Starfotograf David Bailey: So inszenierte er die wilden Achtziger

Die Achtziger waren laut, glitzernd, provokant. Großbritanniens berühmtester Fashion-Fotograf setzte ihre Ikonen in Szene.

Wer sich an die Achtziger erinnern kann, war nicht dabei. Wer kennt es nicht, das berühmte Falco-Bonmot? 

Für all jene, die Erinnerungslücken aufweisen und die leichter Schwindel erfasst, wenn sie an dieses knallbunte, gierige, anmaßende Jahrzehnt denken, empfiehlt sich da ein Blick ins Dokumentationsarchiv. Am besten eines, das so reichhaltig ist, wie das von David Bailey.

Großbritanniens großer Modefotograf war Passagier und Lenker zugleich dieser popkulturellen Hochgeschwindigkeits- und Geisterbahn der Achtzigerjahre. 

Ein Mann, der mit 20 schon fester Fotograf bei der Vogue war, mit Mick Jagger zusammenwohnte, die schönsten Frauen der Welt liebte, und London zum vibrierenden Mittelpunkt der Welt machte. "Die Siebzigerjahre haben das Chaos der Sechzigerjahre beseitigt", so Bailey. "Die Magie der Achtzigerjahre kam als Überraschung."

Familienbild für die American Vogue: Baileys Frau Catherine und Sohn Fenton, 1988

©David Bailey

Zusammengefasst und zu bewundern ist diese Magie aus seiner fotografischen Perspektive jetzt im Bildband "Eighties" (Taschen Verlag), und selbst wenn das Cover ein auf den ersten Blick asketisch wirkendes Model (Baileys Frau Catherine) in scharf konturiertem Schwarzweiß zeigt, verweist es dennoch gut auf die ausschweifende Ära: perfektionistisch im Anklang und mit dem glamourösen Hauch einer lasziven Dekadenz. 

Öffnet man das Buch dann, begibt man sich anhand von Fotos für Vogue oder Tatler auf eine Zeitreise, die viel von dem in Szene setzt, für das die Achtziger bis heute berühmt sind: heißkalten Sex-Appeal, im Luxus schwelgenden Hedonismus, verträumte Lässigkeit, zugespitzte Eleganz – und natürlich: Spaß!

Raubkatzenhafte Rockröhre: Tina Turner in einer Aufnahme aus dem Jahr 1984 - Simply The Best

©David Bailey

Von Prinzessin Di bis zur Deneuve

Die Achtziger springen einem nur so ins Gesicht. Die Haare! Zu babylonischer Turmhöhe aufgebrezelte Zelte erheben sich da vor dem Auge des geneigten Betrachters. Wellenbrecherisch geformte Kunstwerke oder bis in die Haarspitzen zugekleisterte Struwelpeterfrisuren. Der Föhn schien damals der beste Freund der Frau zu sein. Auch das Make-up war nicht gerade von Zurückhaltung geprägt. Das Motto: mehr ist mehr. 

Die Dekade war eine Augenweide, auch was die Mode betrifft: rüschenhaft ausladende Kleider, Pelzmäntel, Power-Dressing. Oder wie es Grace Coddington, die legendäre langjährige Kreativdirektorin der Vogue, im Vorwort auf den Punkt bringt: "Jacken mit riesigen, gepolsterten Schultern, die über den kürzesten Miniröcken getragen wurden, und gefährlich hochhackigen Schuhen."

Kelly LeBrock, 1982, für Vogue Italia 

©David Bailey

Die Mode in "Eighties" stammt etwa von Azzedine Alaïa, Comme des Garçons, Guy Laroche oder Yves Saint Laurent. Darin fotografiert hat David Bailey Ikonen wie etwa Rockröhre Tina Turner, die sich wie eine Raubkatze in Minikleid, Netzstrümpfen und selbstverständlich mit Löwenmähne dahinschmiegt. 

Wir begegnen einer verführerisch kecken Cindy Crawford in Rot, einer rehäugig schüchternen Prinzessin Diana und einer geheimnisvollen Catherine Deneuve. Grace Jones und Dolph Lundgren machen Party, Naomi Campbell tanzt wie Josephine Baker. 

