
Auf dem Höhenflug: Schmetterlinge in Kunst, Design und Mode
Warum der Schmetterling seit Jahrtausenden die Kunst, Mode und Fantasie beflügelt – und gerade jetzt wieder angesagt ist.
"Ein Hauch und dann ein Wunder“, so nannte Christian Lacroix einst den Moment, in dem ein Schmetterling die Luft berührt.
Kein anderes Symbol steht in der Kunst und im Design so sehr für Verwandlung, Schönheit und Vergänglichkeit wie dieses flatterhafte Wesen. Seine Flügel: zart wie Seide, bunt wie ein Malkasten, symmetrisch wie ein Mandala.
Kein Wunder also, dass der Schmetterling seit Jahrtausenden Maler, Modemacher und Mythenbildner inspiriert.
Schon in der Antike wurde der Schmetterling mit der Seele gleichgesetzt – im Griechischen heißt Psyche beides: Geist und Falter. Auf antiken Sarkophagen schwebt er oft aus dem Mund der Toten als Symbol für das entweichende Leben.
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Auch in der Renaissance taucht er als Sinnbild der Transformation auf: In Albrecht Dürers „Maria mit der Nelke“ sitzt ein fein gezeichneter Falter am Bildrand – nicht nur als Naturstudie, sondern als zarte Andeutung von Wandel und Himmelfahrt.
Im Barock wird der Schmetterling dann zum beliebten Motiv der Vanitas-Stillleben: Zwischen Totenköpfen, verwelkten Blumen und erloschenen Kerzen steht er für die Schönheit des Lebens – und seine Flüchtigkeit. Ein Wesen, geboren aus dem Staub, tanzend im Licht, dem Vergehen geweiht.

Wiener Nachtpfauenauge am Stephansplatz
©© WIENER WILDNISUnd das ist durchaus wörtlich gemeint. Es gibt etliche Schmetterlingsarten, die im Erwachsenenalter, also nach ihrer Verwandlung in die wunderschönen Falter, die wir so lieben, keine Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme mehr haben. Keine Mundwerkzeuge, keine Verdauungsorgane – nur Schönheit.
Das Wiener Nachtpfauenauge ist eines dieser märchenhaften Geschöpfe. Und wie leider viel zu viele Tiere ist auch der mit bis zu 16 cm Spannweite größte Schmetterling Europas bedroht.
Sein Lebensraum verschwindet durch intensive Landwirtschaft, Pestizideinsatz und das Verschwinden alter Obstbaumkulturen.
Entdeckerin der Metamorphose
Im Jahr 1699 war es dann eine Frau, die sich ganz allein auf eine Reise machte, die für ihre Zeit kaum vorstellbar war: Die Frankfurterin Maria Sibylla Merian, Malerin, Kupferstecherin und Naturforscherin, reiste nach Surinam, um dort Insekten in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.
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Besonders fasziniert war sie vom Schmetterling – und seiner Metamorphose vom Ei zur Raupe, zur Puppe, zum Falter.
In ihrem monumentalen Werk „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ (1705) dokumentierte sie diesen Prozess mit nie da gewesener Genauigkeit – und verwandelte den Schmetterling vom christlich aufgeladenen Seelensymbol zum naturkundlichen Forschungsobjekt.

Metamorphosis Insectorum Surinamensium (1726): Maria Sibylla Merian, Malerin, und Naturforscherin, reiste nach Surinam, um Schmetterlinge zu beobachten
©Mary Evans / picturedesk.com/Mary Evans/picturedesk.comIhre Arbeiten gelten heute als Meilensteine der wissenschaftlichen Illustration – und als Meisterwerke der Kunst.
Flügel in Farbe
Nachdem der französische Maler Odilon Redon um die vorletzte Jahrhundertwende Schmetterlinge ausgesprochen populär gemacht hatte, explodierte das Motiv im 20. Jahrhundert geradezu: Salvador Dalí ließ Schmetterlinge menschliche Gesichter umspielen, Max Ernst collagierte surreale Falterwesen, Andy Warhol verlieh ihnen poppige Leichtigkeit.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde der französische Maler Odilon Redon mit seinen Schmetterlingsbildern zum veritablen Star: „Sept études de papillons“
©Roger Viollet / picturedesk.comEiner der prominentesten Falterfreunde aber bleibt Damien Hirst: Seine großformatigen Werke aus echten Schmetterlingsflügeln faszinieren – und irritieren. Schönheit und Tod liegen hier hautnah beieinander.
Besonders auf den Laufstegen erlebte der Schmetterling Triumphe. Kein Designer verband ihn so innig mit seiner Arbeit wie Christian Lacroix: Seine Kleider waren ebenso farbenfroh und überbordend wie kurzlebig – „pure Lebensfreude“, so Lacroix, „und gleichzeitig ein Tanz am Abgrund der Zeit“.

Schmetterlings-Muster für eine Tapete von Christian Lacroix
©HerstellerDer studierte Kunsthistoriker mit seiner Liebe zu historischen Vorbildern und einem totalen Mangel an Zurückhaltung zitierte in seinen Entwürfen barocke Malerei und Theater, schuf wahrhaft überbordende Tableau vivants aus Stickereien, Volants und Farbexplosionen – und fing so immer wieder den magischen Moment des Flügelschlags ein.

Der britische Modemacher Alexander McQueen begeisterte immer wieder mit üppigen Schmetterlingskreationen
©Los Angeles Times via Getty Imag/Kirk McKoy/Getty ImagesAuch Alexander McQueen ließ Schmetterlinge über seine Entwürfe flattern, oft als Symbol von Schönheit und Zerbrechlichkeit zugleich. Iris van Herpen kreierte mit 3D-gedruckten Materialien technoide Falter, die ihre Models wie futuristische Naturwesen wirken ließen.
In einem ihrer Kleider ließ aktuell Mona Patel bei der Met Gala Schmetterlingsherzen höher schlagen: Ihre Robe – eine einzige Hommage an die Verwandlung – war von Dutzenden mechanischen Schmetterlingen umflattert, die sich beim Schreiten über den roten Teppich wie von Zauberhand bewegten. Ein Hightech-Märchen, das in Erinnerung bleibt.

Iris van Herpen kreierte mit 3D-gedruckten Materialien technoide Falter, die ihre Models wie futuristische Naturwesen wirken ließen. In einem ihrer Kleider ließ aktuell Mona Patel bei der Met Gala Schmetterlingsherzen höher schlagen
©REUTERS/Andrew KellyZeitgenössische Künstlerinnen wie Sofia Crespo lassen Schmetterlinge ebenso neu aufleben – allerdings digital: In ihren KI-generierten Fantasiewelten tanzen algorithmisch erschaffene Falter durch imaginäre Biotope.

„Felina", 1915 malte Alberto Martini seine Geliebte, Muse und It-Girl Luisa Casati, als "Schmetterlingskatze“
©Getty Images/Heritage Images/Getty ImagesAm schönsten mag es aber dennoch sein, diese Wesen in der Natur zu bewundern.
Am besten jetzt gleich. Es ist Frühling, genießen wir ihn.
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