Ikonisch: Hautnah dran an Stars wie BB, Mick Jagger und Iglesias
Im Urlaub mit Sophie Marceau, im Privatjet mit Julio Iglesias: Die ikonischen Fotos von Jean-Claude Deutsch.
Ein paar Tage mit Sophie Marceau in der sonnigen Karibik? Dazu sagt man nicht nein. Man schrieb das Jahr 1989, und so löste der Fotograf Jean-Claude Deutsch ein Ticket und flog mit, von Paris nach St. Barthélemy. Blutjunge 23 Jahre war die Marceau damals alt, ein unbekümmertes Babyface mit Schmollmund, und nach dem Erfolg der "La Boum"-Filme war ganz Frankreich, was heißt: mindestens ganz Europa, in sie verliebt.
Jetzt stand sie an, mit erotisch aufgeladenen Kunstdramen wie "Meine Nächte sind schöner als deine Tage" ihr Image als süßer Teenager ernsthaft umzudrehen, doch davon war zu diesem Zeitpunkt auf der Insel der Kleinen Antillen nur im Ansatz etwas zu bemerken.
Sophie, tiefenentspannt beim Frühstück am Balkon, Sophie, sich verführerisch am Pool räkelnd, und Sophie, wie sie am Steuer eines Motorboots im Karibischen Meer Vollgas gibt: Sonnengebräunt, filterlos und ohne dem Schutzschild eines PR-Wachhunds, der sich allzu persönliche Einblicke verbittet, bot sie sich dem Fotografen dar – im Privaturlaub, wohlgemerkt, nicht an einem Filmset.
Prachtband
"Es war eine andere Zeit", konstatiert Ilan Deutsch im Gespräch trocken und man meint dabei einen Seufzer der Enttäuschung herauszuhören. Sein Vater Jean-Claude hat die Fotos geschossen. Und noch hunderte mehr, von denen die besten jetzt im bemerkenswerten Prachtband "La Belle Époque" erschienen sind.
Vierzig Jahre lang war Deutsch als Fotograf auf Tuchfühlung mit dem Glamour, im Auftrag von Paris Match, der wichtigsten Illustrierten Frankreichs, und nahm dabei stets offen Anteil an und Einblick ins Leben seiner ikonischen Modelle.
Message Control
Brigitte Bardot, David Bowie, Catherine Deneuve, Jane Birkin, John Travolta, Sharon Tate – Jean-Claude Deutsch blickte beim Who’s Who nicht nur hinter die Kulissen, er war Dauergast.
Seine Fotos präsentieren nicht allein die auf Hochglanz polierten Fassaden, sondern zeigen die Stars in allzu menschlichen Momenten.
Eine andere Zeit – was sein Sohn Ilan damit meint, ist klar: Hollywood-Stars sind heute fest mit einer gut geölten Public-Relations-Maschinerie verwoben, die darauf achtet, was gefragt werden soll, gesagt werden darf und welche Botschaft verbreitet werden muss. Message Control.
Ilan Deutsch weiß, wovon er spricht. Er ist selbst Fotograf geworden, und als wir telefonieren, hat er eben einen Job für die spanische Tageszeitung El Pais erledigt; vergangene Woche fotografierte er die Coverstory von Paris Match. Trotzdem bleibt die rätselhafte Frage: Wie ist es Jean-Claude Deutsch, der im Dezember des Vorjahres mit 83 Jahren starb, gelungen, den Weltstars dermaßen nahe zu sein und ihr Vertrauen zu gewinnen?
Ein Gentleman alter Schule
"Er war ein Gentleman", berichtet sein Sohn. Diese Mischung aus Zurückhaltung, Diskretion und wohlerzogener Freundlichkeit dürfte auch sein Erfolgsgeheimnis gewesen sein. Rein technisch gesehen wäre er als Fotograf kein Meister gewesen, so Ilan Deutsch. Keine extravaganten Bildkompositionen, keine geniale Lichtsetzung. Dafür eine Intimität und Nähe, die man nicht herstellen kann, sondern auf Vertrauen basiert.
