Panoramic view of the skyline of the city seen from the terraces of Milan Cathedral

Weekender Mailand: Mehr als einen Ausflug wert

"Milano Cortina 2026" ist gerade im Werden, aber noch ist es eher ruhig – ein guter Zeitpunkt für ein Wochenende in Mailand. Und tatsächlich: Man kann den Olympischen Gedanken ganz gut auf eine Reise in die Stadt von da Vinci und L’Aperitivo übertragen.

Überblick

Anreise

Die Bedeutung Mailands macht folgender Fakt klar: Es gibt mit Linate, Malpensa (der größte) und Orio al Serio gleich drei größere Flughäfen – letzteres liegt bei Bergamo, übrigens ein charmanter Tagestrip.
 

Von Wien per Zug

Es gibt auch drei bedeutende Bahnhöfe: Centrale, Garibaldi und Cadorna. Wer etwa mit dem ÖBB Nightjet von Wien reist, steigt abends am Hauptbahnhof ein und kommt am nächsten Vormittag in Milano Centrale an.

Währung

Euro

von Nicola Afchar-Negad

"Hätte es im 16. Jahrhundert schon Fußball gegeben, wäre dieses Spiel ein Gemälde von da Vinci gewesen." Diesen schmeichelhaften Vergleich zog eine portugiesische Tageszeitung nach dem Champions-League-Halbfinal-Sieg von Inter Mailand gegen Barca. Das Finale: 31. Mai, München, es wartet Paris Saint-Germain. Man kann davon ausgehen, dass Mailand an diesem Tag im Ausnahmezustand sein wird – als Tourist ein Spektakel!

Und man darf damit rechnen, dass die Milanesen stilvoll durch diesen Samstag taumeln werden, denn in der norditalienischen Metropole trägt man die Sonnenbrille selbst an Nieseltagen. Die Anzugsdichte: gefühlt in etwa so hoch wie die Champions-League-Prämie. Selten sieht man so minimalistisch und gleichzeitig schick gekleidete Menschen wie hier. 

Alles in dieser Stadt strahlt Anmut und Selbstvertrauen aus, das macht sie im ersten Moment vielleicht etwas unnahbar, wenn nicht sogar weniger sympathisch. Zu perfekt die Architektur, zu teuer die Geschäfte, ja selbst die gotischen Türme des Doms sind irgendwie zu spitz – oder nicht? Man kann sich durchaus erschlagen fühlen, wenn man auf dem Domplatz steht, der nicht nur zu Zeiten einer Meisterfeier einem Taubenschlag ähnelt. Die Kirche vor einem ist eine der größten der Welt, wer rein will, muss Schlange stehen oder – die  bessere Option – sich Monate vorab ein Online-Ticket sichern. Unbedingt die Stufen nach oben zu den begehbaren Dachterrassen nehmen, die Ein- und Ausblicke, die sich am Weg ergeben, sind ein Traum. Oben angekommen ist es gar nicht unbedingt der Blick nach unten, der die Grandes Dames des Social Media entzückt. Es ist vielmehr die Architektur der, wie erwähnt, spitzen Türme, die aufwendigen Verzierungen und Bögen, die den perfekten Hintergrund fürs Bitte, lächeln! kuratieren. 

Ich packe in meinen Koffer …

  • ... einen thematischen Reiseführer wie den „City Guide for Design Lovers“ (Verlag Travel Colours)
  • … Sonnenbrillen, der Wetterbericht ist irrelevant.
  • … eine kleine schicke Handtasche, eventuell für die Scala. Oder man kauft eine vor Ort, zum Beispiel bei Valextra.

Nicht für Romantiker

Die goldene Stunde mag alles in ein etwas lieblicheres Licht tauchen, aber prinzipiell ist Mailand eher keine Stadt für Romantiker, so adrett und kokett sie auch teils rüberkommt. Wobei: Mailand wirkt an vielen Stellen überraschend mediterran – und das entzerrt ein wenig die Gotik- und Grandezza-Strenge. Man checkt auch nicht ein wegen der alten Bauten, der Geschichte. Das überlässt man gnädig Rom. 

In Mailand galt immer schon: "Andiamo". Die Stadt ist seit jeher Italiens Tor zu Nordeuropa – und zur Welt. Durch seine Wasserwege und Handelsrouten kam keiner an der nicht rasend weit von der Schweizer Grenze gelegenen Stadt vorbei. Messen waren ein logischer Schritt auf einem Weg, den man bis heute konsequent weiter gegangen ist. Knapp 1,4 Millionen Menschen wohnen in Mailand-Stadt, untertags strömen drei Millionen durch die Gassen. Zu Messezeiten kosten selbst einfache Hotelzimmer ein Vermögen, wer nicht muss, reist ein andermal.

Fakt ist: Mailand ist seit einiger Zeit wieder schwer in Mode – und die heransprintenden Olympischen Winterspiele befeuern das zusätzlich. Neue Stadtviertel, unter anderem für die Forschung, zwei zusätzliche U-Bahn-Linien und mit Porta Nuova und Tre Torri zwei Komplexe, die das Gesicht der Stadt nachjustieren: In Mailand streckt sich nicht nur "il dito", eine Skulptur mit ausgestrecktem Mittelfinger, gen Himmel. In Scalo di Porta Romana entsteht bis 2026 das Olympische Dorf, in Nachbarschaft der renommierten Prada Fondazione. Der Ausstellungskomplex ist eine Herzeige-Kulturstätte inklusive szenografisch anmutender Bar, designt von Regisseur Wes Anderson ("Grand Budapest Hotel"). Anderson ist US-Amerikaner, aber die Bar Luce passt zu Mailand wie die Aida zu Wien. Mühelos stylish – mit einem Hauch Humor.

