mal irgendwelche Komplikationen. Einmal hast du die Telefonnummer der Person falsch aufgeschrieben und kannst sie nicht erreichen; ein anderes Mal hat sie noch einen Freund, den sie loswerden will – oder du hast noch eine Freundin; dann wieder wohnt man nicht in derselben Stadt. Jedes Paar hat seine eigene Geschichte, die erzählt, wie es gelang, ein Paar zu werden. Der Song soll das ausdrücken. Es geht darum, dass zwei Menschen sich wünschen, zusammenzukommen. Dass es nicht einfach ist, aber schlussendlich geklappt hat und jetzt sind alle glücklich.

Simply Red-Sänger Mick Hucknall: „Ich habe auf viele Arten gelebt und geliebt“

©Lorenzo Agius/Warner Music
2010 haben Sie eine Zeit lang mit Simply Red aufgehört, weil Sie sich der Erziehung Ihrer Tochter widmen wollten. Können Sie Ihr Leben heute besser ausbalancieren?

Heute beschränke ich mich darauf, nur noch zwei Monate lang auf Tournee zu gehen. Und das alle drei oder vier Jahre. Ich will einfach nicht mehr allzu lange weg von zuhause sein. Ich könnte locker rumreisen und ein Jahr lang überall auf der Welt Konzerte geben. Aber das will ich nicht mehr machen. Tut mir leid. Ich habe im Moment einfach keine Lust, so viel zu reisen. Zwei Monate sind genug. Dann bin ich nicht so lange weg von meiner Familie.

Ihre Tochter ist jetzt 15 Jahre alt und ein Teenager. Bringt das eine Menge, sagen wir mal, Herausforderungen mit sich?

(lacht) Nun, sie wird sich im September an der Kunstschule einschreiben, sie ist Künstlerin. Eine Malerin und Zeichnerin. Und wirklich sehr begabt. Ich bin viel zuhause, wir haben viel Zeit zu reden. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihr.

Liebe auf den zweiten Blick: Hucknall mit Ehefrau Gabriella

©imago images/Eventpress/Eventpress Schulz/imago images
Der Name Ihrer Tochter ist Romy True. Ist sie vielleicht nach der berühmten österreichischen Schauspielerin Romy Schneider benannt?

Mein Schwager hat den Namen Romy vorgeschlagen. Mir gefiel er. Meine Frau meinte auch, dass es eine berühmte Schauspielerin gleichen Namens gibt. Ihre Annahme stimmt also zum Teil. Aber hauptsächlich ist es so, dass ich den Namen einfach mag.

Wenn man sich Ihr neues Album anhört, kann man Ihre Lebenslust förmlich spüren. Wie schaffen Sie es, kreativ zu bleiben und jung im Kopf?

Ich habe wirklich Glück. Ich bin Singer, Songwriter, Bandleader – und ich liebe meinen Job. Ich liebe ihn wirklich. Gerade die Kreativität. Und was ich mir echt für alle Menschen auf der Welt wünsche, ist, dass sie ebenfalls einen solchen Beruf finden. Er muss einen nicht zwangsläufig reich machen. Aber er sollte einem Spaß bereiten. Wir alle könnten, mithilfe der Politik, aber als Gesellschaft, alle ein bisschen mehr daran arbeiten, den Leuten dabei zu helfen. Es macht das Leben so viel glücklicher, als Jobs auszuüben, die man hasst und einen unglücklich machen.

Mick Hucknall

Mick Hucknall

Mick Hucknall wurde 1960 in Manchester geboren. Die Mutter verließ die Familie, als er drei war. 1984 Gründung von Simply Red, 1985 Nr. 1 in den USA mit  „Holding Back The Years“.  2010 Auflösung. Zwei Solo-Alben, 2015 Reunion. 50 Millionen verkaufte Platten. Seit 2010 verheiratet mit einer Kunsthändlerin, eine Tochter (15).

Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Man will sich auch vergnügen. Das kam bei Ihnen nie zu kurz, Sie hatten den Ruf, ein Partylöwe und Casanova zu sein. Sind Sie froh, dass Sie mit dem Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll-Lifestyle Schluss gemacht haben?

Nun, ich hatte all das. Aber ich konnte nicht ewig so weitermachen. Ich lebte und lebe ein sehr facettenreiches Leben. Ich habe so viele verschiedene Dinge getan, so viele verschiedene Erfahrungen gesammelt. Und heute freue ich mich sehr, dass ich im zweiten Teil meines Lebens das Glück einer Familie erlebe: mit einer wunderbaren Frau und Tochter und einem hinreißenden Hund. Das Leben, das ich jetzt führe, ist großartig.

Ein Mann, zwei Leben.

Ich habe auf viele unterschiedliche Arten gelebt und geliebt. Ich wuchs bei meinem alleinerziehenden Vater auf, ohne Geld, sehr arm. Und dann wurde ich erfolgreich und war für ein paar Jahre so etwas wie ein Playboy. Im zweiten Teil meines Lebens habe ich es dann geschafft, Vater und Ehemann zu sein. Mein Leben war angereichert und reich. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie haben es erwähnt, als Kind sind Sie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Wie hat Sie das beeinflusst?

Im Detail ist das schwer zu sagen, denn es ist ein ständiger Prozess, eine allmähliche Veränderung. Ich weiß nur eines: Ich schätze mich sehr glücklich. Es war immer abwechslungsreich! Und ich erfreue mich immer noch bester Gesundheit. Meine Stimme ist in gutem Zustand, ich bin umgeben von großartigen Musikern und einer wunderbaren Familie. Ich bin sehr, sehr glücklich.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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