
Wiener hat Tausende unveröffentlichte Originalzeichnungen
Ein Schatz, wie ihn Indiana Jones sich kaum schöner ausdenken könnte: Star-Architekten wie Rem Koolhaas widmeten einem stillen Sammler ihre Zeichnungen.
"Ich hab mich selbst nicht als kreativ genug eingeschätzt – und nur so ein Strichler wollte ich nicht werden“, erklärt René Prassé, warum er seinerzeit an der TU nicht Architektur studiert, sondern stattdessen als Diplom-Ingenieur der Kulturtechnik sein ganzes Leben lang Architekten in Sachen „Baustoffe“ beraten hat.
Was er damals nicht ahnte: Genau diese Position abseits des Rampenlichts sollte ihm Zugang zu einer Sammlung verschaffen, die ihresgleichen sucht.
Fünf dicke, in Leder gebundene Bücher, randvoll mit Originalzeichnungen der bedeutendsten Architekten unserer Zeit – das ist das stille Lebenswerk des heute 78-jährigen Wieners. Rem Koolhaas, Frank Gehry, Toyo Ito, Zaha Hadid, Hans Hollein, David Chipperfield – sie alle haben für René Prassé gezeichnet.

René Prassé mit einem seiner fünf Bücher
©kurier/Martin WinklerKeine Drucke, keine Reproduktionen. Sondern exklusive, handgezeichnete Miniaturen, Skizzen, Aquarelle – ganz persönliche Beiträge für den Mann, der als eine Art Architektur-Autogrammjäger mit Künstlerblick in die Geschichte eingehen könnte.
Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- Aus der Zeit gefallen? Früher gab's auch nicht mehr Flatearther als heute
- Die Welt war - beinahe - immer schon eine Kugel
- So können wir an alten Abenteuern teilhaben

Friedrich Kurrent "Vision für Wien vor 40 Jahren (1999)"
©Rene PrasseDabei war Prassé selbst ein guter Zeichner, auch wenn er das heute abwiegelt. „Aber geh!“, sagt er, wenn man die Blätter bewundert, die er einst zur Matura abgegeben hat.
Frühe Leidenschaft
Die Begeisterung für Kunst und Architektur war jedenfalls schon früh vorhanden – wie auch sein Spürsinn und seine Leidenschaft für Originale: eine Lötz-Vase entdeckte er mit 16 im Antiquariat, bald folgte eine Zeichnung von Carl Krenek – ein Porträt Josef Hoffmanns.

René Prassé zeigt Andreas Bovelino seineSammlung
©kurier/Martin WinklerWenig später, 1967, hielt er eine Aktion der Wiener Gruppe um Otto Mühl und Günter Brus im damaligen Porr-Haus mit der Kamera fest. Die Bilder sorgten für Aufsehen, wurden publiziert – aber das Rampenlicht reizte René Prassé für sich persönlich nicht.
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Sepp Frank "Architektur-Illusionen"
©Rene PrasseAls dann die internationale Architekturelite bei Biennalen, Preisverleihungen oder Ausstellungen auftauchte, packte er sein eigens angefertigtes Büttenpapier-Buch ein und bat um Einträge. Nicht um Autogramme – sondern um Kunstwerke.
Was als grafische Deutung des Wortes „Anfang“ von Friedrich Achleitner begann, nahm nach ein paar Rückschlägen – Margarete Schütte-Lihotzky unterschrieb wie einige andere auch ganz einfach – bald richtig Fahrt auf.

Friedrich Achleitner "Anfang"
©Rene Prasse„Es hat schon geholfen, dass Hans Hollein früh eine Zeichnung gemacht hat“, erinnert sich der Sammler heute. Als Student hat er in einem Büro im selben Haus gearbeitet, Holleins Schwägerin habe, so meint René Prassé, wohl „ein gutes Wort“ für ihn eingelegt.
Der Ehrgeiz der Architekten-Kollegen war jedenfalls geweckt!