"Die meisten seiner Fotos sind vor allem aufgrund der Liebenswürdigkeit und Eleganz meines Vaters entstanden", erklärt Ilan Deutsch. "Jeder in der Branche sagte, er sei der netteste und höflichste Mensch, den sie je getroffen haben. Er mochte die Menschen, die er fotografierte, wirklich. Und ich glaube, das konnten sie spüren."
Im Privatjet mit Iglesias
Wie sonst hätte ein Schnappschuss wie der von Julio Iglesias entstehen können? Einzig, weil Jean-Claude Deutsch dem Schmachtbarden und Superstar, dessen Alben sich 300 Millionen Mal verkauften und der mit Legenden wie Frank Sinatra, Plácido Domingo oder den Beach Boys auftrat, in freundschaftlichem Wohlwollen verbunden war.
1986 saß der Franzose mit ihm in dessen Falcon-Privatjet. Und drückte im richtigen Moment auf den Auslöser, nämlich als Iglesias – in Unterleiberl und Sonnenbrille – sich gerade daran machte, einen Kübel Chicken Wings von Kentucky Fried Chicken zu verdrücken. Dazu gönnte er sich eine Flasche Château Lafite-Rothschild, einen der berühmtesten und teuersten Weine der Welt.
Die sonderbare Idylle ist ein ikonisches Bild geworden, aufgrund seiner Kontraste. Der Superstar im Alltag. Das schnöde Mahl und das kostbare Gesöff. Die Nähe zu Iglesias, für die man sich als Voyeur beinahe schämt, und die einen doch so fesselt. Es ist ein Bild, das heute noch zu Tausenden in den sozialen Medien gefeiert wird.
"Mein Vater war ein einfacher Mann", erzählt Ilan Deutsch. "Und er war ziemlich schüchtern. Seine Bilder entstanden spontan, aus der Situation heraus. Er wollte die Stars in einem normalen Tag ihres Lebens zeigen. Auch das hat ihn von anderen Fotografen seiner Zeit unterschieden."
Angebiedert hat Deutsch sich nie an den Ruhm der Menschen, die er fotografierte. "Große Freundschaften mit den Stars zu knüpfen, daran war er nicht wirklich interessiert."
"Er war kein Fan"
So wie Jean-Claude wohl überhaupt, so erzählt es sein Sohn, eher schwer zu beeindrucken war. Zuhause erzählte er kaum von seinen Begegnungen. Und auch unter Freunden prahlte er nicht mit Anekdoten. Das war einfach nicht sein Stil. "Er war kein Fan", sagt sein Sohn Ilan.
Heißt: Kein Klatsch über Sängerin Dalida, die für ihn während eines Urlaubs auf Korsika nackt in die Badewanne stieg. Kein Wort über Tee bei Yves Saint Laurent (Pfefferminz) in dessen Haus in Marrakesch, samt Bulldogge Moujik II und Butler Omar. Und keine heißen Infos über die Hochzeit von Mick und Bianca Jagger in Saint-Tropez, die Deutsch quasi neben dem Standesbeamten stehend fotografiert haben muss.
Im Meer mit Ursula Andress
"La Belle Époque" erzählt von einer Zeit, in der Stars noch nicht auf eine autarke Selbstdarstellung auf Instagram setzten. Wie die Bilder entstanden sind, überlässt Deutsch letztlich unserer Fantasie. Bilder, wie das von Kirk Douglas, mutterseelenallein am Sprungbrett über dem Meer am Cap d'Antibes. Oder von Ursula Andress, die für ihn in einem weißen T-Shirt klatschnass und göttlich dem Meer entsteigt.
Viel mehr beeindruckten Deutsch, der nach seiner Militärzeit in Algerien als Fotoassistent bei Paris Match begann und sich hocharbeitete, seine anderen Abenteuer: die Königshäuser im Mittleren Osten etwa, und der Reichtum und die Extravaganz ihrer Regenten, oder seine Reportagen über Hippies auf Ibiza. Ein Buch über seine Begegnungen mit Stars wollte Deutsch eigentlich nie machen. Zuletzt entschied er sich zum Glück anders.
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