Helsingør "Han"

Nordische Sommerfrische: Eine Reise an die dänische Riviera

Sandstrände, viel Kultur und ein königlicher Nationalpark: Der Norden der Insel Seeland hat sich einen Namen als die "dänische Riviera" gemacht.

Überblick

Anreise

Ab Wien 2 Std nach Kopenhagen per Direktflug

Anreise mit Zug

von Kopenhagen per Auto nach Nivå

Währung

Dänische Krone

Von Lisa Arnold

Beim Begriff "dänische Riviera" handelt es sich nicht etwa um einen neuen Werbeschmäh, sondern um ein von Künstlern geprägtes Kompliment, das sich seit hundert Jahren hält. Darunter ist der siebzig Kilometer lange Küstenabschnitt zwischen Nivå im Osten und Lynæs im Westen zu verstehen.

Die touristische Erschließung der Badeorte begann in Hornbæk, wo sich im späten 19. Jahrhundert – als frische Luft von Ärzten verschrieben wurde und die Badeanzüge bis unters Knie reichten – dänische Künstler aufhielten: Maler wie Peder Severin Krøyer (1851-1909) und Holger Drachmann (1846-1908) suchten am Meer neue, authentische Motive und nutzten das besondere Licht. 

Ihr Künstlerkollektiv zog später weiter an Dänemarks nördlichsten Punkt und ging als "Skagen-Maler" in die Kulturgeschichte des Landes ein. Doch zuerst hielten sie sich mit anderen Mitgliedern der dänischen Kunstszene auf Seeland auf und trugen dazu bei, dass die Nordküste als inspirierendes Sommerfrische-Ziel bekannt wurde. In Hornbæk wurden bereits um 1880 die ersten Grundstücke explizit für Ferienhäuser vorgesehen und von wohlhabenden Kopenhagenern erworben.

Am Strand von Tisvildeleje stehen über 60 Badehütten dicht an dicht. Ein schöner Ort, auch zum Spazieren, bei jedem Sommerwetter

©tine uffelmann

Einen weiteren Aufschwung erlebte die dänische Riviera um das Jahr 1896 herum mit dem Ausbau der Gribskovbahn, die ab Hillerød die beiden Strandbäder Tisvildeleje und Gilleleje anfährt. Kein Wunder, dass sich dort die beiden ältesten Badehotels befinden: 1895 wurden sowohl das "Gilleleje Badehotel" als auch das "Tisvildeleje Strandhotel" eröffnet. Die Bahn und die Hotels von damals sind bis heute in Betrieb und sorgen für stilvolle, entschleunigte Urlaubstage.

Der Abstecher in die schwedische Hafenstadt Helsingborg geht dank schneller Fähre auch spontan

©Lisa Arnold

Es ist die Mischung aus feinen Stränden, offenen Weiten zum Spazieren und einem hochkarätigen kulturellen Angebot, die die Anspielung an Südfrankreichs Jetset-Destination rechtfertigt. Was jedoch der dänischen Riviera – zum Glück! – mittlerweile fehlt, sind die Aufgeregtheit und der Druck, mit Reich und Schön mitzuhalten. Im Land von Hygge, Fahrrädern, Lakritz und Smørrebrød wird Gelassenheit großgeschrieben – nicht nur im Urlaub, sondern auch im Alltag. 

Eine weitere historische Persönlichkeit, die sich an der dänischen Riviera wohlfühlte, war der Philosoph Søren Kierkegaard (1813-1855; "Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit."). Beispielsweise soll er im Sommer 1835 über den 33 Meter hohen Hügel Gilbjerg Hoved gewandert sein. Er schrieb der Natur eine nahezu religiöse Wirkung zu: Durch Ruhe und Konzentration im Grünen kann der Mensch zu einem besseren Verständnis seiner selbst gelangen.

Das Wasserschloss Frederiksborg ist seit 1878 ein Museum mit Gemälden und Möbeln der dänischen Geschichte 

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Stuart Black/Alamy Stock Photos / Stuart Black/mauritius images

Wer ebenfalls eine Erleuchtung sucht oder zumindest wunderbare Natur erleben möchte, kann in Gilleleje auf Kierkegaards Spuren wandern. Vom Hafen aus geht es entweder nach Osten zum Leuchtturm Nakkehoved Fyr, der zu den zehn ständigen Standorten des Regionalmuseums (Museum Nordsjælland) gehört, oder nach Westen zum Søren-Kierkegaard-Gedenkstein.