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Die Bar Luce in der Fondazione Prada wurde von US-Kult-Regisseur Wes Anderson entworfen

©mauritius images / CuboImages / Stefano Tripodi/CuboImages / Stefano Tripodi/mauritius images

Mailänder Design hat eine industrielle und experimentelle Seele, tief verwurzelt in eleganter Funktionalität. Die Stadt hat ihre Pilgerstätten, keine Frage. Es sind die Hotspots der Design-Didakten, die Bar des Kult-Regisseurs, der einzig wahre Concept-Store (10 Corso Como), die Bauten von Mid-Century-Ikone Gio Ponti – und natürlich die Galleria Vittorio Emanuele II, gleich neben dem Dom. Ein Wunderwerk aus Glas, Stahl und Fresken, eine überdachte Einkaufspassage, der Salon Mailands, der in Sachen Instagram dem Dom schwer Konkurrenz macht.

Galleria Vittorio Emanuele II in Milan

Einkaufszentrum à la Milano – die atemberaubend schöne Galleria Vittorio Emanuele II. 

©Getty Images/iStockphoto/martinwimmer/iStockphoto

Die Shops spielen allesamt in der obersten Preisliga, der MiTo (Milano Torino-Cocktail) im Camparino kostet dann auch 18 Euro. Ums Eck, in der Terrazza Aperol zahlt man sogar 20 Euro für den namensgebenden Aperol Spritz, dafür kommt er – ganz im Stile des italienischen Aperitivo – in Gesellschaft einiger köstlicher Häppchen, auf einem hübschen Holztablett arrangiert. Und die Sicht auf den Dom kann man nicht schlechtreden. Rom mag die ewige Stadt sein, aber in Mailand lebt man im Moment.

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Ein Aperitivo in der Terrazza Aperol ist zwar alles andere als günstig, aber dafür ein Erlebnis.

©mauritius images / AGF / Valletta Vittorio/AGF / Valletta Vittorio/mauritius images

Kunst und Kanäle

Spätestens an Tag zwei sollte man es aus dem Zentrum rausschaffen. Das Navigli Viertel ist circa eine halbe Stunde zu Fuß entfernt und ein Erbe des Mailänder Universalgenies Leonardo da Vinci. Den Ausdruck „Klein-Venedig“ braucht man nicht einzustreuen, die Assoziation ist klar. In Navigli macht man es sich in den frühen Abendstunden gemütlich, zum – da ist er wieder – Aperitivo in einer der vielen kleinen Bars. Wiener fühlen sich unweigerlich an die Atmosphäre am Wiener Donaukanal erinnert. Besonders hübsch: die cortili, das sind die versteckten Hinterhöfe in Navigli. Im Cortile degli Artisti schlendert man an einer Art Freiluft-Kunstausstellung vorbei. Die schönen Künste, sie sind in Mailand überall. Bedeutende Galerien, wie die Pinacoteca und das Ende 2024 wiedereröffnete Palazzo Citterio, sind nur zwei Beispiele, die beide im Boho-Stadtteil Brera liegen. 

Naviglio Grande - Milan, Italy

Insbesondere im Sommer – am besten frühabends – ein magischer Anziehungspunkt: das Navigli-Viertel mit seinen Kanälen
 

©Getty Images/iStockphoto/titoslack/IStockphoto.com

Kuriose Fakten

Wussten Sie, dass... 

  • … es Glück bringen soll, sich mit der Ferse auf den Hoden des Stiers am Boden der Galleria Vittorio Emanuele II, zu drehen? Aber bitte drei Mal.
  • … in der Bibliothek Ambrosiana eine Haarlocke der Papsttochter Lucrezia Borgia besichtigt werden kann? Etliche Mythen ranken sich darum.
  • … die Kanäle in Mailand errichtet bzw. verlängert wurden, um Steine für den Bau des Doms zu transportieren?
     

Kopfsteinpflaster, pastellfarbene Häuser, kleine Galerien und Geschäfte – die typischen Ingredienzien für einen Nachmittag, an dem der Zufall die Pläne schmiedet. Herrlich: das LùBarino, ein charmanter Buffetstand mit ausgezeichneten Arancini und dem LùBarino, einem Cocktail aus frisch gepresstem Grapefruit-Saft, Soda und Campari. Wem der Stil des Vier-Tische-Mini-Lokals gefällt, könnte noch einen Hupfer in die Via Palestro machen, hier findet sich der Shop der Marke. Man sollte seine Shopping-Eskapaden allerdings mit Bedacht planen, es gibt ein bisschen mehr als Koffer und Budget guttut.

Insofern vielleicht besser noch ins Porta-Romana- und Scalo-Romana-Viertel, in dem gerade die Infrastruktur für die Olympischen Winterspiele 2026 (6. bis 22.2.2026) gedeiht. Dabei sein ist alles, soll Baron Pierre de Coubertin, der Gründer des Olympischen Komitees, einst gesagt haben. In Wahrheit war es wohl etwas komplexer, aber das Gedanken-Destillat passt einfach zu gut für ein Mailand-Wochenende. Am besten nicht allzu viele Fixpunkte – den Dom und da Vincis letztes Abendmahl – und ansonsten: mal schauen. Den Aperitivo gibt’s eh überall.

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