Die Stoßbelastung kann beim Joggen beträchtlich sein. Ein hochwertiger Sport-BH dämpft die Erschütterung.

Was Sport-BHs wirklich bringen – und was das mit Feminismus zu tun hat

Das richtige Modell hilft dem Körper, in Balance zu bleiben. Aber: Was heißt das genau? Und: Warum wächst das Forschungswissen dazu erst jetzt?

Bis zu 21  Zentimeter kann die weibliche Brust beim Joggen wippen  – und zwar in alle Richtungen. Bereits bei einem gemäßigten Lauftempo von acht Kilometer pro Stunde kommt es zu bis zu 10.000 Erschütterungen – ein unangenehmes Gefühl. 

Bei über 70 Prozent der Joggerinnen ist die Lauffreude deshalb getrübt: Sie leiden beim Sport unter Schmerzen, wie Expertinnen und Experten des Breast Biomechanics Research Center der Universität Memphis in einer neu veröffentlichten Studie berichten. 

Wie beim Laufschuh sollten Frauen auch beim Sport-BH nicht sparen. Was es bringt, wenn dieser gut stützt, hat man  an der Hochschule in Memphis nun wissenschaftlich untersucht. Endlich –  denn lange Zeit wurde den Bedürfnissen der weiblichen Brust beim Sport wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

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Abfedern bitte!

Tatsache ist: Die Stoßbelastung beim Laufen ist – je nach Untergrund – durchaus beträchtlich. Aus einer Handvoll früherer Untersuchungen ist bekannt, dass die Stützfunktion von sportlichen Büstenhaltern nicht nur das Wippen der Brust minimiert, sondern auch die Laufleistung positiv beeinflussen kann. So konnte eine stärkere Unterstützung der Oberweite beispielsweise mit einem geringeren Sauerstoffverbrauch und einem besseren Bewegungsradius in Verbindung gebracht werden.

An der Universität Memphis wollte man den Effekt in Zahlen gießen: Douglas Powell und Hailey Fong, ihres Zeichens Experten für Biomechanik, wollten die detaillierten Auswirkungen eines guten Sport-BHs auf biomechanische Prozesse beim Laufen untersuchen – ihre Erkenntnisse haben sie nun im Fachblatt Frontiers in Sports and Active Living veröffentlicht.

Über den genauen Effekt bruststützende Maßnahmen auf die Biomechanik, die Lehre des Bewegungsapparates, wisse man aber nach wie vor zu wenig, wird Studienautor Douglas Powell in der Aussendung zur Studie zitiert. "Wir wollten Strategien zur Verringerung von aktivitätsbedingten Brustschmerzen bei Frauen, einer Gruppe, die etwa 50 Prozent der Bevölkerung ausmacht, ermitteln."

Biomechanik des Laufens

Als wichtigsten Parameter definierten die Forschenden die Steifigkeit des Kniegelenks. In der Mechanik ein Maß dafür, wie ein Körper auf äußere Belastungen reagiert. Aus biomechanischer Sicht gleicht der untere Teil des Körpers einer Feder. Beim Laufen werden Sprung-, Knie- und Hüftgelenke bei Bodenkontakt gebeugt. Die unteren Extremitäten werden wie eine Feder komprimiert – der Oberkörper senkt sich.

Je besser das Kniegelenk die einwirkenden Kräfte absorbieren kann, desto geringer der Sauerstoffverbrauch beim Laufen. Auch die Laufleistung profitiert. Und es kommt seltener zu laufbedingten Verletzungen.

Ab aufs Laufband

Für die Tests wurden zwölf Hobbyläuferinnen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren mit B-, C- oder D-Körbchengröße mit zwei verschiedenen Sport-BHs ausgestattet: einem mit hoher und einem mit geringer Stützkraft. Außerdem wurden die Probandinnen gebeten, das Experiment auch ganz ohne BH durchzuführen.

Jede Teilnehmerin absolvierte dreiminütige Laufeinheiten am Laufband. Ihre Bewegungen wurden mittels komplexer Technologien verfolgt.

Obenrum stabil

Im Experiment zeigte sich, dass mehr BH-Halt mit einer größeren Steifigkeit des Kniegelenks verbunden war: Die Gelenksbewegungen waren geringer. Im Vergleich zum Test ohne BH war die Steifigkeit des Kniegelenks bei niedriger und hoher Stützung um zwei Prozent bzw. fünf Prozent höher.

Ein Sport-BH mit hohem Halt könne in Summe die Laufleistung von Frauen um sieben Prozent verbessern, schlussfolgern die Forschenden.

Übersehenes Zubehör

"Die Ergebnisse zeigen, dass die Bruststütze den gesamten Körper ausbalanciert", erklärt Powell. Fehlt diese Ausgleichsfunktion, kann es zu einer verminderten Laufleistung, einem erhöhten Verletzungsrisiko und sogar zur Entwicklung chronischer Rücken- und Brustschmerzen kommen

Das Problem: Im Gegensatz zu Laufschuhen, die ständig neu erfunden werden, hast sich das Design sportlicher BHs in den vergangenen 50 Jahren kaum weiterentwickelt. Die Biomechanik war lange eine Männerdomäne, die Erforschung der weiblichen Anatomie lange eine vernachlässigte Nische. Ein Fehler, findet Powell: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sport-BHs nicht nur als Kleidung, sondern auch als Sportzubehör betrachtet werden sollten, das eine relevante Rolle für die Gesundheit von Frauen spielt."

Marlene Patsalidis

Über Marlene Patsalidis

Gebürtige Linzerin, 2007 fürs Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft nach Wien gekommen – und geblieben. Nach Stationen bei der Tageszeitung Heute und dem Frauenmagazin miss seit 2016 beim KURIER tätig. Schwerpunktmäßig mit Gesundheits- und Wissenschaftsthemen befasst. Ausgeprägtes Interesse für den Menschen und was die Wissenschaft über ihn zutage fördert.

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