Als Rundweg misst die gesamte Route zwölf Kilometer. Eine interaktive Begleitung bietet die App „Useeum“, in der für circa fünf Euro die detaillierte, englische Routenbeschreibung "Kierkegaard by Nature" mit zwölf philosophischen Meilensteinen verfügbar ist.

Das Restaurant "Sletten" gehört zum Michelin-besternten Gourmettempel "Formel B" in Kopenhagen 

©Jonas Buhr/Restaurant Sletten

Planschen und Surfen 

Was wäre eine Riviera ohne Badespaß? An der seeländischen Nordküste reihen sich ganze 23 Strandabschnitte aneinander, die im Juni, Juli und August täglich von Bademeistern überwacht werden; drei davon liegen im beliebten Hornbæk. 

Dort wartet ein breiter, feinkörniger Sandstrand mit Dünen als Windschutz und sauberem, flachem Wasser, das Familien mit Kindern sichere Voraussetzungen zum Baden bietet. Auch im Nachbarort Dronningmølle lässt es sich hervorragend baden, sowohl am Strand mit dem seichten Wasser als auch in den kleinen Seen.

Effektvolle Präsentation moderner Kunst im Museum "Louisiana". Der Name geht übrigens auf die drei (!) Ehefrauen des Vorbesitzers des Haupthauses zurück, die alle  Louise hießen 

©mauritius images / P. Widmann/P. Widmann/mauritius images

Und in Lynæs, am westlichsten Punkt der dänischen Riviera, kommen sogar Surfer auf ihre Kosten: Dort, auf der vom Winde umwehten Halbinsel Halsnæs, haben die Zwillingsbrüder Jeppe und Johan Ingversen – im ehemaligen Kaufmannsladen ihres Vaters – vor zehn Jahren den Grundstein ihres Surfcenters gelegt. 

Ich packe in meinen Koffer …

  • … einen Sonnenhut: Die angenehme Brise lässt einen manchmal vergessen, wie stark die Sonne scheint und wie schnell sie einem die Haut verbrennen kann.
  • … ein Ringelshirt: Streifen sind immer stilsicher, egal ob beim Strandspaziergang oder  beim Sundowner
  • … die Kreditkarte: Dänemark funktioniert zunehmend bargeldlos und manche Adressen akzeptieren sogar nur noch Kartenzahlungen.

Mittlerweile hat sich der Treffpunkt für Wassersportler in eine ausgewachsene Freizeitanlage mit gemütlicher Bar, gutem Essen, Sauna und Übernachtungsmöglichkeiten entwickelt. "Besonders stolz sind wir darauf, dass wir den Treffpunkt wiederhergestellt haben, den der Laden früher geboten hat", sagt Johan. Und Jeppe fügt hinzu: "Es geht uns um die Atmosphäre und ums Zusammensein. Die Leute sollen Spaß haben – egal, ob beim Essen in der 'Strandbar', bei einer Kajakfahrt oder bei einem Wochenende im coolen 'Tenthouse'."

Kunst im Grünen

In Dronningmølle liegt mit Rudolph Tegners Museum und Skulpturenpark außerdem eines der kulturellen Highlights der Region. Der namensgebende dänische Bildhauer, der 1873-1950 lebte, erfüllte sich mit 64 Jahren den Traum vom eigenen Museum: Als Architekt gestaltete er den ganzen Bau, der mit seiner klobigen Bauweise aus Beton an eine Schatztruhe oder einen Bunker erinnert. 

Durch eine verhältnismäßig kleine Tür betritt man die Ausstellungsräume, die durch verglaste Decken beleuchtet werden. Fenster gibt es keine: Tegner wollte nicht, dass die umliegende Landschaft von seinen Figuren, die Menschen und mythologische Gestalten in dynamischen Posen darstellen, ablenkt. Dafür hat er draußen im Skulpturenpark, wo 14 Werke im Freien stehen, eine Harmonie aus Kunst und Natur geschaffen.

