Schulden und Größenwahn: Für seine Kinospektakel riskiert Hollywood alles
Größer, teurer, riskanter. Filme wie "Gladiator 2" feiern die Gigantomanie. Doch der Hang zum großen Wurf ging oft gehörig schief.
Alle Wege führen nach Rom. Selbst wenn man 24 Jahre darauf warten musste. Aber dafür wird es jetzt spektakulär wie nie zuvor. Also tobt die Menge vor schaulüsternem Blutdurst, reitet ein axtschwingender Krieger auf einem Monstrum Nashorn in die tosende Arena ein, Boote rudern durch das unter Wasser stehende Kolosseum. Und Denzel Washington lacht so hämisch, wie das nur den ganz, ganz Bösen gelingt.
Am 14. November wird der zweite Teil des sandalösen Epos „Gladiator“ starten, der Trailer ist vielversprechend. Wieder geht es um Macht, Intrige, Rache. Es ist die späte Fortsetzung eines fünffach Oscar-gekrönten Klassikers. Nachdem Russell Crowe im Originalfilm den crazy Kaiser-Sohn Commodus tötet und selbst auch stirbt, leidet Rom unter der Herrschaft von Tyrannen. Und Lucius Verus (Paul Mescal), Neffe von Commodus und Sohn von Lucilla (Connie Nielsen), muss zum Kampf in der Arena antreten. Kühner die Schwerter nie klingen.
Es braucht Milliarden
Hollywood setzt damit auf zwei vermeintliche Erfolgsgaranten: die nostalgische Zugkraft vergangener Kassenschlager. Und die Wirkmacht eines Schlachten- und Historiengemäldes, das den branchenüblichen Rahmen sprengt. In die Höhe von 310 Millionen US-Dollar ist das Budget von „Gladiator 2“ explodiert. Ob da noch Kalkül dahintersteckte oder doch schon Größenwahn? Diese Kosten müssen erst einmal eingespielt werden.
Stimmt die vom Hollywood Reporter angegebene Zahl tatsächlich, müsste der Ridley-Scott-Film laut Experten 1,3 Milliarden Dollar machen, um den Erfolg des ersten Teils zu wiederholen. Schuld am Budget-Problem: Der große Gewerkschaftsstreik der Schauspieler und Autoren, der den Dreh lahmlegte und dem Studio alleine zehn Millionen Dollar kostete.
Pannen und Unfälle
Keineswegs die einzige Katastrophe, die das Projekt torpedierte. Nicht nur dass Pläne für eine Fortsetzung seit 2002 konsequent missglückten (u. a. ein von Crowe beauftragtes irres Drehbuch von Sänger Nick Cave namens „Christ Killer“, in dem Maximus-Crowe von den römischen Göttern zurück auf die Erde geschickt wird, um den aufstrebenden Jesus zu töten).
Beim Dreh verunfallten Crewmitglieder, dann wieder kritisierten Tierschutzaktivisten den Umgang mit den Viecherln. Und Russell Crowe äußerte sich über den Film, nun ja, nicht gerade positiv. Es scheint tatsächlich so: Wo Riesen- und Herzensprojekte zwischen Gigantomanie und sentimentaler Selbstverwirklichung angegangen werden, ist vor allem eines nie fern: Scheitern, Hohn und Karriereflaute.
„Geld spielt keine Rolle“
Francis Ford Coppola kann ein Lied davon singen. Die Vietnam-Höllenfahrt „Apocalypse Now“ aus dem Jahr 1979 gilt heute zwar als Meisterwerk. Und das trotz Herzinfarkt des Hauptdarstellers, Drogenexzessen, einem das Set verwüstenden Sturm, obwohl das Budget ums Doppelte überzogen wurde und Marlon Brando in zickiger Diven-Bestform agierte. Coppola war danach verschuldet und seiner Karriere taten die Turbulenzen auch nicht rasend gut. So kam die Regie-Legende („Der Pate“) nie dazu, sich den Herzenstraum vom letzten Meisterwerk zu verwirklichen – bis jetzt, mit 85 Jahren: „Megalopolis“ lag Jahrzehnte auf Eis und läuft nun dennoch ab 26. September im Kino.