Hans Hollein trug einige Bilder zur Sammlung bei, hier „TorreDorr“
©kurier/Martin WinklerBald zogen andere Stars nach, der spätere Pritzker-Preisträger Toyo Ito malte ein wunderbares „House of Sun“, Ettore Sottsass zeichnete ein entzückendes Häuschen, aus dem jederzeit der „Kleine Prinz“ spazieren könnte.
Dem stehen beinahe comicartige Werke wie die „Knödel Architecture“ des japanischen Architekten Kinya Maruyama und regelrechte Gemälde wie „City of Beautiful Bodies“ des ehemaligen Prix-Schülers Lukas O. Göbl.

Sammlung Prassé: Kinya Mauyana "Knödelarchitektur"
©Rene PrasseDer Niederländer Winy Maas skizzierte Berge, auf denen künftig Städte stehen könnten – nur um von seinem gefeierten Landsmann Rem Koolhaas prompt parodiert zu werden: gleiche Silhouette, schlampiger gezeichnet, signiert mit „Imitation is the greatest Compliment“.

Winy Maas "Town on top of your mountains"
©Rene Prasse
Rem Koolhaas "Imitation is the greatest compliment"
©Rene PrasseManche Beiträge sorgen auch überraschend für Klarheit: Stefano Boeri, der Architekt des berühmten Mailänder Hochhauses „Vertical Forrest“ schrieb in der Widmung zu dem von ihm für René Prassé skizzierten Gebäude: „House to F. Hundertwasser“ und verbeugte sich quasi postum vor dem österreichischen Künstler.

Stefano Boeri "House to F. Hundertwasser"
©Rene PrasseJosef Kurrent wiederum, der auch einige großartige Porträts beisteuerte, kreierte 1998 ein echtes kleines Zeitzeugnis: „Eine Vision für Wien vor 40 Jahren/seit 1958“ nennt er seine wunderbare Federzeichnung. Nicht alle Zugänge waren einfach. Zaha Hadid etwa musste bei einer Ausstellung umgarnt werden – sehr zum Missfallen der Galeristin.
„Wenn du eine Zeichnung von Zaha Hadid willst, dann wirst du bei mir eine kaufen müssen!“, drohte sie ihm, wie er sich lachend erinnert. Doch Hadid war charmant und willig, Prassé ging mit einer Zeichnung nach Hause.
Auch eigentlich „architekturferne“ Künstler wie Peter Pongratz oder Erwin Wurm tauchen in den Bänden auf. Immerhin sind sie selbst oft auch „Häuslbauer“, und außerdem „ist doch alles Architektur“, wie René Prassé Hans Hollein passend zitiert.
Wer zeichnet besser?
Erwin Wurm lieferte jedenfalls eine hübsche, für ihn typische Zeichnung mit dem augenzwinkernden Untertitel: „The depressed architect who wants to be an artist.“

Erwin Wurm: „The depressed architect who wants to be an artist“
©Erwin WurmZufällig trafen sich die Familien Wurm und Prassé bei einem Heurigen in Maissau wieder. Prassés Enkelin war ungefähr im selben Alter wie Wurms Tochter, die beiden Mädchen spielten nett. Als zwischen den beiden Funkstille eintrat, fragte Prassé die kleine Tochter des Künstlers: „Na, soll ich dir vielleicht etwas zeichnen?“ Das Mädchen nickte und René Prassé zeichnete einen Teddybären für sie.
Der begeisterte die Kleine derart, dass sie zu Erwin Wurm lief und krakelte: „Schau Papa, so was Schönes hast du mir noch nie gezeichnet!“

René Prassé
©kurier/Martin WinklerUnd seitdem hat René Prassé, immer wenn er den internationalen Kunststar trifft, das letzte Schmunzeln auf seiner Seite: „Na Erwin, kannst’ jetzt schon einen Pezi zeichnen?“, fragt er ihn dann.
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