Von seiner Umgebung profitiert auch das Schloss Frederiksborg im Hinterland der dänischen Riviera: In Hillerød erstreckt sich das Wasserschloss über drei Inselchen in einem kleinen See. Der ansehnliche Komplex, der komplett aus Backstein erbaut ist, gilt als Schlüsselwerk der nordischen Renaissance. Es ist nach dem dänischen König Friedrich II. (1534-1588) benannt, entstand in seiner heutigen Form aber erst unter dessen Sohn Christian IV. (1577-1648). Der hufeisenförmige Prunkbau aus Backstein ist mit Türmchen, Ziergiebeln und Figuren aus hellem Sandstein verziert. Er besteht aus drei verbundenen Gebäuden: In der Mitte liegt der Königsflügel, rechts davon der Prinzessinnenflügel und links die Schlosskapelle.

Im Jahr 1859 zerstörte ein Brand den Großteil der Originaleinrichtung. Der Industrielle J. C. Jacobsen (1811-1887), der Gründer der Carlsberg-Brauereigruppe, sponserte den Wiederaufbau unter der Bedingung, dass es kein königlicher Wohnsitz mehr sein sollte, sondern als nationalhistorisches Museum allen zugänglich wird. Und so zeigen heute die rund 60 prunkvollen Räume Porträts, Gemälde, Möbel und Kunsthandwerk aus fünf Jahrhunderten, die auf verschiedenen dänischen Schlössern und Herrenhäusern stammen.

Spätes Glück: die Nationalparks Nördlich des Schlosses erstreckt sich der 2018 eingerichtete, fünfte Nationalpark Dänemarks: Kongernes Nordsjælland, das "Nordseeland der Könige". Er besteht aus mehreren einzelnen Flecken mit einer Gesamtfläche von gut 260 Quadratkilometern und ist damit dreimal so groß wie der Nationalpark Donau-Auen bei Wien

Das größte zusammenhängende Gebiet reicht vom ehemaligen Jagdrevier Store Dyrehave ("großer Tiergarten") bis zum Kloster Esrom, wo sich auch das Informationszentrum des Nationalparks befindet.

In Dänemark sind Nationalparks ein relativ junges Phänomen: Während das Nachbarland Schweden die ersten neun (!) bereits 1909 einrichtete und Österreich die Hohen Tauern immerhin 1981 unter den höchsten Naturschutz gestellt hat, konnte sich Dänemark erst 2008 zum ersten Nationalpark durchringen. Apropos Nachbarland: Bei Helsingør ist die Meerenge Öresund so schmal, dass man mit der Fähre in nur 20 Minuten auf die andere Seite kommt – und zwar ins schwedische Helsingborg

Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass …

  • … es in Dänemark nur ein Werk von Rembrandt (1606-1669) gibt, dessen Echtheit nie umstritten war? Es ist das „Porträt einer 39-jährigen Dame“ im Museum Nivaagaards Malerisamling. Bald wird es in der Sonderausstellung „Rembrandt Reunited“ (3. September bis 10. November 2024) besonders hervorgehoben.
  • … die Käsesorte Esrom vom gleichnamigen Kloster nördlich des Esromsees stammt und mittlerweile den Status eines Lebensmittels mit geschützter geografischer Angabe hat?
  • … in der Schlosskapelle von Frederiksborg bis 1840 die dänischen Könige gesalbt wurden? Heute dient sie als Gemeindekirche, in der Gottesdienste und Hochzeiten stattfinden.
     

So ein Halbtagesausflug lohnt sich, zumal die Boote bis kurz vor Mitternacht verkehren. Warum also nicht auf der schwedischen Seite Abendessen und dabei den Sonnenuntergang im Öresund beobachten? Helsingør selbst verdient aber auch einen Aufenthalt, denn dort steht das Schloss Kronborg, das Shakespeare im Drama "Hamlet" unter dem Namen Elsinore als Schauplatz eingesetzt hat, auch wenn er es wahrscheinlich nie selbst betrat.

Und "weil Kürze des Witzes Seele ist", wie es im zweiten Aufzug heißt, sind vier Tage genau richtig, um die reizvollsten Ecken der dänischen Riviera zu erkunden und mit Baden, Wandern und Kultur neue Energie zu tanken.

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