Mit Kelly LeBrock und Lauren Hutton trifft man auf zwei Supermodels, die später gefragte Hollywoodstars wurden. Die eine gab in Filmen wie "Die Frau in Rot" die unerreichbare Traumfrau vom Dienst, die andere mit Silberblick und signifikanter Zahnlücke etwa in "American Gigolo" mit Richard Gere einen Typus, unter dem man sich damals "schön, aber auch schlau" vorstellte.

Supermodel und Abenteurerin: Lauren Hutton, 1983 von David Bailey in Szene gesetzt

©David Bailey

Und immer wieder ist auch sie zu sehen: Jerry Hall. Bailey zeigt das berühmte Model, auch bekannt als Frau von Mick Jagger und ganz viel später von Medienmogul Rupert Murdoch, bestrumpft, statuesk, im Pelzmantel, mit katzenartigem Jägerblick – vielleicht, weil die blonde Hünin besonders gut das unbeirrbare Selbstbewusstsein der Eighties verkörperte. Diese Frau ließ keinen Zweifel daran, stets Herr der Lage zu sein.

David Bailey: "Eighties"

David Bailey: "Eighties"

David Bailey: "Eighties". Hardcover, 28,4 x 36,0 cm, 296 Seiten, € 100, taschen.com
 

Rolls Royce und Rockstar

Dass wir von David Bailey nicht nur die zuckerlbunten Exotikarrangements zu sehen bekommen, sondern auch seine lyrisch komponierten Schwarz-Weiß-Fotografien, liegt an seiner Kunstfertigkeit. 

Die Vogue tat gut daran, ihm schon mit 20 zu vertrauen, da Bailey den Finger am Puls der Swinging Sixties hatte. Er brachte Leben in die Bude, indem er unverfroren die auf idealisierte Eleganz festgelegten Regeln der Modefotografie ignorierte. Vom Studio auf die Straße, frech und aufgeweckt statt musealer Schönheit: Das Cockney-Arbeiterkind Bailey, das mit 15 von der Schule abgegangen war und bei der Royal Air Force angeheuert hatte, erfand einen neuen Stil. 

Ausgelassen: Jerry Hall und Helmut Newton, 1983, für Vogue Paris

©David Bailey

Er wurde ein Star, ja ein Rockstar seiner Branche. Seine Affären und Ehen (etwa mit Catherine Deneuve) machten Schlagzeilen. Von seinem ersten Gehalt, so wird es gern wieder und wieder erzählt, legte er sich einen Rolls Royce zu. Ein spöttischer Schlag ins Gesicht für den Snobismus der vorherrschenden englischen Klassengesellschaft. Aber deren Beifall benötigte er ohnehin nicht, die Popkultur nahm ihn mit offenen Armen auf. 

Für den Kultfilm "Blow Up" aus 1966 von Michelangelo Antonioni über einen Modefotografen im Swinging London soll Bailey als Inspiration gedient haben. Er fotografierte die legendären Models Twiggy, Jean Shrimpton – und fing ihre Schönheit in Schwarzweiß vor weißem Hintergrund unvergleichlich ein. 

Mit einem Male war London – und damit Bailey – der Mittelpunkt der Welt. "Das erste Mal wollten die Amerikaner nach London kommen und nicht die Londoner nach New York", so Bailey, und ergänzt: "Nach Jahren der Stagnation war es zu einem Zentrum für die Künste geworden." 

Eindringlich: Karl Lagerfeld, 1984, für die British Vogue

©David Bailey

Er fertigte eindringliche Bilder von den Rolling Stones, Lennon & McCartney, David Bowie, Yves Saint-Laurent, Andy Warhol, Nelson Mandela, Queen Elizabeth und wurde zu einem der wichtigsten Porträtfotografen aller Zeiten. Später probierte er auch anderes, machte Fotos in Afghanistan, Sozialreportagen, arbeitete als Maler und Bildhauer. 

Dass er auch die Achtziger zu prägen vermochte, bezeugt sein generationsübergreifendes Talent. Ins Heute passen seine Fotos von damals wie gemacht: Die Achtziger feiern in Mode oder Musik seit Längerem ein bemerkenswert nachhaltiges Comeback, an dem die Generation Z sich lustvoll abarbeitet. Eskapaden sind wieder gefragt. Und damit liegt man bei David Bailey genau richtig.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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