Brennnessel

Bissiges Superfood: Wie Brennnessel besonders gut schmeckt

Die zarten Spitzen ergeben einen herrlichen Spinat, machen sich gut im grünen Smoothie oder Pesto – und im traditionellen Knödel

A wie anhänglich. B wie bissig. Und k wie königlich. Ungefähr so ließe sich der Charakter von Madame Brennnessel beschreiben.

Anhänglich deshalb, weil sie als Unkraut so gut wie überall wächst und kaum mehr wegzukriegen ist. Das "Bissige" wiederum stammt von den Brennhaaren, die auf den Stängeln und Blättern der Pflanze sitzen. Diese sind unter anderen mit einem Mix aus Ameisensäure, Histamin und Serotonin befüllt, er löst das gefürchtete Brennen aus. Das Königliche kommt vom Ruf, den die Brennnessel unter Pflanzenexperten hat: Als "Königin des Unkrauts" mag sie zwar ein bisschen brenzlig und lästig sein, zugleich ist sie „mächtige Heilerin“, wie sie der deutsche Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl nennt.

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Weckt die Lebensgeister

Ganz klar: Gerade jetzt, im Frühjahr, gehört dieses Unkraut auf unsere Speisekarte, zumal das Kochen mit selbst gesammeltem Grün ungebrochen im Trend liegt.

In der aktivsten Zeit des Jahres weckt das Wildgemüse die Lebensgeister und vertreibt Frühjahrsmüdigkeit. "Die Brennnessel ist ein Superfood, das reichlich Eiweiß, Vitamine und besonders viele Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium, Kalium, vor allem aber Eisen enthält", sagt Patricia Purker, Kräuterexpertin an der Naturakademie Villa Natura. Außerdem sei sie als traditionelles Heilmittel anerkannt, zum Beispiel bei leichten Gliederschmerzen oder Harnwegsbeschwerden.

Werden die Blätter der Brennnessel erhitzt und gekocht, verliert Madame all ihre bissigen Eigenschaften und wird zum seidig-weichen Genuss, der ein bisschen nach Spinat schmeckt. Herb, grün, erdig-frisch. Dafür wird das Kraut zuerst mit heißem Wasser blanchiert, danach grob geschnitten und weiterverarbeitet. "Zum Beispiel als Ersatz für Spinat, als Füllung im Strudel oder in einer Quiche, aber auch als feines Pesto", so Purker.

Brennnesselspinat ist nichts Neues: In der Nachkriegszeit und in Phasen temporären Lebensmittelmangels improvisierten viele Hausfrauen und bereiteten mithilfe von Brennnesseln, Maggiwürfel, Mehl und Fett das gesunde Spinatgericht zu. Heute peppen die zarten Triebspitzen eher frühlingshafte Risotti, Omelettes und Aufstriche auf – immer mit einem Hauch Knoblauch.

Brennnesselpudding?

Eine spannende Zubereitungsart stammt aus Großbritannien, wo Forscher des University of Wales Institute im Jahr 2007 die zehn ältesten Rezepte des Landes vorstellten, eines davon für Brennnesselpudding. Eine recht klebrige Mischung aus zerdrückten Blättern, Wasser und Mehl, die bis ins Jahr 6000 v. Chr. zurückreicht und als "Vorläufer des Kloßes" gilt.

Da kommt eine schlichte Brennnesselsuppe schon etwas leichter daher, obwohl Brennnesselknödel nach Art der Omama auch einiges können (siehe Rezept unten), überhaupt mit etwas flüssiger Butter drüber.

Als Tee machen sich die getrockneten Blätter gut, sie entschlacken und entgiften. Für Hippokrates, dem berühmtesten Arzt der Antike, war die Brennnessel eine der wichtigsten Pflanzen zur Blutreinigung. Ob das auch für "Brennnesselbier" aka "Nettlebeer" gilt? Man weiß es nicht so genau. Eine Biervariante, die vor allem in Großbritannien beliebt ist und selbst „gebraut“ werden kann. Man braucht dazu nur frische Brennnesseln, Zucker, Wasser, Zitrone und Bierhefe, um die Gärung in Gang zu setzen. Ein Trunk mit frühlingshafter Note.

Rezept: Brennnessel-Knödel

Brennnessel-Knödel

Zutaten:

  • 5 dag Brennnesselblätter von jungen Pflanzen 
  • 2 dag Butter 
  • 1 Ei 
  • 4 mittelgroße Erdäpfel 
  • 12 dag Semmelbrösel

Zubereitung:

Butter und Ei flaumig rühren, Erdäpfel kochen, schälen und passieren. Die Brennnesselblätter blanchieren, fein hacken und mit den Erdäpfeln zur Butter-Ei-Mischung geben. Salzen, mit den Bröseln vermengen und zu kleinen Knödeln formen. Man kann sie mit etwas geriebenem Käse servieren, mit flüssiger, warmer Butter übergießen, sie passen aber auch gut als Einlage in eine Rahm- oder Gemüsesuppe 

Richtig sammeln

Wenn es ums Sammeln geht, sind ein paar Dinge zu beachten, sagt Patricia Purker: "Vor allem sollte nur an sauberen Stellen gesammelt werden, abseits von Jogger- und Hunderouten. Im Frühjahr kann man die Pflanzen noch ganz sammeln, später, wenn die Brennnesseln größer sind, nur das obere frische Drittel, weil alles darunter zäh und von Insekten zerfressen ist." Die herzförmigen Blätter sollten trotzdem gut gewaschen und zügig verwendet werden, sonst verlieren sie ihr Aroma. Hartgesottene pflücken mit bloßen Händen, dem Rest sei das Tragen von Handschuhen empfohlen.

Kräuterexpertin Purker verrät außerdem, dass sich auch die Samen der weiblichen Blüten kulinarisch verwerten lassen. Wer mag, sammelt sie von August bis Oktober und verwendet sie als Topping für Salate und Müsli oder im Brot. Wegen ihrer Nährstoffdichte gelten sie noch viel mehr als Kraftfutter. Fazit: Man sollte sich ruhig öfter in die Nesseln setzen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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