Visionär, opulent, einzigartig – ein „völlig verrückter Film“, urteilen Kritiker über das Science-Fiction-Epos, und Coppola selbst sprach davon, ein römisches Epos gegenwärtig zu inszenieren. Was es aktuell mache, sei die derzeitige Politik – „es gibt einen Trend in der Welt hin zu einer neo-rechten, sogar faschistischen Tradition“, so Coppola, und: „Was derzeit in den USA passiert, ist der Grund, weshalb das alte Rom untergegangen ist“. Finanzieren wollte das Mega-Drama dennoch kein Studio. Also steckte Coppola persönlich 120 Millionen Dollar, die er mit seinem Weingut verdient hatte, in den Film. „Geld spielt keine Rolle“, sagt er. „Was wichtig ist, sind Freunde.“
In „Megalopolis“ will ein genialer Erfinder (Adam Driver) seine Vision einer modernen Stadt für das korrupte New Rome umsetzen. Der mächtige Bürgermeister geht dagegen vor – und dann verliebt sich auch noch dessen Tochter in den Visionär. Ergebnis: eine schillernde Futurismus-Fabel Marke Chaos.
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Schwertergeklirre der Nibelungen
Nicht in die Zukunft, sondern zurück ins Mittelalter orientiert man sich dagegen in Deutschland. Monumental bleibt es aber. Das Nibelungenlied dient als frei interpretierte Blaupause für „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ (ab 17. Oktober), basierend auf dem Buch von Fantasy-Meister Wolfgang Hohlbein. Vulkane, Blutbäder und Schwertergeklirre: Bei Constantin Film gilt das bildgewaltige Epos mit 15 Millionen Euro als Hoch-Budget-Projekt, ganz nach dem Geschmack angesagter Serien wie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“, „House Of The Dragon“ oder „Those About to Die“. Drachen inklusive, ist ja klar.
Bankrott und geächtet
Kevin Costner wiederum hat wie Coppola selbst in seinen filmischen Lebenstraum investiert: 100 Millionen Dollar. Auf sein Haus nahm er eine Hypothek auf für das Megaprojekt, an dem er seit Jahrzehnten arbeitet, angelegt auf vier Teile: „Horizon – An American Saga“ behandelt die dunkle Geschichte der Siedlerpioniere, die am 22. August anläuft. Ob sich Hollywoods ewiger Cowboy damit übernommen hat? Die Kritiken meinten es nicht immer gut mit seinem Western, die US-Einspielergebnisse: mau. Die nicht alle ausfinanzierten Sequels könnten Costner außerdem privat in monetäre Turbulenzen und beruflich in Misskredit bringen.
Legendär schiefgegangen
Schicksale, die man aus der Hollywood-Historie bestens kennt. Der Misserfolg des budgetär völlig aus dem Ruder gelaufenen Amerika-kritischen Westerns „Heaven’s Gate“ (1980) vom Perfektionsmaniac Michael Cimino brachte das Studio United Artists an den Rand des Ruins. Das Genre Western galt danach als tot. Und das Regie-Genie Cimino erholte sich nie wieder davon.
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Auch „Cleopatra“ strotzte vor Katastrophen: Beim bis 2009 teuersten Film aller Zeiten (Kosten auf heute umgelegt: 300 Millionen Dollar) wurden laufend Regisseure und Darsteller gefeuert, der Dreh stand monatelang still. Und die Boulevardpresse schlachtete genüsslich die Liaison von Elizabeth Taylor und Richard Burton aus. So kam es, dass das Pharaonen-Drama zwar der erfolgreichste Film des Jahres 1963 wurde und dennoch für 20th Century Fox fast den Bankrott bedeutete und das Genre Historienschinken killte. Es ist anzunehmen, dass „Gladiator“-Mastermind Ridley Scott die Geschichte kennt. Sie wird ihn von nichts abhalten.
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